Protokoll der Sitzung vom 13.02.2019

All das lässt sich nicht so eben im Schweinsgalopp erledigen, das braucht Zeit und es wird einige Arbeit abverlangen. Beides wird die Mehrheit der Abgeordneten gern in Hamburgs Polizeigesetz investieren. Das sind wir der Hamburger Polizei, den Hamburger Bürgerinnen und Bürgern und uns auch selbst schuldig. Copy-and-paste wird in diesem Gesetzgebungsprozess keinen Platz haben, wir werden uns unsere eigenen Gedanken machen müssen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktions- los)

Vielen Dank, Herr Schumacher. – Als Nächster erhält das Wort Dennis Gladiator für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Einführung und die Definition des Begriffs der drohenden Gefahr als polizeiliche Eingriffsvoraussetzung ist zweifelsohne wichtig und wir teilen das Ziel, das dieses auch in Hamburg erfolgen soll. Nun gibt es aber zwei Möglichkeiten, wie man das machen kann: Entweder man befasst sich ernsthaft mit dem Thema, um die Polizei rechtssicher und verfassungskonform zu stärken, damit sie die Bürger besser schützen kann, oder man legt einen schlecht gemachten Antrag vor und nutzt dieses komplexe Thema dazu aus, um sich selbst zu inszenieren und zu profilieren. Und genau das Zweite macht die AfD heute mit ihrem Antrag.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Ludwig Flo- cken fraktionslos und Sören Schumacher SPD)

Die AfD setzt wieder einmal auf die politische Selbstinszenierung. Herr Nockemann, wir wissen es doch mittlerweile alle: Ihnen sind die YouTubeVideos Ihrer Reden wichtiger als die inhaltliche Arbeit in den Ausschüssen und das sieht man auch an Ihrem Antrag.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Dieses Thema ist so komplex, dass es sich eben nicht für Schnellschüsse eignet, denn die Einführung und Definition der drohenden Gefahr muss verfassungskonform geschehen. Das beste Sicherheitsgesetz nutzt uns allen nichts, wenn es am Ende vom Verfassungsgericht kassiert wird. Darum ist es aus unserer Sicht sinnvoll, die laufende verfassungsgerichtliche Überprüfung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes abzuwarten, um dann die Ergebnisse hier in Hamburg berücksichtigen zu können. Erst auf Grundlage dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine gesetzliche Anpassung aus unserer Sicht sinnvoll.

Ich will aber noch einmal deutlich sagen: Wir halten am Ende die Einführung der drohenden Gefahr leider für erforderlich. Das ist nichts, was man sich wünscht, sondern etwas, das sich aus den Entwicklungen des Terrorismus, den hier keiner bestritten hat, ergibt und leider erforderlich wird.

Der Antrag der AfD hilft dabei aber nicht, denn er greift zum einen viel zu kurz, ist aber auch schlecht gemacht. So erwähnt die AfD mit keinem Wort, dass das PAG aktuell verfassungsrechtlich überprüft wird und die Bayerische Staatsregierung selbst eine Expertenkommission eingesetzt hat, um die Einführung des Begriffs der drohenden Gefahr zu untersuchen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.

(Dirk Nockemann AfD: Ist doch vorher schon passiert!)

Das zeigt deutlich, Herr Nockemann – und die Ergebnisse liegen weder seitens des Gerichts noch seitens der Expertenkommission vor –, dass Sie sich mit diesem Thema und erst recht mit dem PAG nicht ernsthaft beschäftigt haben. Aber ich glaube, das wollten Sie wahrscheinlich auch gar nicht, denn sonst hätten Sie heute einräumen müssen, dass gerade die AfD zu den größten Kritikern des Polizeiaufgabengesetzes in Bayern gehört. Ihre Kollegen in Bayern, auch Kollegen aus dem Bundestag, sprechen da von der Herrschaft des Unrechts. Das zeigt: Ihnen geht es hier nur darum, die Fahne in den Wind zu hängen, wo Sie glauben, dass es Ihnen politisch nutzt. An der inhaltlichen Auseinandersetzung haben Sie erkennbar kein Interesse.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Ludwig Flo- cken fraktionslos)

Ich hatte es schon gesagt, der Antrag ist nicht nur schlecht gemacht, er greift auch viel zu kurz. Der Regelungsbedarf ist viel umfassender und geht weit über den Aspekt der drohenden Gefahr hinaus. Zum Beispiel muss die Speicherung personenbezogener Daten von Gefährdern endlich vernünftig geregelt werden. Und genau das fordern wir seit langer Zeit, denn ohne diese Anpassung wird der Datenschutz in diesem Fall zum Täterschutz, und ich glaube, das will keiner in diesem Haus. Deshalb erwarten wir vom Senat, dass er endlich in diesem Bereich aktiv wird, denn da muss man nicht zuwarten. Konkret erwarten wir, dass der Senat die Ergebnisse der Expertenkommission und des Verfassungsgerichts in Bayern abwartet, dann aber umgehend die drohende Gefahr verfassungskonform in das Hamburger SOG aufnimmt.

Und, Herr Kollege Schumacher, wenn Sie sagen, Sie müssten nicht nach Bayern schauen, um von dort zu lernen, dann darf ich Sie an zwei Dinge erinnern: Bayern ist das sicherste Bundesland mit der besten Aufklärungsquote. Ich glaube, gerade Ihr Innensenator kann von Herrn Herrmann, seinem bayerischen Kollegen, eine ganze Menge lernen, und das im Interesse der Hamburgerinnen und Hamburger.

(Beifall bei der CDU und bei Harald Feineis und Peter Lorkowski, beide AfD)

Da wir aber nicht wissen, wie lange die Überprüfung durch das bayerische Verfassungsgericht dauern wird, fordern wir, dass die anderen Anpassungen, die eben genannte Speicherung personenbezogener Daten von Gefährdern, im PolDVG jetzt zeitnah vorgelegt werden. Daran arbeiten Sie, Herr Grote, schon eine ganze Zeit, da wird es jetzt wirklich Zeit, dass Sie liefern und dem Parlament die entsprechenden Gesetzesnovellierungen vorlegen. Ich sage es aber noch einmal deutlich: Dafür braucht es nicht die Selbstinszenierung der AfD, dafür braucht es jetzt entschlossenes Handeln dieses Senats. Genau das erwarten wir von Ihnen, Herr Senator Grote, denn das sind Sie den Hamburgern schlichtweg schuldig. Denn bei diesen recht technisch klingenden Debatten, die wir hier führen, geht es um den Schutz der Hamburgerinnen und Hamburger und das sollten wir nicht auf die lange Bank schieben, sondern da erwarten wir jetzt schlichtweg, dass der Senat liefert.

Wir lehnen den Antrag der AfD ab, denn er hat nur einen Zweck: Er dient der AfD, um sich zu profilieren. Er trägt aber kein bisschen dazu bei, dass die Hamburgerinnen und Hamburger sicherer leben als bisher. Wir werden aber auch SPD und GRÜNE nicht aus der Verantwortung entlassen. Herr Grote, Sie müssen endlich liefern.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Ludwig Flo- cken fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Gladiator. – Als Nächste erhält das Wort Antje Möller für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum BKA-Gesetz sehr deutliche Signale gegeben, die die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Freiheitsrechte auf der einen Seite und die notwendigen Regelungen zur Gewährleistung der Sicherheit auf der anderen Seite noch einmal ganz deutlich machen. Es gibt in dem Urteil keine rechtssichere Entscheidung zu dem Begriff drohende Gefahr. Dieser Rechtsbegriff ist so nicht thematisiert worden, sondern gerade zum Beispiel die Einschränkungen, die verdeckte polizeiliche Maßnahmen dort nach sich gezogen haben, bieten keine Grundlage, an der Stelle etwas zu verschärfen. Das heißt also, ob der bayerische Gefahrenbegriff überhaupt noch als verfassungskonform anzusehen ist, ist umstritten. Da folge ich Herrn Gladiator: Es wäre das Dümmste, was man machen kann, jetzt einen derartigen Begriff in die Novellierung hineinzunehmen, und dann, wenn das ausgeklagt ist, wieder neu anfangen zu müssen. Im Übrigen wird auch das Gesetz in BadenWürttemberg gerade beklagt.

Von den zwölf Bundesländern, die in den letzten Jahren der Aufgabe, die das Bundesverfassungsgericht uns allen – also den Länderparlamenten – gegeben hat, nachkommen, haben es zwei Drittel geschafft, innerhalb der letzten zwei Jahre tatsächlich bis zur parlamentarischen Befassung und zur Entscheidung zu kommen. Bei vier Bundesländern ist die Gesetzesänderung noch in Planung. Dazu gehört Hamburg. Ja, es ist ein kompliziertes Verfahren. Es ist eine komplizierte Aufgabe, die das Verfassungsgericht uns hier – zu Recht – gestellt hat. Und wir haben auf der anderen Seite natürlich auch die Notwendigkeit zu berücksichtigen, dass die Belange der Zivilgesellschaft … Die an dieser Stelle sehr wachsam ist, das sieht man an den großen Demonstrationen, die in verschiedenen Bundesländern stattgefunden haben nach Bekanntwerden des Inhalts der Novellierung. Auch die müssen wir mit berücksichtigen. Das bedeutet für uns schlicht und einfach, dass wir uns hier in einem nicht kurzen und knappen und schnellen Verfahren dieser Novellierung parlamentarisch annähern werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist ein eingeübtes Verfahren. Überhaupt nicht hilfreich ist da, mit einem einzelnen Begriff kommen zu wollen und zu sagen: Das muss da jetzt rein, der Lieblingsbegriff der AfD, wenn ich es richtig verstanden habe, der gehört da rein und nichts anderes. Das hilft …

(Dirk Nockemann AfD: Doch! Fünf weitere Regelungen, die wir aufgeführt haben im Antrag! Sie müssen das nur lesen!)

Ja, das habe ich gelesen.

(Dirk Nockemann AfD: Ja, dann sagen Sie doch nicht so einen Unsinn!)

Das hat, ehrlich gesagt, auch nicht annähernd den Umfang der Aufgabe beschrieben, die uns hier bevorsteht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Also, schlicht und einfach: Die hamburgische Novellierung ist dran, ja. Sie braucht aber auch hier wie in den anderen Bundesländern ihre Zeit. Wir werden diese Novellierung bekommen.

(Dirk Nockemann AfD: Alles braucht seine Zeit! Bis der nächste Terroranschlag pas- siert ist!)

Wir werden uns mit dem Entwurf beschäftigen können. Und wir werden immer wieder zu überprüfen haben, was das Bundesverfassungsgericht uns Parlamenten natürlich mit als Aufgabe gegeben hat, nämlich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Bezug zu unseren Freiheitsrechten. Das bleibt hier schlicht und einfach die große Aufgabe.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort erhält jetzt Christiane Schneider für die Fraktion DIE LINKE.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Liebe Kollegin Möller, mit der AfD über Grund- und Freiheitsrechte zu streiten, ist ungefähr so sinnlos wie die Diskussion mit einem Tiefseefisch,

(Dirk Nockemann AfD: Das sagt DIE LIN- KE!)

der 3 000 bis 4 000 Meter unter dem Meeresspiegel in tiefster Dunkelheit lebt, über die Bedeutung des Sonnenlichts für das Leben auf der Erdoberfläche.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Sie haben hier ganz schön Süßholz geraspelt, Herr Nockemann. Aber Sie können nicht bestreiten, dass Sie für den autoritären Staat stehen, dem die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, dem eine kritische, freiheitlich gesinnte

(Zuruf: Das verbindet Sie ja dann mit Herrn Nockemann!)

offene Gesellschaft zuwider ist. Man muss nur einen Blick auf Ihre Kleinen Anfragen richten, mit denen Sie eigentlich nie fragen, sondern alles und alle angreifen, die Ihnen politisch im Wege sind.

(Dirk Nockemann AfD: Das machen Sie doch nicht anders! Scheinheilig!)

Erst kürzlich haben wir hier diskutieren müssen über Ihren Angriff auf die Freiheit der Kunst. Klar doch, dass Sie alles aufgreifen, von dem Sie meinen, dass es Sie einen Schritt in Ihre Richtung weiterbringt. Man konnte schon darauf wetten, dass Sie irgendwann das Thema Verschärfung der Polizeigesetze aufnehmen. Jetzt sind Sie also auf den Zug aufgesprungen und verstecken sich hinter Bayern und anderen Bundesländern.

Sie konzentrieren sich in Ihrem Antrag auf die Einführung des Begriffs der drohenden Gefahr als neue polizeiliche Eingriffsvoraussetzung. Auch das verwundert mich nicht, und das sage ich jetzt auch in Richtung CDU und vielleicht auch ein bisschen in Richtung SPD. Bis zur Verabschiedung des Polizeiaufgabengesetzes in Bayern waren in der Regel Eingriffe in die Grundrechte durch die Polizei nur unter den Voraussetzungen einer konkreten Gefahr zulässig. Um Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte zu legitimieren, soll nun keine konkrete Gefahr mehr vorliegen müssen, hinter der die grundgesetzlich geschützte Freiheit zugunsten der Sicherheit zurücktreten muss. Es müssen nicht, wie bisher noch in den Hamburger Polizeigesetzen – und hoffentlich auch zukünftig –, Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass zum Beispiel Straftaten geplant und vorbereitet werden, damit die Polizei einschreitet; es reicht eine drohende Gefahr. Drohende Gefahr hört sich vielleicht gefährlicher und akuter an als konkrete Gefahr. Aber das täuscht. Es geht um den Sachverhalt, dass eine konkrete Gefahr gerade nicht zu erkennen ist und die Polizei trotzdem kontrollieren, durchsuchen, überwachen, Versammlungen filmen und so weiter darf.

(Ewald Aukes FDP: Schaffen Sie doch die Polizei ab!)

Gott sei Dank haben Sie in Ihrer Partei auch noch politisch liberal gesinnte Kolleginnen und Kollegen. Dafür bin ich sehr dankbar.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Dafür soll ein vager Verdacht, zum Beispiel die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, dann schon reichen können. Damit greift die Einführung der drohenden Gefahr als Eingriffsvoraussetzung in das Spannungsverhältnis von Sicherheit und Freiheit ein, zulasten der Freiheit, zugunsten der Sicherheit, zulasten der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, zugunsten der Befugnisse des Staates.

Und noch eines: Sie beziehen sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016. Ich glaube, Sie haben das von Bayern und NRW abgekupfert, aber das Urteil selbst nicht gelesen. Das Bundesverfassungsgericht hat die drohende Gefahr als hinreichende politische Eingriffsgrundlage

gerade nicht generell befürwortet, sondern nur im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten und nur für Überwachungsmaßnahmen zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter für ausreichend erklärt. Darüber hinaus macht das Gericht deutlich, dass Grundrechtseingriffe zur Gefahrenabwehr grundsätzlich das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen. Aber was scheren Sie sich um Wahrheit und Unwahrheit? – Danke.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)