Protokoll der Sitzung vom 12.04.2000

und sich das ansehen sollen, wie Hunderte dann bei der Beseitigung am Strand im Einsatz waren. Wir sitzen auf einer tickenden Zeitbombe.

Dann erkennen Sie es doch wenigstens heute! Ich behaupte doch nicht, dass nicht auch vorher Fehler gemacht worden sind, aber es geht doch jetzt um die Interessenvertretung unseres Landes – hier und heute.

(Caterina Muth, PDS: Das sind alles alte Erkenntnisse.)

Deswegen brauchen wir den politischen Druck quer durch Parteien und Gesellschaft entlang der Küste.

Im Übrigen, der Kreistag Rügen hat es uns mit seinem Antrag für Maßnahmen zum Schutz der Ostsee vorgemacht. Ich denke, wir sollten weitermachen und weiter mit den Kreistagen an der Küste reden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Der Tourismusverband hat auch die Gefahr erkannt und unterstützt das.

Mit der Zustimmung zu dieser Vereinbarung verbindet meine Fraktion nachdrücklich die Aufforderung an die Landesregierung, sich für ein nationales Sicherheitskon

zept Ostsee konsequent und schnell einzusetzen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, für Ihre auch.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Caterina Muth, PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Thomas.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Klostermann von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Vielleicht gehe ich am Schluss meiner Ausführungen noch einmal auf einiges ein, was Herr Thomas hier gesagt hat.

(Heinz Müller, SPD: Lohnt sich das?)

Allein die Tatsache des posthistorischen Zustimmungsaktes, die wir heute mit einer Verzögerung von fünf Jahren vernommen haben, belegt nicht nur die Trägheit gewisser Gremien – da stimme ich Ihnen zu, Herr Thomas –, sondern, und das wollen wir positiv bewerten, den inzwischen gewachsenen Stellenwert der präventiven Maßnahmen und Initiativen zur Bekämpfung von Tankerunfällen und Ölkatastrophen an unserer Küste.

Auf der 34. Sitzung des Landtages haben wir in diesem Hohen Hause ausführlich über die brisanten aktuellen Erfordernisse debattiert und in sechs Punkten die Landesregierung zum Handeln aufgefordert, sie zu unterstützen. Es hätte mich wirklich gewundert, wenn heute die Opposition nicht die Gelegenheit ergriffen hätte, zu diesem Thema die Debatte wieder aufzunehmen.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Das ist völlig in Ordnung. Auch wenn der Tagesordnungspunkt ziemlich langweilig scheint, aber die Gelegenheit ist günstig.

Interessierte an diesem ungelösten Problemfeld haben mit Sicherheit den Bericht des Vorsitzenden der unabhängigen Expertenkommission an den Bundesverkehrsminister vom 16.02.2000 studiert. Dieser so genannte Grobecker-Bericht spießte eine Reihe von Schwachstellen in den Leitungs- und Kommunikationsstrukturen auf und strebt eine Optimierung des Schutzes deutscher Küsten an Nord- und Ostsee an.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, es kann hier nicht Sinn sein, diese 30 Empfehlungen der Expertenkommission im Einzelnen zu beleuchten, dennoch stößt die angedachte Bündelung der verschiedenen auf See tätigen Aufsichts- und Vollzugsdienste des Bundes – darüber wurde auch schon vorhin berichtet – in einer Seewache, ein neues Wort wäre das, auf ein sensibles Echo seitens der Betroffenen in den Behörden. Und ob weiterhin ein so genanntes Havariekommando, das die Seewache führt und alle anderen bisherigen Stellen ersetzt, der Weisheit letzter Schluss sein wird, bleibt zunächst offen.

Das von diesem Havariekommando auszuübende Durchgriffsrecht auf alle Einsatzkräfte und Einsatzmittel von Bund, Ländern und Kommunen rüttelt zumindest am Grundgesetzfundament. Es bestehen schon Zweifel, ob eine untergesetzliche Verwaltungsvereinbarung oder mehrere die anstehenden Strukturveränderungen funktionssicher garantieren würden. Sicher ist meines Erachtens nur, dass sich die mit Substandards navigierenden Petrol-Hasadeure, sprich einige Schiffsunternehmen, völlig unbeeindruckt zeigen werden. Wenn die deutsch-fran

zösische Initiative zur Verbesserung der Sicherheit auf See, vereinbart zwischen dem französischen und dem deutschen Verkehrsminister, als wichtiger Schritt greift, wenn die Europäische Union wirksam wird, die internationale Schifffahrtsorganisation IMO die Überwachung der Schiffe verschärfen würde und die Schiffsunternehmen so stärker in Verantwortung gebracht würden, dann wären gute Wege beschritten. Problemlösungen kommen nicht von heute auf morgen, aber, meine Damen und Herren Abgeordnete, Tankerunfälle können sich täglich wiederholen, können täglich stattfinden. In der Risikoforschung wird dies mit dem Murphy’schen Gesetz beschrieben,

(Volker Schlotmann, SPD: Kenn’ ich nicht.)

dem zufolge ein Ereignis eintritt, wenn es eintreten kann. Andererseits sind Ölverschmutzungen durch unerlaubtes Ablassen von Ölresten leider heute fast alltäglich. Alarmierend ist dabei, dass die Verursacher nur mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent – der Minister hat es schon erwähnt – für die Ostsee ermittelt werden konnten. Das ist schon alarmierend. Fünf Prozent der Verursacher sind nur auffindbar.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, die letzten Havarien auf der Ostsee haben die Sicherheitsdiskussion zur Bekämpfung belebt und das ist gut so. Das widerspiegelt sich auch darin, dass diverse Firmen, Unternehmen in unserem Bundesland ihre hochentwickelte Technik präsentieren und auch versuchen, die rasanten Entwicklungen im Schiffbau und in der Navigation zu nutzen. Der Wettbewerb in diesem Geschäft wird sich aber nur dann lohnen, wenn diese Technik in der Kommunikationspartnerschaft Mensch und Maschine real eingesetzt wird. Experten beklagen dies und stellen fest, dass die Schifffahrt ein Hochrisikosystem darstellt.

Und meine Damen und Herren Abgeordnete, wie steht es eigentlich mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern unseres Küstenlandes, eines Küstenlandes, das mehr und mehr Touristen und Investoren anlocken möchte? Wollen wir tatenlos mit der unkalkulierbaren Bedrohung durch eine Ölpest leben? Kann uns die sarkastische Beschwichtigungsformel „Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit“ etwa beruhigen? – Wohl kaum.

Halten wir fest: Es geht hier um keine Naturkatastrophe, der wir angstvoll entgegenstehen müssten, weil für uns die endgültige Planungsphilosophie des Planeten Erde immer noch ein Geheimnis ist und wohl auch bleiben wird. Ich denke an Erdbeben, Hochwasser, Stürme. Nein, hier geht es um die Vermeidung eines von Menschen herbeigeführten Risikos, das von Menschen auch vermieden werden kann.

(Caterina Muth, PDS: Das ist nämlich der Punkt.)

Näher betrachtet werden wir wohl noch Jahre darauf warten müssen, bis menschenmögliche Ursachenbekämpfung von Tankerunfällen realisiert und Ölablassungen durch internationale Vereinbarungen auf Null gesetzt werden. Das Verhältnis von anthropogenen Anteilen der Ölhavarien zum geogenen Anteil liegt etwa bei 95 zu 5 Prozent für die Ostsee. Das heißt, durch extreme Naturprozesse wie Sturm oder Eispressungen herbeigeführte Schiffsunfälle unterliegen weit denen durch menschliches Versagen inklusive der durch kriminelle Handlungen herbeigeführten Schiffsunfälle im Verhältnis von etwa 95 zu 5. Und es gilt, dieses Missverhältnis abzubauen. Es darf nicht sein, dass die jahrzehntelangen erfolgreichen Anstrengungen im Rahmen der Helsinki

Konvention zur Sanierung der Ostsee durch kriminelle Handlungen von Ölhasardeuren unter den Schiffseignern zunichte gemacht werden.

Als Resümee dazu bedarf es erstens auch öffentlichen Drucks – Herr Thomas hat vorhin davon gesprochen, ich begrüße auch, wenn sich Landkreise und Verbände äußern – übergreifender Bürgerinitiativen auf die staatlichen Stellen.

(Beifall Reinhardt Thomas, CDU: Richtig.)

Wenn man so will, ist das ein Aufruf zu außerparlamentarischen Aktionen.

(Reinhardt Thomas, CDU: Jaja, da muss man vorsichtig sein.)

Zweitens. Es bedarf einer Initiative, die von Mecklenburg-Vorpommern ausgehend die Ostseeanrainerstaaten verpflichtet, nur noch Schiffen mit Standards, wie zum Beispiel Doppelhüllentankern, die Zufahrt zur Ostsee zu erlauben. Ich weiß, dass das sehr schwierig ist, aber wir könnten diese Initiative ja auch befördern.

Drittens. Es bedarf der Einbringung einer entsprechenden Initiative durch Mecklenburg-Vorpommern über die HELCOM – davon hat der Minister schon berichtet, das ist geschehen und auch aufgenommen durch dieses Gremium – oder einer Verstärkung durch die nächste Ostseeparlamentarierkonferenz, die ja auch in diesem Jahr stattfinden wird und die im nächsten Jahr möglicherweise hier in Mecklenburg-Vorpommern ausgerichtet wird. Auch da sollte man dieses Thema anschneiden.

So weit zu meinen Ausführungen.

Vielleicht doch noch eins, Herr Abgeordneter Thomas: Die Kadet-Rinne ist eine natürliche Rinne, wie Sie wissen, ein Geschenk der Eiszeit. Hier ist an keiner Stelle gebaggert worden in den letzten Jahrhunderten der Schifffahrt. Sie hat eine zur Verfügung stehende Tiefe für die durchfahrenden Schiffe in dieser Hauptwasserstraße, die durchaus ausreichend ist, wenn man ordentlich navigiert.

(Reinhardt Thomas, CDU: Sagen Sie doch wenigstens zur Lotsenpflicht ja.)

Es wäre wirklich Frevel für dieses hochsensible Gebiet, dass man hier überhaupt im Traum daran denkt auszubaggern. Diese natürliche Rinne gestattet, dass sauerstoffreiches Wasser aus der Nordsee in die Ostsee hineinkommt, wenn auch in diesem schmalen Nadelöhr, aber dies ist lebenswichtig für die Erhaltung der Ostsee. Deshalb ist sie so einmalig und auch schutzwürdig und wir dürfen sie nicht wegradieren.

(Beifall Heinz Müller, SPD)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, die Fraktion der SPD stimmt diesem Antrag der Landesregierung zu. – Ich bedanke mich bei Ihnen für das Zuhören.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Klostermann.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Muth von der PDS-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Worum geht’s heute in diesem Tagesordnungspunkt? Es geht darum, dass dieses Parlament nachholend beteiligt wird an der Bestätigung der Verein

barung von 1995, der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Küstenländern in Bezug auf die Maßnahmen zum Küstenschutz, eine Beteiligung, die natürlich schon 1995 hätte stattfinden müssen, eine Beteiligung des Parlamentes, die nach alten Kabinettsunterlagen der alten Regierung damals nicht für notwendig erachtet wurde – warum auch immer. Es würde mich ja mal interessieren, welchen Blick die CDU auf diesen Fakt hat, dass das Parlament damals außen vor gelassen wurde, obwohl die Vereinbarung natürlich jedes Jahr finanzielle Auswirkungen auf den Landeshaushalt hatte und auch haben wird. Dieses führe ich an, weil das wieder deutlich macht, mit welch einem Demokratieverständnis Sie regiert haben und welches Demokratieverständnis Sie immer noch haben.

Ich hatte eigentlich vor dieser Landtagssitzung meiner Fraktion gesagt, zu diesem Tagesordnungspunkt brauchen wir nicht zu reden. Im Februar haben wir uns schon grundsätzlich zur Frage Meeresschutz verständigt, unsere unterschiedlichen Positionen ausgetauscht, deutlich gemacht, welche Maßnahmen noch erforderlich sind, welche Probleme noch nicht angepackt sind, auch die Ursachen benannt. Und der Minister hat damals schon so wie auch heute deutlich gemacht, welche Aufgaben noch vor uns liegen und wo er sich und die Regierung engagieren wollen. Was gibt es also Neues seit Februar? – Nichts. Nun ist es Ihr gutes Recht, zu diesem Thema noch mal zu reden. Aber ich denke, indem man nur eine Vereinbarung nachholt und als Parlament damit noch mal das Einverständnis dieser Vereinbarung dokumentiert, muss man diesen Tagesordnungspunkt nicht benutzen, um eine Position deutlich zu machen, die man selbst niemals umgesetzt hatte, als man in der Verantwortung war auf Bundes- und auf Landesebene.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und Herr Thomas, Ihr Engagement – ich habe es Ihnen schon mal gesagt – in allen Ehren, ich bewundere immer wieder Ihre Fachkenntnisse auf dem Gebiet, aber ich sage Ihnen: Die eigentlichen Ursachen für die Katastrophen, die hinter uns liegen und die vielleicht irgendwann wieder geschehen, die haben Sie – und Sie hätten es auch beeinflussen können auf politischem Wege – nicht verhindert, indem Sie zum Beispiel über Tankergrößen geredet haben, indem sich Ihre Partei engagiert hat, dass wir Lotsensysteme einführen und so weiter. Nichts ist da geschehen. Und da finde ich es schon ein bisschen doppelzüngig, hier den Helden zu spielen und vorher den Schwanz einzuziehen. – Danke schön.

(Beifall bei der PDS)