Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

be, die sollte auch einmal geöffnet werden. Was kam dann heraus? Diverse Optionen, dreimal öffnen, einmal öffnen, täglich öffnen, aber man glaubt nicht, was herauskam: Die Alte Süderelbe verschlickt. Es war keine Möglichkeit, denn das Problem ist, Naturgesetze sind Naturgesetze. Das wird auch mit der Dove Elbe passieren. Selbst das, was man so wie ein Mantra vor sich hertreibt, dass das Tidegeschehen in der Elbe beeinflusst wird, wird mittelfristig gar nicht mehr beeinflusst werden, weil kein Wasser mehr oder wenig Wasser hereinund herausfließt, das Ding wird zuschlicken. Deshalb beantrage ich hiermit, a) dass der Senat Farbe bekennt und b) dass er dazu steht, dass dieses Vorhaben nicht weiter verfolgt wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Dr. Schaal bekommt das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zugegeben, das ist ein schwieriges Thema, aber wir müssen auch sehen, zur nachhaltigen Entwicklung des Wirtschafts- und Naturraums Tideelbe haben Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und der Bund schon 2016 das Forum Tideelbe ins Leben gerufen. Also hier ist nicht nur die Stadt beteiligt, sondern auch die Nachbarländer. Das vorrangige Ziel dieser Kooperation ist es, Maßnahmen zu finden, die eine nachhaltige Entwicklung der Tideelbe fördern, insbesondere auch unter Beachtung der hydromorphologischen gewässerschutz- und naturschutzfachlichen Gesichtspunkte. Dabei sollen aber natürlich auch, Herr Duwe, alle Anleger mit einbezogen werden, denn ohne das geht es nicht. Dies erfolgt im länderübergreifenden Dialog mit den Vertreterinnen und Vertretern von Interessengruppen entlang der Tideelbe.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums Tideelbe kommen aus 60 Interessengruppen aus der Region, unter anderem aus der Hafenwirtschaft, der Fischerei, den Umweltbehörden der betroffenen Bundesländer, den Kommunen und Landkreisen an der Unterelbe, der Wasserstraßenverwaltung des Bundes, der Hamburger Port Authority. Dazu gehören aber auch Naturschutz- und Umweltverbände sowie die Verbände aus dem Tourismus und dem Wassersport sowie Wasserund Bodenverbände der Kammern. Alle bringen jeweils ihre Sichtweisen ein und haben auch die Gelegenheit, ihre Stellungnahmen dort einfließen zu lassen.

Die nachhaltige Entwicklung der Tideelbe ist in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung. In erster Linie sicher für den oberen Bereich der Tideelbe, da geht es darum, diesen Bereich langfristig schiffbar zu machen. Dies kann nur durch ein abgestimmtes Sedimentmanagement gewährleistet werden,

(Ralf Niedmers CDU: Das klappt schon im Hamburger Hafen nicht!)

und darüber diskutieren wir hier schon seit 15 Jahren, da gab es schon mehrere Ausschusssitzungen mit allen möglichen Beteiligten, Umwelt und Wirtschaft und Experten und so weiter.

Für die Ökologie der Tideelbe geht es darum, die zunehmende Verlandung von Nebenelben und Seitenbereich sowie verstärkte Strömungen im Hauptstrom zu bekämpfen, weil das zu einer Verringerung der Artenvielfalt und zum Verlust von Lebensräumen führt. Das ist auch wichtig für die tideoffenen Sportboothäfen in der Region, die unter anderem auch unter zunehmender Verschlickung zu leiden haben. Und es ist wichtig für die Entwässerung der tieferliegenden Marschen, die mit klimabedingt steigendem Tidehub erschwert wird. Dazu hat das Forum verschiedene Maßnahmen diskutiert. Diese Maßnahmen zielen auf die Schaffung von Flutraum, zum Beispiel durch Rückdeichung oder Wiederanschluss von Flachwassergebieten an das Tidegeschehen.

Die Dove Elbe ist da nur ein Projekt. Es geht auch, und das sagte Herr Dr. Duwe schon, um die Alte Süderelbe, um die Haseldorfer Marsch und um die Borgfelder Binnenelbe. Alle Maßnahmen können den stromgerichteten Sedimenttransport, das sogenannte Tidal Pumping, reduzieren, um die Verschlickung zu bekämpfen. So weit zum Hintergrund und zur Theorie des Forums Tideelbe. Das Forum ist ein länderübergreifender Prozess, da werden Meinungen, Stellungnahmen und Auffassungen geäußert und gesammelt. Es ist kein Beschlussgremium. Viele kritische Stimmen werden natürlich weiterhin aufgenommen, sie gehen in einen abschließenden Bericht ein. Das Forum Tideelbe hat aber seine Arbeit noch nicht beendet und hat noch nichts vorgelegt. Es gibt auch keine Planung.

Hamburg ist gut beraten, jetzt nicht eine Maßnahme aus dem Diskussionsprozess herauszuziehen. Wenn das Ergebnis dann vorliegt, wird sich auch die Bürgerschaft eingehend mit den Ergebnissen befassen. Insofern lehnen wir den Antrag der FDP ab, er ist zu kurz gesprungen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei René Gögge GRÜNE)

Herr Gladiator bekommt das Wort für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir heute in der Bürgerschaft über die vom Senat gewollte Öffnung der Dove Elbe für den Tidehub der Stromelbe debattieren. Im Rahmen dieser Debatte muss jeder Einzelne von Ihnen heute auch Position zu diesem Vorhaben beziehen. Die Bezirksversamm

(Dr. Kurt Duwe)

lung Bergedorf hat das bereits getan, sie hat sich auf Antrag der CDU mit diesem Thema beschäftigt und mit den Stimmen der SPD, liebe Genossen, mit den Stimmen der SPD, beantragt, dass diese Planungen sofort einzustellen sind.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Deshalb appelliere ich auch an Sie, beenden Sie die Planung, stoppen Sie die Untersuchung und das Vorhaben, denn die Vier- und Marschlande sind kein Experimentierfeld für die Umweltbehörde.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Die Vier- und Marschlande sind Heimat für rund 30 000 Menschen, sie sind Naherholungsgebiet, grüne Lunge und Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen, und all das gilt es zu schützen und zu erhalten. Genau darum geht es heute, um nicht weniger. Deshalb braucht es für diese Entscheidung, liebe Kollegen der Koalition, auch keine Machbarkeitsstudie. Was offenkundig Schwachsinn ist, muss auch nicht erst untersucht werden, und das wissen Sie auch.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Denn die Fakten sind bekannt, die Öffnung der Dove Elbe hat keinen wirklichen Nutzen für den Hafen. Das Ziel, den Tidehub im Hafen zu mindern und den Schlamm in den Hafenbecken zu reduzieren, wird eben nicht nachhaltig erreicht. Das müssen Sie nicht mir glauben, liebe Kollegen, das bestätigt sogar die HPA, die deshalb diese Maßnahme auch gar nicht will, aber finanzieren muss. Insofern hören Sie auf die Fachleute und nehmen Sie Abstand von diesem Vorhaben, denn es gibt keinen Nutzen, aber eine Masse von negativen Auswirkungen. Dazu will ich kurz etwas sagen.

Es betrifft zum einen die Natur. Das würde eine Verdrängung bedeuten von Pflanzen, Fischen und anderen Lebewesen, die sich seit 70 Jahren auf die Tidelosigkeit der Dove Elbe eingestellt haben. Auch das müssen Sie nicht mir glauben, aber glauben Sie es der Loki Schmidt Stiftung, die sich entschieden gegen dieses Vorhaben gestellt hat. Es hat Auswirkungen auf Landwirtschaft und Gartenbau, die auf das Wasser zur Bewässerung angewiesen sind. Eine Verschlechterung der Wasserqualität hätte fatale Folgen für Landwirtschaft, Gemüseanbau und die Nutztierhaltung. Das dürfen wir alle gemeinsam nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir dürfen genauso wenig zulassen, dass die Angler benachteiligt werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass den Anwohnern Schäden drohen, denn diese Maßnahmen haben erheblichen Einfluss auf den Grundwasserpegel und damit auf die Gebäude an den Ufern. Aber auch der Sport ist betroffen. Es wurde gesagt, die Regattastrecke würde die Eig

nung für Wettbewerbe verlieren. Auch das Landesleistungszentrum für Rudern und Kanusport würde Schaden nehmen. Im Übrigen bin ich dem Sportsenator und dem Sportstaatsrat sehr dankbar, dass sie klar Position beziehen, auch öffentlich, und dafür werben, dass dieses Projekt eingestellt wird. Ich hoffe, Sie finden Gehör auch in der Umweltbehörde.

Und zu guter Letzt, die Gewerbetreibenden sind ebenfalls betroffen. Die Werften und Betriebe am Wasser wären nur noch bei Flut erreichbar. Die Ausflugsschifffahrt, die Bergedorfer Linie wäre so nicht mehr möglich wie bisher, der Bergedorfer Hafen würde abgehängt werden. Das alles gefährdet die Existenz vieler Menschen, Pflanzen und Tiere, und das werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es wurde bereits gesagt, die Dove Elbe wurde von unseren Vorvätern aus gutem Grund von der Stromelbe abgetrennt, weil ein gleichbleibender Wasserstand die land- und wohnwirtschaftliche Nutzung stabilisiert. Und genau das, liebe Kollegen der Regierungsfraktionen, soll auch so bleiben. Deshalb kann jeder von Vernunft geleitete Mensch nur den Stopp dieser Planung unterstützen, und darum bitten wir Sie heute eindringlich.

Ich will noch einen Satz sagen, wie dieser Senat insgesamt mit dem Bezirk Bergedorf umgeht. Man muss in den letzten Monaten und Jahren stark feststellen, dass die Bezirke für Sie allenfalls Erfüllungsgehilfen sind, um Ihre Probleme zu lösen. Sie haben Ihren Blick in der Innenstadt. Ich will Ihnen das am Beispiel Bergedorf mit vier Punkten deutlich machen.

Sie haben Europas größte Flüchtlingsunterkunft im Landschaftskorridor Mittlerer Landweg aus dem Boden gestampft. Mit der Massensiedlung Oberbillwerder wollen Sie die Kulturlandschaft in Billwerder zerstören. Sie haben die Windenergieanlagen gegen einen Bürgerentscheid gebaut und Sie haben, um das alles irgendwie noch mit Ihrem Koalitionspartner hinzubekommen, dafür die Ortskernentwicklung, die mit den Bürgern gemeinsam gewollt ist, völlig ohne Grund gestoppt. Das waren schwere Fehlentscheidungen zulasten der Menschen in Bergedorf, und deshalb sage ich es Ihnen ausdrücklich, es reicht.

(Beifall bei der CDU)

Die Vier- und Marschlande sind nicht die Spielwiese dieses Senats, sondern sie sind Heimat für Menschen und Tiere, und deshalb appelliere ich an Sie, stoppen Sie diese Maßnahme des Forums Tideelbe, stimmen Sie heute für Bergedorf und die Vier- und Marschlande.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Frau Sparr bekommt das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Gladiator, ich weiß nicht so recht, welches Idealbild von Bergedorf Ihnen vorschwebt, das scheint irgendwie so dieses mittelalterliche Städtchen zur Zeit der beiderstädtischen Verwaltung zu sein.

(Beifall bei René Gögge GRÜNE – Zurufe von der CDU)

Das ist aber vorbei, das kriegen wir so nicht mehr hin.

(André Trepoll CDU: Waren Sie schon mal da?)

Seitdem das Marschgebiet der Elbe flussaufwärts von Hamburg besiedelt ist

(Zurufe von der CDU)

ach, rufen Sie doch ein bisschen herum –, das heißt seit Jahrhunderten, haben die Menschen dort mit dem Wasser gekämpft.

(Dennis Gladiator CDU: Jetzt kämpfen Sie mit den GRÜNEN!)

Das feuchte Marschland ist besonders fruchtbar bis heute, aber es muss eben durch Gräben, Deiche, Pump- und Sperrwerke vor Sturmfluten und Regen geschützt werden. Schon im 15. Jahrhundert, nicht erst 1952, hat man deshalb den Gammer Deich gebaut, der die Dove Elbe vom Hauptstrom der Elbe abtrennte, damals auch schon mit dem Ziel, mehr Wasser für die oberelbische Schifffahrt zu haben. Die Tatenberger Schleuse war es, die 1952 gebaut wurde. Bei der großen Sturmflut 1962 haben auch die Vier- und Marschlande schreckliche Deichbrüche erlebt und Todesopfer zu beklagen gehabt.

Angesichts der Vorgeschichte haben wir volles Verständnis dafür, dass vor Ort bei vielen Menschen erst einmal die Alarmglocken gehen, wenn es um neue wasserbauliche Maßnahmen in dem Gebiet geht. Die Dove Elbe ist in der Tat auch mehr als eine idyllische Landschaft. Da geht es um ökologisch wertvolle Bereiche, um eine Regattastrecke, um interessante Angelgebiete und um die Schifffahrt nach Bergedorf.

(Beifall bei Farid Müller GRÜNE)

Anders als es der FDP-Antrag nahelegt, gibt es aber bisher überhaupt keine Planungen von Maßnahmen an der Dove Elbe, die man demnach stoppen könnte. Es geht einzig und allein um eine Machbarkeitsstudie, schon deshalb geht der Antrag fehl. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit den Gesamtkontext noch einmal etwas zurechtrücken.

Die Tideelbe insgesamt ist ein hochkomplexes System, wo das eine das andere bedingt. Darum haben wir auch das Forum Tideelbe gegründet, damit eben möglichst alle Interessen berücksichtigt und alle Folgen bedacht werden, damit wir am Ende die Elbe als Lebensader vieler Bundesländer so nachhaltig wie möglich weiterentwickeln können. Denn eines ist auch klar, viele der Probleme, die wir am Fluss haben, sind menschengemacht. Am gravierendsten wirken dabei die von Hamburg verursachten Vertiefungen, und die jetzt anstehende Vertiefung macht da keine Ausnahme. Der Sauerstoffmangel wird sich wieder steigern, die Fließgeschwindigkeit wird sich erhöhen und vor allem der Tidenhub wird wieder zunehmen. Das kann man nicht allein durch Deiche einfangen. Wir brauchen also dringend Bereiche, in denen wir das Hochwasser auflaufen lassen können, ohne dass es Schaden anrichtet. Wir haben damit auch schon angefangen in Kreetsand, aber wahrscheinlich wird das nicht ausreichen. Dass nun ausgerechnet die FDP, die mit am vehementesten die Elbvertiefung eingefordert hat, sich da jetzt einen schlanken Fuß machen will, das finde ich ziemlich billig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Forum Tideelbe hat sich wirklich sehr intensiv und mit großer Fachlichkeit Gedanken gemacht, wie mit der aktuellen Situation des Flusses umzugehen ist. Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind sich ihrer gemeinsamen Verantwortung sehr bewusst und werden jeweils auf ihrem Gebiet fünf verschiedene Maßnahmen prüfen, zum Beispiel auch in der Haseldorfer Marsch, an der Borsteler Binnenelbe oder auch an der Dove Elbe. Es würde überhaupt nicht gut aussehen, wenn Hamburg jetzt als Hauptverursacher der Misere von vornherein sagt, wir prüfen erst gar nicht unsere Maßnahmen. Das geht nicht.

(André Trepoll CDU: Was für eine Misere?)