Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

Für die GRÜNE Fraktion bekommt nun Frau Gallina das Wort.

Ich möchte noch einmal etwas zu dieser Aussage, da stehe nicht viel Neues drin oder man habe gar nicht so viele neue Erkenntnisse gewonnen, sagen, denn das stimmt so einfach nicht.

Wir haben erst einmal in dieser Enquete-Kommission tatsächlich einiges an eigenen Forschungsergebnissen jetzt am Ende, was übrigens sehr großen Widerhall auch in der Fachwelt an verschiedenen Stellen findet, in der Leute sagen: Oh, das ist hoch spannend, gut, dass es das gibt, kann ich mir das bitte, bitte auch angucken. Das sind zum Beispiel Themen wie die Metaanalyse, wo wir uns – oder nicht wir uns, sondern jemand anders sich – die verschiedenen Inspektionsberichte, die wir in der Vergangenheit miteinander beraten haben, noch einmal angeguckt und geschaut haben: Okay, wo sind da jetzt wirklich die Schnittstellen, wo haben wir wirklich Probleme, die wir immer wieder finden, und woran liegt das möglicherweise? Das ist so eine Geschichte. Es hat ja in der Vergangenheit auch nicht immer jeder Zugang zu diesen Berichten gehabt. Insofern ist es schon ziemlich spannend, sich das anzugucken.

Wir haben die Befragungen des ASD und der freien Träger. Wir haben die Beteiligungswerkstatt gehabt, über die vorhin auch Herr Oetzel gesprochen hat. Das sind alles Dinge, die es so im Vorfeld beispielsweise nicht gegeben hat. Und die Perspektive, die die Enquete eingenommen hat, nämlich zu gucken, was das aus Sicht der Kinder mit den Rechten, die sie bei uns haben, bedeutet, diese verschiedenen Bereiche, machen wir uns doch einmal ehrlich, das ist nicht immer die Perspektive gewesen, unter der wir als Politik hier in den vergangenen Jahren diskutiert haben. Da kann man auch gern einmal klatschen. Ich finde, so ein bisschen Selbstkritik tut unserer Politik auch einmal gut.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Was mit dieser Enquete-Kommission auch passiert ist, ist, dass ein Diskurs in der Stadt entstanden ist. Es waren so viele Leute, die diese ganzen Sitzungen begleitet haben, die hinterher in ihre Organisation gegangen sind und das diskutiert haben, die miteinander in einen Austausch gekommen sind, die gesagt haben: Ah ja, die Perspektive auf mein

Gegenüber beispielsweise, mit dem ich sonst in dem Feld zu tun habe, und auf dessen Sichtweisen habe ich vorher so gar nicht gehabt. Ich glaube, da liegt sehr viel drin. Bei diesem ganzen Thema Kooperation, das uns auch sehr beschäftigt hat, ist das schon einmal ein wichtiger Schubs in die richtige Richtung gewesen. Das sehen wir auch beim Fortbildungsthema, dass es total spannend und wichtig ist, wenn auch da unterschiedliche Professionen zusammenkommen. Denn auch diese Frage, wie wir es schaffen, krisensichere Kooperationsbeziehungen herzustellen, ist eine Frage, die wir in der Vergangenheit nicht so dezidiert miteinander diskutiert haben.

Dann wäre es auch total komisch, wenn wir jetzt nur lauter neue Erkenntnisse hätten und an nichts weiter hätten arbeiten können. Stellen Sie sich das vor. Das würde bedeuten, wir hätten gemeinschaftlich in den letzten Jahren alle so sehr versagt, dass wir überhaupt nicht erkannt hätten, welche Baustellen es im Kinderschutz gibt. Das wäre ja wohl auch dramatisch gewesen. Dann hätten wir wahrscheinlich auch gar keine Enquete-Kommission einsetzen können.

Herr Heißner, weil ich ja immer die Aufgabe habe, auch noch einmal auf Sie zu reagieren, lasse ich mir das natürlich auch an dieser Stelle heute nicht nehmen. Zum Thema Kinderrechte ins Grundgesetz: Diese Debatte, die wir hier heute führen, ist doch auch ein Stück weit dafür gedacht, um der Öffentlichkeit einen Einblick in das zu geben, was die Enquete-Kommission hervorgebracht hat. Sie hätten in Ihrer Rede auch eigene inhaltliche Schwerpunkte setzen können. Die habe ich jetzt ehrlicherweise nicht vernommen. Gerade weil diese Enquete-Kommission den Titel "Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken" hatte, finde ich es elementar, dass hier die Kinderrechte auch zum Thema gemacht worden sind. Insofern ist das alles folgerichtig. Wir gucken dann einmal, welche Initiativen Sie in der nächsten Zeit einbringen. Heute liegt kein Antrag von Ihnen vor, obwohl Sie so ungeduldig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE bekommt nun Frau Boeddinghaus das Wort.

Das knüpft daran noch einmal gut an, denn ich finde wirklich, dass wir aufpassen müssen, um nicht wieder direkt in die Reflexe zurückzuverfallen, die wir sonst immer ausüben. Ich habe den Eindruck, Herr Heißner, dass Sie offenbar an dem Tag der Abschlussabstimmung irgendwie leicht sediert waren, dass Sie dann überhaupt mitgemacht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

(Philipp Heißner)

Ich begreife wirklich nicht, warum Sie jetzt sofort wieder in den Modus verfallen, nur immer in Wadenbeißermanier mit dem Finger auf den Senat zu zeigen und zu sagen: Jetzt macht mal, ihr hättet schon lange, und sowieso wussten wir als CDU schon alles besser.

Ich möchte wirklich noch einmal deutlich machen: Die Qualität der Enquete-Kommission ist eine grundsätzlich völlig andere als ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Ich meine mich zu erinnern, dass Sie vor zwei Jahren bei der Einsetzung gesagt haben: Wenn man nicht mehr weiterweiß, gründet man einen Arbeitskreis. Nein, die Enquete-Kommission war weit mehr. Ich appelliere an alle Fachpolitikerinnen und -politiker, dass wir auch im Familienausschuss diese Qualität hoch halten, was wir jetzt an Erkenntnisgewinn dort gehabt haben.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich appelliere auch daran, dass wir uns die großartigen Schätze, die wir alle haben – wir haben jetzt bücherweise, aktenweise in unseren Büros die ganzen Vorlagen und Inputs der Enquete-Kommission –, beizeiten noch einmal vornehmen und auch im Familienausschuss diskutieren, denn wir haben gar nicht die Zeit gehabt. Wir hätten locker vier Jahre arbeiten können. Wir mussten uns oft sehr disziplinieren.

Also wie gesagt, Herr Heißner, ich würde wirklich raten, dass wir uns jetzt genau angucken, weiter die Perspektive auf die Kinder und die Familien zu haben und nicht darauf, gleich wieder zu sagen: Der Senat ist der, der versagt hat, und er muss liefern. Nein, wir müssen liefern und Sie und die FDP müssen für Ihre Minderheitenposition Bündnispartner in der Stadt finden. Sie müssen dafür werben, damit Sie Mehrheiten finden. Das tun wir. Das haben wir gemacht, damit die Enquete-Kommission überhaupt zustande gekommen ist. Das müssen wir weiterhin machen. Wir müssen uns mit den Fachleuten in der Stadt zusammensetzen und zum Wohle der Kinder und der Familien das Beste machen. Und wir müssen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbeziehen. Ich möchte daran erinnern, wie schwierig es war, die Landesarbeitsgemeinschaft der ASD-Mitarbeiter in die EnqueteKommission … Das war ein harter Kampf.

(Philipp Heißner CDU: Wer hat zuge- stimmt?)

Herr Heißner, Gratulation, da haben Sie mitgemacht. Ich fürchte nur, Sie haben dabei nicht so viel gelernt. Ich hoffe, wir halten den Spannungsbogen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion bekommt nun Herr Oetzel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir haben heute schon diverse Zusatzanträge vorliegen. Ich möchte an dieser Stelle einmal auf den Koalitionszusatzantrag zur Fortbildungspflicht eingehen. Das ist in der Tat ein großer oder auch sehr diffiziler Bereich unserer Beratungen gewesen. Wir als FDP-Fraktion haben heute zunächst erst einmal die Überweisung diese Antrages an den Justizausschuss beantragt, vor dem Hintergrund, dass man die Tiefe und Komplexität dieses Themas auch angesichts der Tragweite Unabhängigkeit der Richter in der Enquete-Kommission zwangsläufig nicht bis zum Ende diskutieren konnte. Wir alle waren uns einig, dass das eine Diskussion ist, deren Detailtiefe wir dort nicht angemessen begegnen können. Jetzt stehe ich hier und muss die Regierungsfraktionen darauf hinweisen, dass auch die Behördenvertreter, die wir dazu da hatten, eher bremsend und eher abwägend waren und gesagt haben: Na, nun lassen Sie uns das aber nicht überstürzen, auch wenn wir möglicherweise das gleiche Ziel haben …

Deshalb – und wir haben es einstimmig beschlossen, auch wir setzen uns dafür ein – muss man es nur richtig machen. Dafür wäre eine Behandlung im Justizausschuss in der Tat komplett der angemessene und richtige Weg gewesen. Wenn Sie sich dem jetzt entgegenstellen, was ich eigentlich schade finde, weil wir gerade feststellen, dass wir alle doch hier beim Beginn eines gemeinsamen Dialogprozesses sind, dann werden wir uns bei diesem Antrag heute enthalten müssen. Vielleicht überlegen Sie sich das noch einmal und stimmen dann doch der Überweisung an den Justizausschuss zu.

Letztes Wort, Frau Boeddinghaus, denn Sie sagten gerade, jetzt müssten die Fraktionen von CDU und FDP für ihre Sondervoten werben. Ich habe das in meiner Rede eben schon getan. Ich werbe auch bei Ihnen um die Zustimmung zu unserem Sondervotum.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Ja!)

Das war auch der Grund, warum ich in der ersten Runde angesprochen habe, dass ich es sehr schade finde, dass das schon jetzt auseinanderfällt. Nicht aus inhaltlichen Gründen – zumindest haben Sie keine genannt –, sondern dass Sie unser Votum nur deshalb ablehnen, weil wir uns irgendwie, ich weiß auch nicht, erdreisten, unser Votum noch einmal zur Abstimmung zu stellen. Das ist genau das, was Sie eingefordert haben, nämlich für unsere eigenen Positionen zu werben. Das tun wir auch hier heute im Parlament, wir werben für unsere Position. Das würde Ihnen auch gut zu Gesicht stehen, nicht nur im außerparlamentarischen Raum,

(Sabine Boeddinghaus)

sondern ab und zu vielleicht auch etwas stärker im parlamentarischen Raum. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die AfD-Fraktion bekommt nun Herr Feineis erneut das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Boeddinghaus, haben Sie den Eindruck, dass Sie ausgelernt haben, oder wie ist das? Ich denke schon, dass wir immer wieder offen sein sollten für Neues und dass es nicht angehen kann, dass Sie Herrn Heißner und mir zurufen, wir hätten nicht dazugelernt oder zu wenig gelernt oder wie auch immer.

(Dennis Gladiator CDU: Die linke Arroganz!)

Ich denke, diese Unterstellungen sind nicht sehr kollegial.

Wenn ich überlege, was jetzt notwendig und wichtig ist, um wirklich in die Gänge zu kommen und für das Wohl der Kinder in Hamburg etwas zu tun, Herr Heißner hatte es schon gesagt, ist das ein neues IT-Programm – oder dasjenige zu überdenken, das installiert ist und scheinbar hinten und vorne nicht funktioniert. Ich denke, es ist notwendig, sehr schnell über die Bühne zu bekommen, dass es funktioniert und die Mitarbeiter des ASD entlastet werden, zusätzlich vielleicht sogar noch neue Mitarbeiter gewonnen werden, die die Dokumentation übernehmen. Ich denke, das ist sehr wichtig und sehr notwendig.

Wissen Sie, ich war viereinhalb, fast fünf Jahre mit meiner Familie Pflegefamilie hier in Hamburg und wir haben einiges gesehen, gehört und gelernt. Ich kann Ihnen sagen, da kann man von einem Sichwundern in das nächste Sichwundern kommen. Ich würde empfehlen, wirklich schnell damit zu beginnen, die U1- bis U9-Untersuchungen verpflichtend zu gestalten, ohne dass es jetzt wieder ein Generalverdacht ist, dass jeder und alle irgendwie ihre Kinder misshandeln. Darum geht es nicht. Aber ich sage Ihnen, dass wir fremde Menschen haben, die nicht eine westliche Kultur haben, die Schwierigkeiten haben.

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)

Ich weiß, ich weiß. Aber es gehört Offenheit dazu.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das ist keine Offenheit!)

Ich rede nicht vom grünen Tisch, sondern ich habe seit viereinhalb, fünf Jahren gesehen und gelernt, welche Schwierigkeiten und Probleme diese Familien mitbringen. Das kann man nicht wegdiskutieren, das gibt es. Ich denke, auch hier sollte man eine Offenheit haben, sollte man sich wirklich mit dieser Welt der Migranten auseinandersetzen, um

sie zu verstehen, um sie dann auch abzuholen. Das dient der Integration. Etwas anderes ist es nicht. Es geht nicht nur um Kinderschutz, sondern darum, dass die Familien integriert werden. Ich wünsche uns dabei Offenheit und Mut, die Dinge anzupacken,

(Zurufe von Heike Sudmann und Mehmet Yildiz, beide DIE LINKE)

die meines Erachtens in der Enquete-Kommission quasi als Tiefenbohrungen nicht diskutiert wurden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für den Senat bekommt nun Herr Senator Dr. Steffen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Oetzel, zu dem Antrag, der hier heute vorliegt, eine Fortbildungspflicht gesetzlich zu regeln, kann ich Ihnen sagen: Das ist ein sehr guter Vorschlag. Dazu werden wir einen konkreten Gesetzesvorschlag machen. Der wird natürlich dann auch im Ausschuss beraten werden, so wie wir es mit allen Gesetzentwürfen machen. Ich halte es für sinnvoll, die Diskussion anhand von konkreten Vorschlägen zu führen. Wir hätten einen. Man kann das dann auch sicherlich konkurrierend diskutieren, wenn es da andere Ideen gibt. Das ist sicherlich ein in der Sache sehr angemessenes Verfahren, damit wir dann auch im Laufe dieser Wahlperiode auch noch zu einem Gesetzesbeschluss kommen. Wir wollen ja nicht nur geredet haben, sondern es soll auch konkret gehandelt werden.

In der Sache ist es ganz wichtig, dass man nicht nur das Thema Fortbildungspflicht sieht, denn sehr viele Richterinnen und Richter haben ein sehr großes Interesse an Fortbildung, gerade im familiengerichtlichen Bereich. Sie nehmen das sehr aktiv wahr, suchen im Rahmen dieser Fortbildungsangebote auch intensiv den Austausch mit den Jugendämtern. Das Entscheidende ist, dass wir parallel auch die Frage regeln, welchen Anspruch denn Richterinnen und Richter auf Fortbildungsangebote haben. Es müssen auch passende Angebote zur Verfügung stehen. Da haben wir in den letzten Jahren sehr viel ausgebaut, aber da geht sicherlich auch noch mehr. Wir würden das mit dieser gesetzlichen Regelung sehr gern flankieren. Insoweit lohnt es sich, in diese Debatte einzusteigen.

Zu Herrn Heißners Bemerkung, dass Frau Leonhard jetzt hier die Familienministerin kritisiere und zum Jagen tragen wolle, könnte man zurückhaltend ausgedrückt sagen: Sie geben nicht so ganz den Diskussionsstand wieder. Man könnte auch sagen, dass es schon eine gewisse Unverschämtheit ist, wenn Sie sich hier so äußern. Denn die Diskussion ist doch die, dass es ein breites gesell

(Daniel Oetzel)

schaftliches Bündnis gibt, ein breites Bündnis, das fordert, Kinderrechte ins Grundgesetz zu schreiben, und das nicht nur dadurch einzulösen, dass das Wort Kind auch im Grundgesetz vorkommt, sondern dafür zu sorgen, dass Kindern gerade in Konfliktfällen ein Grundrecht zur Seite steht, gerade da, wo es vielleicht auch einen Konflikt mit den Rechten der Eltern gibt, wie wir das zum Teil in Hamburg sehr schmerzhaft haben erleben müssen. Genau darum geht es: Etwas zu schaffen, das rechtlich auch etwas bedeutet.