Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

Also ist eine kinder- und familienfreundliche Stadt, eine kinder- und familienfreundliche Gemeinde ein Blick in die Zukunft, ein ganz effektiver Mittelpunkt des Blickes in die Zukunft, der großen Anteil hat bei der Entwicklung unseres Landes. Er ist Maßstab für die Entwicklung unseres Landes und demzufolge müssen wir uns als Landesregierung und als Landesparlament Mecklenburg-Vorpommerns mit diesem Maßstab auch beschäftigen. Neue Erkenntnisse sind das eigentlich nicht, denn schon im Grundgesetz Artikel 6 Absatz 1 wird davon gesprochen, dass die Familie und die Ehe – im Grundgesetz ist es andersrum, da heißt es Ehe und Familie – des Schutzes des Staates bedürfen. Dabei legen wir als PDS-Fraktion den Hauptpunkt auf den Begriff Familie.

(Harry Glawe, CDU: Dafür haben Sie das Landeserziehungsgeld abgeschafft.)

Ich denke mir, unser Jugendhilfegesetz und unsere Verfassung hier in Mecklenburg-Vorpommern geben schon Ansätze, um Familienpolitik gut zu gestalten. Es muss meistens immer nur umgesetzt werden. Während der Befassung mit der Problematik im Sozialausschuss haben wir sehr wohl erfahren, dass Familienpolitik ressortübergreifend ist, dass es eigentlich überhaupt gar kein Ressort gibt, was sich damit nicht beschäftigen muss. Und da haben Sie Recht, Herr Glawe, auch die Wirtschaft gehört in Familienpolitik hinein. Demzufolge kann es sehr wohl möglich sein – das, was ich jetzt sage, ist Zukunftsmusik –, dass wir uns vielleicht, wenn wir uns alle mit der ganzen Problematik befasst haben, doch noch einmal um unsere Verfassung kümmern und dort die Kinder- und Jugendvertretung, also die parlamentarische Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen zur Gestaltung ihrer Zukunft, rechtlich verankern müssen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Haben SPD und PDS bei mir im Kreis abgelehnt, ganz deutlich abge- lehnt haben sie das. – Andreas Bluhm, PDS: Dann war der Antrag auch danach. – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Dann war der Antrag wahrscheinlich nicht gut. Sie sollten ihn sich noch einmal durchlesen.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Ein ganz wichtiger Punkt, der in die gute Kinder- und Familienpolitik eingreift, ist die Beseitigung der Arbeitslosigkeit in unserem Lande und ich muss bei meinen Ausführungen hier unbedingt darauf zu sprechen kommen. Von 360.000 Kindern in unserem Lande sind 18.000 Kinder Empfänger und Empfängerinnen von Sozialhilfe und, ich denke, das ist ein Ausdruck dessen, dass es auch bei uns im Land Missstände Kindern und Jugendlichen gegenüber gibt. Denn Kinder, die als Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger leben müssen, haben keine gleichen Chancen wie andere Kinder. Von Anfang an sind sie von bestimmten Dingen ausgegrenzt, sind einsam. Das beginnt damit, dass es Schwierigkeiten gibt, das Kind in die Kindertagesstätten zu bringen, …

(Wolfgang Riemann, CDU: Landeserziehungsgeld abschaffen. – Heike Lorenz, PDS: Sie begreifen das nicht. – Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

Sie begreifen eh nicht, dass das Kindererziehungsgeld abzuschaffen eine Sache war, um die jungen Muttis eher wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Reinhardt Thomas, CDU: Das kommt mir aber sehr bekannt vor.)

Und weil Sie es nicht begreifen und gar nicht begreifen wollen und nur darüber lachen können, ist es eigentlich sinnlos, es immer wieder hier in den Landtag zu berufen. Es gibt eigentlich bloß, ja, Lachen.

Kinder, die von Sozialhilfe leben, haben keine Möglichkeit, sich so in Freizeitdinge mit einzubringen wie andere Kinder, denn Musikschule kostet Geld, Malzirkel kosten Geld – im Großen und Ganzen. Viele andere Dinge kosten ebenfalls Geld. Auch wenn Jugendliche und Kinder sich in Sportklubs mit einbringen wollen, kostet das Geld. Aber es geht eigentlich schon bei den kleinsten Dingen los. Bestimmte Sachen können sich Kinder, die von Sozialhilfe leben – und damit meine ich Bekleidung – nicht leisten.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Spielzeug wird mit großen Augen bei anderen Kindern betrachtet. Sie können nicht mitfahren auf Reisen von Klassen, weil es zu teuer ist. Auch 200 DM sind dann schon viel Geld. Selbst die Urlaubsreise mit der Familie ist eine Sache, die in weite Ferne gerückt ist oder überhaupt noch nicht erlebt werden durfte. Menschliche Spannungen, die natürlich an Kindern überhaupt nicht vorbeigehen können, denn Kinder sind feinfühlig, sind sehr feinfühlig und merken schon, was bei Mutti, bei Vati oder zwischen beiden vorgeht, weil das Geld fehlt, gibt es in den Familien.

Und weil Sie so von Kindergeld sprachen, ich denke mir, auch die Kindergelddebatte in der Bundesrepublik Deutschland kann einfach noch nicht zu Ende sein. Wir wissen, dass seit dem 01.01. mehr Geld gezahlt wird, dass es Gott sei Dank diesmal auch auf SozialhilfeempfängerInnen durchschlägt. Dass es aber einen Unterhaltszuschuss für Kinder nur bis zum zwölften Lebensjahr gibt, ist eigentlich eine Sache, die sehr widersinnig ist, denn ausgerechnet für die Kinder ab dem zwölften Lebensjahr, wo sie meistens auch in der Höhe keine Kinder mehr sind, sondern sich schon in Erwachsenenhöhen befinden und demzufolge auch bei weitem mehr Geld kosten, gibt es ihn nicht mehr.

Frau Abgeordnete, Sie haben Ihre Redezeit ausgeschöpft.

Ich danke dafür, dass Sie mich darauf aufmerksam machen, dass das Licht blinkt.

Ich kann dazu nur sagen, wir haben viel zu tun, meine Damen und Herren. Nicht alle Dinge sind für uns von Anfang an machbar. Alle sind gefragt. Packen wir es an!

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Reinhard Dankert, SPD)

Danke, Frau Müller.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1060. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Danke. Der Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1060 ist mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion angenommen.

(Peter Ritter, PDS: Eine Enthaltung bei der CDU. Der familienpolitische Sprecher der CDU hat sich enthalten. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und eine Stimmenthaltung bei der Fraktion der CDU – trotzdem angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Unterstützung des Landes für den Transrapid, Drucksache 3/1055.

Antrag der Fraktion der CDU: Unterstützung des Landes für den Transrapid – Drucksache 3/1055 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Seidel von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben ja schon des Öfteren über den Transrapid gesprochen. Dennoch, meine ich, muss man immer wieder darauf hinweisen, dass es sich um eine Technologie handelt, die zwar durchaus neu ist, aber schon 70 Jahre in den Schreibtischen schmort oder, sagen wir besser, sich auf kleinen Anwendungsstrecken im Emsland hin- und herbewegt. Ich will allerdings deutlich sagen, dass jeder, der über ein wenig technischen Sachverstand verfügt, ganz schnell erkennen kann, dass diese Technologie dem Rad-Schiene-System überlegen ist, zum Beispiel aufgrund der Verschleißarmut sowie des günstigeren Verhältnisses von Energie und Nutzen. Und es ist ja auch festzustellen, dass diese Tatsachen von den Gegnern des Transrapid durchaus anerkannt werden. Darüber gibt es eigentlich gar keinen Streit.

Es ist auch richtig – das muss man natürlich an dieser Stelle betonen –, dass vor allem das Projekt, über das wir hier reden, die Transrapidstrecke von Berlin nach Hamburg, mit dem entsprechenden Gerät relativ teuer ist, allerdings wie das eigentlich immer der Fall bei Modellprojekten und bei Prototypen ist, um die es sich ja nach wie vor handelt.

Es ist sicherlich auch richtig, dass eine neue Infrastruktur erforderlich ist, aber ich muss immer wieder betonen, dies war genauso, als seinerzeit die Bahn die Postkutsche ablöste. Wenn ich die Historie noch einigermaßen beherrsche, gab es damals die so genannten Umspannen, das waren die Pferdewechselstationen, es gab die wunderschönen Holperstraßen, über die wir uns zum Teil heute noch freuen, die dann abgelöst wurden durch Schienenwege und Bahnhöfe, wie sie die Eisenbahn dann eben brauchte.

(Heike Lorenz, PDS: Nur, damals war es eine Erleichterung, und heute soll es ein Sahnehäubchen sein.)

Meine Damen und Herren, um nun den politischen Willen zur Umsetzung eines solchen Technologiegroßprojektes zu bündeln, beschloss der Bundestag in der letzten Legislaturperiode das Transrapidgesetz. Darin enthalten war oder ist, muss man richtig sagen, auch der Haltepunkt in Schwerin.

(Angelika Gramkow, PDS: Aber nicht im Gesetz, Herr Seidel.)

Wir waren sehr froh darüber, …

Der steht drin. Doch, doch, Frau Gramkow.

… weil wir uns ja auch sehr bemüht haben, dass dieser Haltepunkt in das Gesetz aufgenommen wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Haben wir wieder was gelernt.)

Seit nunmehr fast fünf Jahren läuft die Planung der Trasse zwischen Hamburg und Berlin. Wie man jetzt lesen kann, werden die ersten Planfeststellungsbeschlüsse im Jahr 2000 fällig. Es könnte also theoretisch mit den Arbeiten begonnen werden.

Zugegebenermaßen ist das Projekt auch in der Wirtschaft wegen der eben schon genannten relativ hohen Kosten nicht unumstritten. Aber besonders pikant ist natürlich die Haltung der politischen Entscheidungsträger, insbesondere nach den Wahlen im Herbst 1998. Und

das muss ich dann schon noch mal hervorheben: Die Bundesregierung ist ja grundsätzlich für den Transrapid. Der Bundeskanzler vermeidet neuerdings die Festlegung auf die Strecke Hamburg–Berlin. Er sagt, er will den Transrapid lediglich im Inland sehen. Die betroffenen Länder Hamburg, Berlin und Brandenburg setzen sich durchaus für den Transrapid ein. Die Länder Hessen sowie Nordrhein-Westfalen, in denen sich Herstellerfirmen befinden, sind sogar bereit, mit Bürgschaften zu helfen.

(Angelika Gramkow, PDS: Soll das Land auch bürgen, Herr Seidel?)

Ich hab’s überhaupt noch nicht gesagt. Warten Sie es doch ab!

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Schleswig-Holstein ist – ich vermute mal, insbesondere auf Druck des grünen Koalitionspartners – mehr oder weniger gegen den Transrapid.

(Minister Dr. Wolfgang Methling: Eher mehr.)

Von mir aus mehr.

Und Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren, lässt nun eine Haltung zu diesem Thema völlig vermissen.

(Peter Ritter, PDS: Es gibt eine klare Haltung.)

Na, das ist aber schwierig, diese klare Haltung auch zu erkennen.

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Heike Lorenz, PDS)

Der Präsident der Arbeitgeberverbände Herr Dr. Hundt, der gerade in Schwerin war, fand dafür die Worte, dass die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern auf der Stotterbremse steht und Schlangenlinien fährt.