Protokoll der Sitzung vom 12.04.2000

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

das heißt die Finanzierung auf Dauer nicht klar. Herr Holter, darüber müssen wir noch diskutieren und ich denke, auch insgesamt muss über das AQMV ab dem Jahre 2001 noch in diesem Jahr diskutiert werden. So kann das nicht weitergehen, dass man das AQMV fortschreibt,

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

aber an den EU-Regelungen vorbei, und damit auf der anderen Seite im Land erzählt, das wäre alles innovativ.

Ein weiteres Problem, meine Damen und Herren, wir müssen uns auch die Frage stellen: Warum nimmt der Alkoholkonsum in Mecklenburg-Vorpommern zu?

(Unruhe bei den Abgeordneten – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Heiterkeit bei Minister Dr. Wolfgang Methling)

Warum wird der Konsum von Ecstasy weiterhin nicht gesehen? Meine Damen und Herren, ich fordere ein Landesaktionsprogramm gegen Alkohol

(Heinz Müller, SPD: Da gibt es schon einen Parteitagsbeschluss von 1912 zum Thema Schnaps. – Dr. Ulrich Born, CDU: Aber nur gegen den Alkoholmissbrauch.)

und gegen synthetische Drogen.

Meine Damen und Herren, leider ist meine Redezeit um, aber ich denke, dieses Thema werden wir noch intensiv diskutieren müssen. – Danke schön.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schädel von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Schädel.

Ich bitte, wieder dem Redner zuzuhören und die Diskussion nachher untereinander zu führen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sprecher des Landesjugendrings Mecklenburg-Vorpommern zu dem Thema der Aktuellen Stunde heute: „Das heutige Thema der Aktuellen Stunde ,Jugend und Zukunft‘ wird allzu oft zum Jammertal der politischen Landschaft.“

Ich möchte mit meinem Beitrag beweisen, dass gerade Jugend ungeheuer spannend sein kann und vor allem große Zukunftschancen in sich birgt, Zukunftschancen, die sich Mecklenburg-Vorpommern nicht entgehen lassen kann. Da die Vorredner sich schon inhaltlich mit der vorgelegten Shell-Studie auseinander gesetzt haben,

(Reinhard Dankert, SPD: Mehr oder weniger.)

möchte ich mich auch dort nicht lange aufhalten. Fakt ist jedoch, dass Jugendliche deutlich leistungsorientierter denken und schon viel früher mit Problemen belastet sind, als es noch vor einem Jahr der Fall war. Wir können sagen, dass Jugend realistischer geworden ist als Ergebnis ihrer Umwelt.

Die Umwelt erfahren Kinder und Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern oftmals sprichwörtlich auf der Straße. Gerade im ländlichen Raum fehlen Räumlichkeiten für selbstbestimmte junge Menschen. Schule ist realitätsfern geworden. Kinder und Jugendliche klagen darüber, dass sie von Entscheidungsträgern nicht ernst genommen werden. Auf die Bedürfnisse von Jugendverbänden wird unzureichend reagiert. Diese Liste können Sie aufgrund Ihrer eigenen Erfahrungen aus Ihrem Wahlkreis entsprechend fortsetzen. Aber statt resignieren müssen wir agieren, müssen Politik in MecklenburgVorpommern wieder kinder- und jugendfreundlich machen.

Bereits in der Koalitionsvereinbarung der PDS- und SPD-Fraktion findet sich das Thema Jugend als Querschnittsaufgabe wieder. Bereits auf dem Papier macht die Landesregierung deutlich, dass Kinder und Jugendliche nicht weiterhin als Randthema behandelt werden, als das sie jahrelang gegolten haben.

In der Praxis hat die Landesregierung schon viel erreicht. So wurde dieses Jahr der Jugendetat um 270.000 DM erhöht. Das bedeutet mehr Ferienfreizeiten, mehr Seminare der außerschulischen Jugendbildung, mehr Aktivitäten der Jugendverbände. Die Landesregierung setzt im Moment erfolgreich das 1.000-Stellen-Landesprogramm der Jugend- und Schulsozialarbeit um, um Jugend entsprechend zu unterstützen. Die Landesregierung hat zusammen mit dem Landesjugendring neue Medien flächendeckend eingeführt, www.jugendinMV.de ist bereits in aller Munde. Aber diese Erfolge sind nur Schritte auf dem Weg zu einem kinder- und jugendfreundlichen Mecklenburg-Vorpommern. Was von Kindern und Jugendlichen gebraucht wird, ist das Gefühl einer gesicherten Kindheit, einer glücklichen und vor allem selbstbestimmten Jugend. Da Jugend zu einem Querschnittsthema der Politik geworden ist, muss sie auch als gemeinschaftliche Aufgabe behandelt werden. Darum schlage ich die Erarbeitung eines umfassenden Landesjugendprogramms vor, das ressortübergreifend erarbeitet und umgesetzt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Solch ein Landesjugendprogramm muss langfristig aufgebaut sein und auf aktuelle Problemlagen junger Menschen eingehen. Weiterhin muss die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nicht Alibicharakter haben, sondern praktisch erlebbar werden. So hat der Landesjugendring, wie auch den Beiträgen in den Zeitungen zu entnehmen war, eine umfassende Beteiligungskampagne gestartet. Unter dem Motto „Misch dich ein!“ wird zur Zeit die Veranstaltung „Jugend im Landtag“ vorbereitet, bei der Kinder und Jugendliche im Herbst ihre Forderungen artikulieren können. Das Konzept sieht dabei gerade die kommunale Beteiligung als Hauptaufgabe. So sollen Moderatoren nach skandinavischem Vorbild Beteiligung in den Kommunen ermöglichen, wie es auch schon in der Koalitionsvereinbarung formuliert ist. Um auf Landesebene ein deutliches Signal zu setzen, schlage ich Ihnen die volle Unterstützung des Landtages zu dieser Kampagne vor

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

und fordere die Einsetzung eines Kinder- und Jugendobhutsmanns beziehungsweise einer -frau nach skandinavischem Modell.

Wir sind heute die jüngste Region Deutschlands und eine der jüngsten Regionen in Europa. Das wird sich bis 2015 grundlegend geändert haben. Dann sehen Umfragen Mecklenburg-Vorpommern nämlich als älteste Region in ganz Europa. Um das zu verhindern und Mecklenburg-Vorpommern nicht handlungsunfähig zu machen, gilt es jetzt zu handeln. Wir müssen unseren Kindern und Jugendlichen das Gefühl geben, dass sie gebraucht werden und dass sie Mecklenburg-Vorpommern gestalten können. – So weit der Landesjugendringsprecher Jörn Richter zu dieser Aktuellen Stunde.

Lassen Sie mich noch anfügen, meine Lampe leuchtet heute überraschenderweise noch nicht: Das, was hier gesagt worden ist, gilt selbstverständlich nicht nur für die in unserem Land lebenden deutschen Kinder und Jugendlichen, sondern auch für die mit anderer Nationalität. Auch ihnen, die hier geboren und eingeschult wurden, die hier ihre Schul- und Lehrausbildung absolvieren oder, kurz gesagt, die hier groß geworden sind, auch für diese Kinder und Jugendlichen gilt das. Soll die junge Generation in

Mecklenburg-Vorpommern – und vielleicht auch folgende Generationen, denn einmal feststehende Vorurteile lassen sich nur schwer wieder abbauen – nicht weiter mit Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gleichgesetzt werden, sollte sie mit den so genannten Anderen und Fremden aufwachsen und leben lernen. Von hier aus können wir die Bedingungen dafür schaffen. Lassen Sie uns damit anfangen und Jugend mitgestalten, damit sie ihre Bedingungen schaffen kann. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Bräunig von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Bräunig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Glawe, ich habe ein bisschen Schwierigkeiten damit, wenn man über Arbeitslosigkeit redet und behauptet, 24.000, nein, 40.000 Stellen, wie die Zahl war, weiß ich nicht mehr,

(Dr. Ulrich Born, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU: 24.000.)

24.000 Stellen haben wir mehr.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Sie haben bis ‘98 hier Verantwortung getragen, Sie hätten ja diese Richtung abwenden können.

(Harry Glawe, CDU: Ja, ja, ja.)

Herr Glawe, kommen Sie, immer wieder ist es die gleiche Leier, die Sie hier auftragen.

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

Die Programme werden schon greifen.

Meine Damen und Herren, hier ist viel gesagt worden über Ausbildung und über Arbeitslosigkeit. Ich will das nicht mehr alles wiederholen, ich bin inzwischen wohl, ich weiß nicht, der zehnte, zwölfte Redner hier. Der Fakt ist der, dass in Mecklenburg-Vorpommern eigentlich das Problem der Ausbildung gar nicht so steht, weil in keinem neuen Bundesland Betriebe so viel ausbilden wie in Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Torsten Koplin, PDS)

Das ist einfach so und das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Ich meine auch, dass die Bemühungen der Landesregierung, auch der alten Landesregierung und der neuen Landesregierung, gerade in diesem Bereich einiges und vieles zu tun, doch gegriffen haben, so dass das Problem der Nichtausbildung eigentlich gar nicht so steht. Ich glaube, dass das doch recht zufriedenstellend ist.

Ich sehe das Problem eher in der darauffolgenden Arbeitslosigkeit und das ist wohl das viel Schlimmere. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass praktisch das dringende Problem der Arbeitslosigkeit bei uns ansteht. Es lag Ende des vergangenen Jahres bei 50 Prozent der Jüngeren unter 25 Jahre, das heißt, es waren im Jahresdurchschnitt ‘99 circa 18.000 Jugendliche im Land ohne Arbeit. Wenn man sich die Zahl mal vor Augen führt, dann heißt es eigentlich, dass wir hier verdammt sind, die wirtschaftliche Basis so zu verstärken, dass die Wirtschaft mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stellen kann. Oft habe

ich den Eindruck, dass hier im Parlament doch gegenteilig gearbeitet wird, und ich meine, der nächste Haushalt wird es zeigen. Hier wird der Etat des Wirtschaftsministers sicherlich auch eine Rolle spielen. Dennoch muss es klar sein, Jugendliche, die den Einstieg in das Beschäftigungssystem nicht schaffen, haben oft für das gesamte Berufsleben mit Benachteiligungen zu rechnen. Das ist so.

Langzeitarbeitslosigkeit und daraus resultierende gesundheitliche Probleme, aber auch Armut im Alter sind häufig die Folge. Daher liegt unser Bemühen gerade darin, die Zahl der Jugendlichen zum einen ohne Schulabschluss und zum anderen ohne Ausbildung möglichst gering zu halten. Und hier, meine ich, ist auch die Schule gefragt, sind die Lehrer gefragt. Ich weiß nicht, ob es immer ernst genug genommen wird. Es soll keine Kritik sein, aber manchmal hat man den Eindruck, als wenn die Schüler nach zehn Jahren entlassen werden und, ich sage mal, die Abstimmung zwischen Wirtschaft und Universitäten noch viel zu schlecht ist, so dass die Kinder oft orientierungslos sind. Viele Jugendliche wissen heute überhaupt nicht, welchen Beruf sie nach der Schule ergreifen sollen. Hier ist eine Berufsfrühorientierung notwendig, in der gemeinsam mit den Schülern deren Qualität und Interessen herausgearbeitet werden sollen.

Ziel muss deshalb sein, dass Schule, Berufsberatung und Jugendsozialarbeit schon im Vorfeld von Berufsvorbereitung und Ausbildung ihre Zusammenarbeit verstärken. Hier gilt es, die Jugendlichen besonders auf interessante und zukunftsträchtige Ausbildungsberufe sowie Studiengänge aufmerksam zu machen, in denen Fachkräfte benötigt werden. Dazu gehören neben den IT- und Multimediaberufen auch die Dienstleistungsbranchen, aber ebenfalls die klassischen Berufe sowie die Landwirtschaft. Die Jugendlichen mit Abitur sollten verstärkt davon überzeugt werden, ein Studium aufzunehmen. Wir haben, zumindest in der letzten Zeit, den Prozess, dass immer mehr Berufe durch Abiturienten besetzt werden, die eigentlich durch Realschüler besetzt werden sollten. Das ist ein ganz wichtiges Thema. Da gehen natürlich auch viele Ausbildungsplätze verloren.

Angesichts des schnellen gesellschaftlichen Wandels in der Industrie zu einer Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft wächst der Bedarf an hochqualifizierten Arbeitnehmern. Besonders Ingenieure der Elektrotechnikund Informationsbranche, aber auch des Maschinenbaus werden benötigt. Hier zeichnen sich für Jugendliche mit Hoch- und Fachschulreife günstige beschäftigungssichernde Zukunftsperspektiven ab.

Wenn wir hier besonders von den zukunftsweisenden Berufen in den IT- und Multimediabereichen reden, dann zeigt die diesjährige Shell-Studie, dass ein Technikinteresse von Jugendlichen auch vom Bildungsniveau abhängig ist. Höhere eigene Bildung – und das ist hier schon mal gesagt worden, schon öfter gesagt worden – geht häufig auch mit einem höheren Technikinteresse einher. Daher heißt es, hier ist neben einer guten Schulausbildung auch die verstärkte Förderung technischer Interessen notwendig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ab 2005 werden viele Erwerbstätige aus Altersgründen ausscheiden und nur wenige junge Menschen die Schule verlassen. Hier wird ein deutlich steigender Bedarf an Fachkräften entstehen. Das heißt, für junge Leute von heute bedeutet das Perspektiven, die sie nutzen können, indem sie sich

qualifizieren und für die sich ständig verändernden Erfordernisse der Wirtschaft offen zeigen.

Die rote Lampe blinkt, ich bin gleich fertig.