Protokoll der Sitzung vom 12.04.2000

Die rote Lampe blinkt, ich bin gleich fertig.

Berufliche Perspektiven ergeben sich besonders für junge Menschen immer wieder auch in der Existenzgründung, das ist hier angesprochen worden von Herrn Glawe, da haben Sie natürlich Recht. Hierbei müssen sie unterstützt werden. Es muss ihnen die Möglichkeit eröffnet werden, ihre Fähigkeiten und damit die Grundlagen ihrer eigenständigen Existenz zu entwickeln. Gute Beispiele hierfür sind Schülerfirmen und die Technologie- und Gründerzentren im Land. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Thomas von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Thomas.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Holter ist leider nicht hier, aber ich glaube, er hat eine gute wirtschaftspolitische Rede gehalten. Die Shell-Studie zur Jugend in Deutschland mit ihrer Grundaussage „Die Jugend ist zuversichtlich.“ ist eine Aussage, auf die wir denken aufbauen zu können. Das heißt doch vor allem für uns, dass die Jugend für sich und ihre Zukunft trotz aller Probleme Perspektiven sieht. Diese Sicht und die damit verbundene Einstellung der Jugend ist ein wichtiger Baustein für unser aller Zukunft.

Eine Jugend, die sich im Wesentlichen in dieser Gesellschaft, in dieser parlamentarischen Demokratie wohlfühlt, hat doch erkannt, dass es sich lohnt, einerseits Bewährtes, also Grundwerte zu bewahren und andererseits das zu verändern, was aus ihrer Sicht verändert werden muss. Das heißt für mich, dass die Jugend mit beiden Beinen im Leben steht und nicht zu sehr nach links und nach rechts abdriften wird. Wir können also mit dieser Jugend gelassen in die Zukunft blicken. Wer sich wohlfühlt, der setzt natürlich auch auf Werte und Bewährtes, und das heißt doch auch, dass die politische Zukunft unseres Landes nicht lange bei Rot-Grün liegt.

Neben diesen positiven Aspekten möchte ich aber trotzdem auch die Problembereiche ansprechen. Unser gemeinsames Ziel muss es bleiben, Jugendliche, die mit dieser Gesellschaft oder mit unserem geltenden Recht in Konflikt kommen, wieder so in die Gesellschaft zu integrieren, dass sie sich einfügen und wieder eine Perspektive haben. Ich meine, auch das ist eine große Herausforderung, weil in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern der Anteil der jugendlichen Straftäter steigt. Besonders bedrückend sind dabei die brutalen Gewalttaten, mit denen wir immer wieder konfrontiert werden. Wir werden uns damit abfinden müssen, dass ein geringer, sehr geringer Prozentsatz für die Gesellschaft verloren ist. Vor denen müssen wir unsere Bürgerinnen und Bürger schützen. Dazu gibt es keine Alternative. Wir sind aber der Überzeugung, dass wir den größten Teil der Jugendlichen, die vorschnell in eine Ecke gestellt wurden und werden, durch eine vernünftige und erfolgreiche Präventionsarbeit wieder für uns, also für die Gesellschaft gewinnen können. Das ist eine ganz wesentliche Herausforderung, um auch diesen Jugendlichen eine Zukunft zu sichern. Die Kriminalprävention vor Ort, die direkten Angebote vom sportlichen bis zum kulturellen Bereich, sind aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Beitrag dazu.

„Sport statt Gewalt“, das erfolgreiche Präventionsprojekt, ist von uns nach dem Lichtenhagener Krawall als Polizeisport gegen Gewalt initiiert worden und dafür gab es mehrere gute Gründe. Die damaligen Gewalttaten, die Aggressionsbereitschaft in größeren Gruppen waren erschreckend. Leib und Leben von Ausländern und Polizisten waren gefährdet. Aber es waren auch immer einzelne extreme Täter, die sich hervorgetan haben und denen andere in der Gruppe folgten. Im Übrigen waren die Hardliner unter den Gewalttouristen zu finden, nicht unter den Einheimischen. Und wir wollten mit diesem Projekt auch beweisen, dass die Jugendlichen in Lichtenhagen eben nicht diese Rechtsextremisten sind, zu denen sie durch Politiker und Medien abgestempelt wurden. Wer mit der Polizei auf die Matte geht, der hat seine Zukunft Gott sei Dank noch nicht verspielt. Der Erfolg hat uns Recht gegeben. Die Jugendkriminalität konnte drastisch verringert werden. Das ist im Übrigen ein großer Erfolg der Arbeit von Dieter Hempel in der Polizeidirektion Rostock.

Ich meine, dass wir auch auf den Großteil der so genannten Rechtsextremen zugehen sollten, um sie in attraktive Maßnahmen einzubinden. Nach meinen Erfahrungen sind das nicht nur unverbesserliche Rechtsextremisten, sondern vielfach Jugendliche, für die es sich lohnt, Projektarbeit vor Ort voranzutreiben. Hier sehen wir noch einen weiteren Schwerpunkt unserer zukünftigen Präventionsarbeit. Nach den guten Erfahrungen mit „Sport statt Gewalt“ war ein Präventionsangebot für jene Problemjugendliche überfällig, deren Interesse mehr im Bereich Kunst und Kultur liegt. Mit „Kunst statt Gewalt“ ist es uns gelungen, auch für diese Jugendlichen ein attraktives Angebot zu machen. Illegale Sprayer oder verurteilte Sprayer und jugendliche Straftäter mit künstlerischen Neigungen werden dabei in Projektgruppen mit den besten Sprayern Europas, namhaften Künstlern und Sozialpädagogen zusammenarbeiten. Ziel ist es, sie damit aus der illegalen Szene zu lösen. Gleichzeitig ergeben sich damit aber auch Berufsperspektiven im künstlerischen Bereich. Die bisherigen Erfahrungen geben uns Recht.

Mein Dank gilt hierbei auch dem Innenministerium und dem Kultusministerium für die offenen Türen. Ich hoffe, dass wir auf dem wichtigen Feld der Prävention die zukünftigen Herausforderungen erkennen und gemeinsam für die Zukunft, wenn ich mal so sagen darf, unserer Problemkinder in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten. Wir werden unsere erfolgreichen Präventionsprojekte weiter vorantreiben und erwarten die Unterstützung der Landesregierung. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Koplin von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Koplin.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe versucht, mich dem aktuellen Thema zuzuwenden, indem ich mir die Frage gestellt habe: Welche Sichtweise haben junge Menschen, die zur Wende gerade dem Kindesalter entwuchsen, auf die jetzige Realität? Das ist ja ein Punkt, der mit der Shell-Studie so nicht gegriffen wurde, und ich bin da zu folgenden Erkenntnissen gekommen:

Erstens. Die Deutsche Einheit ist eine Selbstverständlichkeit für die jungen Menschen in unserem Land geworden.

Zweitens. Das vergangene Gesellschaftsmodell hat an Anziehungskraft fast vollständig verloren, aber es gibt eine kritische Distanz zur jetzigen Wirtschafts-, Sozialund Jugendpolitik.

Drittens gibt es ein Bejahen der Wende, aber es gibt auch eine Sicht darauf, dass gesagt wird, das Herstellen der inneren Einheit liegt noch in weiter Zukunft.

Und viertens. Oft werden nur geringe Möglichkeiten der demokratischen Mitbestimmung gesehen. Ebenso wird von Defiziten im Erleben von sozialer Gerechtigkeit gesprochen.

Viele Einschätzungen sind in den vergangenen Jahren Wandlungen unterworfen gewesen. Zwei Einschätzungen sind meines Dafürhaltens jedoch geblieben:

Erstens. Junge Menschen wollen gebraucht werden, wollen in eigener Sache beteiligt sein, wollen beruflich wie privat in diesem Land eine Perspektive haben.

(Beifall Heike Lorenz, PDS)

Und zweitens. Nicht politische Rhetorik und Versprechungen, sondern persönliches Erleben der Realität sind entscheidend.

In der Thematik der Aktuellen Stunde heißt es ja „Herausforderung“. Aus meiner Sicht besteht die Herausforderung darin festzustellen, dass eine Politik notwendig ist, eine politische Realität, die da heißt: Hier haben junge Menschen eine Perspektive, hier werden junge Menschen gebraucht und hier bestimmen sie mit. Dieses Land hat nur eine Zukunft, wenn junge Menschen hier ihre Zukunft auch sehen. Dazu ist es notwendig, für die berufliche Zukunft zu sorgen. Und ich sehe es völlig anders als Herr Riemann, Herr Glawe und Herr Seidel vorhin. Ich unterstütze die Aktivitäten der Landesregierung in Sachen „Jugend baut“

(Wolfgang Riemann, CDU: Ich habe ja nicht gesagt, dass wir nicht unterstützen.)

oder, wie wir heute gehört haben, zur Förderung moderner Berufe, denn gerade moderne Berufe bergen ja Potentiale in sich zur Beschäftigungsförderung in diesem Land für Kommunikationstechnologien und wissensintensive Dienstleistungsbereiche.

Zweitens ist es notwendig, gleichen Lohn für gleiche Arbeit in Ost und West als Anspruch aufrechtzuerhalten.

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Georg Nolte, CDU)

Die Sozialministerin sieht das nicht anders und zum Landeshygieneinstitut werden wir morgen noch reden. Das ist eine sehr intelligente Lösung, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Der Anspruch heißt aber „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und daran sollten wir festhalten.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Drittens. Mecklenburg-Vorpommern muss eine erste Adresse in Sachen Bildung und Qualifikation sein. Ich unterstütze in der Beziehung das Handeln der Landesregierung, über ein Qualitätssicherungskonzept der Schulen zu einem Qualitätssicherungsprogramm zu kommen.

Und viertens ist es notwendig, eine umfassende Beteiligung junger Menschen an Entscheidungsfindungspro

zessen zu organisieren. Der Landtag sollte, da stimme ich Herrn … Die rote Lampe ist das Schlimmste, was es gibt in diesem Landtag.

(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS – Heinz Müller, SPD: Ein Zwischenruf von Riemann ist schlimmer.)

Ich komme zum letzten Satz. Der Landtag sollte die Beteiligungskampagne, mein Kollege Schädel hat das bereits gesagt, des Landesjungendringes unterstützen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Dezember 1998 zur Änderung des Abkommens vom 16. und 17. Dezember 1993 über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik und über die Akkreditierungsstelle der Länder für Mess- und Prüfstellen zum Vollzug des Gefahrstoffrechts, Drucksache 3/932, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses, Drucksache 3/1238.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Dezember 1998 zur Änderung des Abkommens vom 16. und 17. Dezember 1993 über die Zentralstelle der Länder für Sicher- heitstechnik und über die Akkreditierungs- stelle der Länder für Mess- und Prüfstellen zum Vollzug des Gefahrstoffrechts (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 3/932 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 3/1238 –

Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Dezember 1998 zur Änderung des Abkommens vom 16. und 17. Dezember 1993 über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik und über die Akkreditierungsstelle der Länder für Mess- und Prüfstellen zum Vollzug des Gefahrstoffrechts auf Drucksache 3/932. Der Sozialausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 3/1238, den Gesetzentwurf der Landesregierung unverändert anzunehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung auf Drucksache 3/932 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf bei einer Stimmenthaltung auf Seiten der CDU-Fraktion ansonsten einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts, Drucksache 3/1199.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechtes (Tier- schutzzuständigkeitsgesetz – TierSchZG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 3/1199 –

Das Wort zur Einbringung hat der Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei Herr Backhaus. Bitte sehr, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Wiedervereinigung trat in den neuen Bundesländern ein vergleichsweise, und das ist sehr positiv zu bewerten, modernes Tierschutzrecht in Kraft. Das war allerhöchste Zeit, denn in den Jahren zwischen 1945 und 1990 waren Tiere, insbesondere die Tiere auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, rechtlich leider nur unzureichend geschützt. Der einzige Schutz galt, wie wir wahrscheinlich alle wissen, dem Hauptproduktionsmittel Boden oder Tier zur Ernährungssicherung der Bevölkerung oder als Gesellschaftstier zur Unterstützung der Reproduktion der Arbeitskraft.

Seit dem 03.10.1990 gelten nun auch für Mecklenburg-Vorpommern die ethischen Grundlagen zum Schutz aller Mitgeschöpfe. Das neue Tierschutzrecht habe ich persönlich aus tiefstem Herzen begrüßt, da nun die Verantwortung des Menschen für das Tier verbindlich vorgeschrieben ist. Ich glaube, Mecklenburg-Vorpommern hat in dieser Frage auch nach wie vor noch einiges zu leisten.

Die modifizierte Formulierung des Paragraphen 90a des Bürgerlichen Gesetzbuches setzt ein deutliches Signal dafür, dass der Tierschutz eine ethische und auch insbesondere moralische Verpflichtung in unserer Gesellschaft ist, zeigt sich doch auch der Umgang mit den Tieren als ein Spiegel in unserer Gesellschaft. Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist in diesem Zusammenhang sehr deutlich ausgefallen. Danach wurde entschieden, dass nicht jede wirtschaftliche Erwägung bei der Tierhaltung einen vernünftigen Grund im Sinne des Paragraphen 1 des Tierschutzgesetzes für die Zufügung von Schmerzen der Nutztiere darstellt. Diesem Gedanken entspricht auch das tatsächlich jahrelange Bemühen der Tierschützer in der gesamten Bundesrepublik Deutschland, nämlich den Tierschutz im Grundgesetz fest zu verankern. Das würde unter anderem die Durchsetzung vieler Tierschutzvorschriften bis in die höchsten Gerichtsinstanzen hinein deutlich erleichtern. Allerdings muss ich hier noch einmal betonen, dass auch eine Flut von rechtlichen Grundlagen den Tierschutzgedanken nicht weiter voranbringt, wenn man es nicht tatsächlich selber will, wenn Respekt, Ehrfurcht und insbesondere die Liebe vor dem Tier nicht fest und tatsächlich in unseren Wertvorstellungen verankert werden.