Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Wer wünscht dazu das Wort? – Herr Kleibauer, Sie bekommen es für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor genau einem Jahr hat das

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

Bundesverfassungsgericht, nicht unerwartet und in klaren Worten, die bisherige Regelung zur Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Insofern ist es, glaube ich, gerade auch heute ein guter Zeitpunkt, eine Bestandsaufnahme zu machen, wo wir stehen, was erreicht und was noch zu tun ist.

Die Grundsteuer hat sehr große Auswirkungen auf alle Hamburger Haushalte, auf die Kosten für das Wohnen genauso wie für Mieter und Eigentümer von Gewerbeobjekten. Insofern ist es wichtig, dass wir uns damit beschäftigen. Wenn man sich die Entwicklung seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil anschaut, muss man klar sagen, es ist nicht unbedingt eine Entwicklung, die wir uns in Hamburg in dieser Form so gewünscht haben.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei An- drea Oelschläger AfD)

Da sind zum einen die Eckpunkte, die in Berlin vereinbart worden sind für ein wertorientiertes Modell. Elemente wie ein Metropolenabschlag, die vorher einmal in der Diskussion waren, sind zwischendurch wieder herausgefallen. Es gibt große Unsicherheiten, Unklarheiten, was es bedeutet. Der Bundesfinanzminister hat gestern seinen Gesetzentwurf den Kabinettskollegen übersandt. Unser Finanzsenator äußert sich immer etwas skeptisch dazu und sagt, da sei noch viel offen, da sei noch viel zu klären. Wenn Sie dann Briefe schreiben an den Bundesfinanzminister, Herr Dressel, dann zeigt es doch auch, hier ist viel Ungewissheit, und die darf nicht auf dem Rücken der Eigentümer und Mieter in Hamburg ausgetragen werden.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der AfD und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Herr Tschentscher, Sie haben sehr frühzeitig und zu Recht auf das Problem hingewiesen, was passiert, wenn man aktuelle Bodenpreise bei der Grunderwerbssteuer einbezieht. Vor genau einem Jahr, auch als Reaktion auf das Verfassungsgerichtsurteil, haben Sie noch gesagt, das Wohnen in einer Stadt wie Hamburg müsse für alle bezahlbar bleiben, die Grundsteuer werde zu einem großen Teil von den Mieterinnen und Mietern bezahlt und dürfe nicht weiter von hohen und mitunter spekulativen Marktpreisen für Immobilien abhängen. Da haben sie recht. Es ist durchaus anzuerkennen, dass Sie es waren, der frühzeitig das Flächenmodell auch bundesweit in die Diskussion gebracht hat. Da haben Sie durchaus ein Verdienst, und für dieses Modell hatten und haben Sie eine große Rückendeckung in dieser Stadt und eine große Rückendeckung in diesem Haus.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der AfD und bei Farid Müller GRÜNE und Markus Schrei- ber SPD)

Aber auf Bundesebene hat sich ein anderes Modell durchgesetzt.

(Wolfgang Rose SPD: Wir wissen, dass es gut ist!)

Ja, es ist bezeichnend, ich lobe einmal den Bürgermeister und die SPD-Fraktion klatscht nicht, aber das kann sich im Laufe der Rede noch ändern.

Auf Bundesebene hat sich, auch das wissen Sie, ein anderes Modell durchgesetzt, das wertabhängige Modell, nicht nur, aber auch wegen Olaf Scholz, weil sich der frühere Bürgermeister sehr stark dafür eingesetzt hat. Das Modell enthält sicherlich einige Vereinfachungen, trotzdem ist das Modell an vielen Stellen nachteilig und schwierig für den Einsatz in der wachsenden Großstadt Hamburg. Mit dem Modellwechsel gab es dann durchaus auch einen Schwenk in Ihren Aussagen und Ausführungen, Herr Bürgermeister.

(Dennis Gladiator CDU: Zu unflexibel!)

Da muss man schon sagen, erst waren Sie für das Flächenmodell, nun ist es so, dass Sie das ScholzModell doch nicht so schlecht finden. Ich sage einmal ein bisschen zurückhaltend und wohlwollend kommentierend, da stellt sich schon die Frage, wem jetzt die Loyalität gehört, der Stadt und den Interessen der Stadt oder dem früheren Bürgermeister und Parteifreund Olaf Scholz. Das kann man da nicht immer so klar erkennen.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der AfD und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Dann sagen Sie noch, niemand müsse mehr als das Doppelte der Grundsteuer bezahlen.

(Dennis Gladiator CDU: Wie schön!)

Also zum einen kann Ihr Finanzsenator das nicht bestätigen, der hat sich im Haushaltsausschuss nicht zu dieser Aussage hinreißen lassen. Zum anderen fragt man sich doch, was denn das jetzt für ein Maßstab ist. Eine Verdoppelung der Steuer ist okay, aber alles andere nicht. Das ist relativ schwierig, das müssen Sie uns hier erklären, Herr Tschentscher.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Man muss doch zwei Sachen sehr klar zum jetzigen Zeitpunkt feststellen, a) das reine Flächenmodell wird auf Bundesebene wahrscheinlich nicht durchsetzbar sein im Moment und b) es wird sehr, sehr schwierig sein, wenn nicht sogar unmöglich, den Einsatz der Bodenwerte vollständig zu kompensieren. Rechtssicherheit durch Vereinfachungen oder durch einen Hamburger Hebesatz, das ist relativ schwierig.

Vor dieser Ausgangslage bietet sich doch genau das an, was auch die letzten Wochen und Monate in Berlin schon diskutiert wurde, auch mit Olaf Scholz, nämlich das Thema Öffnungsklausel, dass man sagt, es wird den Ländern mehr Möglichkeit gegeben als nur der Hebesatz, also für uns als

Stadtstaat. Es werden mehr Möglichkeiten der Gestaltung gegeben, dass wir selbst in eigener Verantwortung und in regionalem Interesse die Grunderwerbssteuer gestalten können. Das sollten wir doch gemeinsam hier in der Verantwortung für die Stadt tun, damit diese wichtige kommunale Einnahmequelle erhalten bleibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der AfD und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Für die SPD-Fraktion bekommt nun Herr Quast das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kleibauer, was Sie immer nur am Rande erwähnen, was aber, glaube ich, sehr wichtig ist: nämlich darauf zu schauen, woher wir kommen. Wir haben 2017 ein Bundesratsmodell in der Debatte gehabt, gegen das sich nur Hamburg und Bayern gewehrt haben. Wenn man überlegt, wo wir heute stehen, sind wir doch ein Stück weit nach vorn gekommen. Ich glaube, wenn man sich außerdem vor Augen führt, was dieses Bundesratsmodell damals bedeutet hätte oder was es damals umfasst hat, immerhin die Mehrzahl der Länder hat ihm zugestimmt, dann war, glaube ich, auch ziemlich klar, dass der erste Entwurf eines Bundesfinanzministers kein reines Flächenmodell werden könnte.

Der zwischen Bund und Ländern kontrovers diskutierte Kompromiss sieht ein boden- und gebäudewertabhängiges Grundsteuermodell vor. Aber bisher gibt es dafür keine Mehrheit, die politisch halten würde. Die Diskussion um mehrheitsfähige Lösungen hält also weiter an. Unser Ziel bleibt dabei, eine bundeseinheitliche Regelung zu finden, bei der die Belange Hamburgs und anderer Metropolen sachgerecht berücksichtigt werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das bekommt man am besten hin, wenn man am Verhandlungstisch bleibt und weitermacht und sich nicht irgendwann in die Schmollecke zurückzieht, weil man nicht genau das auf den Weg bekommt, was man sich am Anfang vorgestellt hat. Unser Ziel bleibt es, die möglichen Mehrbelastungen für Mieter und Eigentümer in einem angemessenen Rahmen zu halten und dabei bürokratischen Aufwand zu begrenzen. In diesem Zusammenhang finden zurzeit auch die Beratungen von vielen Einzelfragen auf der Fachebene statt.

Eine Öffnungsklausel ist aber kein Allheilmittel, wie Sie das hier anführen und wie Sie es auch presseöffentlich gemacht haben, Herr Kleibauer, sondern sie kann aus unserer Sicht nur als letztes Mittel erwogen werden. Denn eine Öffnungsklausel, die Sie so leichtfertig einbringen als Lösung, würde erhebliche Risiken für alle Länder bedeuten.

Es besteht die Gefahr eines schädlichen Steuerwettbewerbs. Es ist vollkommen unklar, wie die Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich gerade für Hamburg als Zahlerland sein würden, und auch die praktischen Umsetzungsprobleme darf man nicht vernachlässigen. Wenn es nämlich darum geht, dass neben einer Bundeslösung noch einzelne Länder eine eigene Lösung entwickeln, hat dies auch mit viel Aufwand zu tun, gerade wenn es darum geht, neue IT-Lösungen zu entwickeln. Wir alle wissen, wie es in Deutschland, aber auch in der Finanzverwaltung um die IT-Experten bestellt ist, die solche Programme entwickeln müssten. Wenn wir das nicht hinbekommen, solche Lösungen – Extralösungen möglicherweise – zu schaffen, ist die Grundsteuer an sich gefährdet, und das kann keiner den deutschen Kommunen wünschen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Frage ist: Wenn man eine Öffnungsklausel nutzt, bliebe am Ende doch nur die Möglichkeit, dass die Länder, die sie nutzen, ein gemeinsames Modell wiedereinführen, und ob wir als Hamburg das gleiche Modell wie Bayern oder andere einführen wollten, das wäre dann noch zu hinterfragen. Ich glaube, die Interessen in Bayern sind völlig andere als in Hamburg. Die Notwendigkeiten in Hamburg, auch in Zukunft mit der Grundsteuer weiterarbeiten zu können, sind, glaube ich, noch deutlich höher, als sie es in Bayern sind. Gleichwohl, die Öffnungsklausel bleibt eine Option, die aber nur eine Lösung für die weiteren Verhandlungen sein kann, eine Alternative der Diskussion sein kann.

(Dennis Gladiator CDU: Sehr konkreter Bei- trag!)

Deswegen werden wir auch …

(Jörg Hamann CDU: Also wollen Sie sie jetzt oder nicht?)

Ich habe es, glaube ich, sehr deutlich ausgeführt, welche Vor- und Nachteile das hat.

Wir haben die Gelegenheit, im Haushaltsausschuss weiter darüber zu reden, denn wir werden, wenn wir heute am späteren Nachmittag zur Abstimmung kommen, auch Ihren Antrag an den Haushaltsausschuss überweisen.

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Quast, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich bin gleich fertig.

(André Trepoll CDU: Keine Ahnung von gar nichts!)

Jetzt geht es vielmehr darum, unserem Finanzsenator den Rücken zu stärken, das würde auch Ih

(Thilo Kleibauer)

nen gut anstehen, wenn Sie jetzt Hamburgs Interessen nach vorn stellen,

(André Trepoll CDU: Sie wissen doch gar nicht, was er will!)

denn mit den weiteren Verhandlungsschritten ist auch zu lösen, wie wir die Interessen der Hamburgerinnen und Hamburger vernünftig darstellen können, wie wir im Sinne der Mieterinnen und Mieter und der Wohnungseigentümer am Ende zu einem Ergebnis kommen, das eine bezahlbare Grundsteuer für alle bedeutet.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt nun Herr Müller das Wort.

(André Trepoll CDU: Mal sehen, ob Farid weiß, was er will!)