Protokoll der Sitzung vom 24.05.2000

meine Damen und Herren von der Opposition.

In der so genannten Theaterregion 4, das ist die Region im Südosten mit den Standorten Neubrandenburg und Neustrelitz, wurde sehr intensiv in der von Bildungsminister Peter Kauffold im letzten Sommer des Jahres eingesetzten Projektgruppe mitgewirkt. Diese Projektgruppe ist nicht, wie in einem SVZ-Kommentar zu lesen war, der Unlust zu regieren geschuldet, sondern Ausdruck von Demokratieverständnis und Akzeptanz von Zuständigkeiten. In diesem Sinne wurde in unserer Region auch das Signal verstanden: Sucht für die Angebote die beste Struktur und sichert damit die kulturelle Vielfalt in der Region! Dabei war klar, wie in anderen Regionen auch, dass als Ziel stehen muss, die künstlerische Identität der einzelnen Einrichtungen zu erhalten und trotzdem zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Statt sich in mahnenden beziehungsweise vorwurfsvollen Worten an die Landesregierung zu ergehen, wurde ernsthaft und im konstruktiven Streit zwischen den Trägern und den kommunalen Gebietskörperschaften unter Einbeziehung der Theaterschaffenden beraten.

Vielleicht einige Worte zur Erläuterung. Das Landestheater Mecklenburg GmbH Neustrelitz wird von den Städten Neubrandenburg, Neustrelitz, Waren und weiteren Städten und Gemeinden sowie den Landkreisen Mecklenburg-Strelitz und Müritz gehalten. Das Kammertheater Neubrandenburg e. V. wird von der Stadt Neubrandenburg unterstützt und die Neubrandenburger Philharmonie e. V. findet Unterstützung durch die Städte Neubrandenburg, Neustrelitz, Ueckermünde, Burg Stargard sowie die Landkreise Demmin, Mecklenburg-Strelitz, Uecker-Randow und Müritz. Daneben existiert dann noch die Stiftung der Deutschen Tanzkompanie, die aber wegen ihrer überregionalen Wirkung nicht in die Modelldiskussion einbezogen wird. Vielleicht ist es an der Stelle einmal angesagt darzustellen, dass die Philharmonie beispielsweise insgesamt, das Kammertheater und das Landestheater aus der Neubrandenburger Stadtkasse immerhin mehr als 5 Millionen DM jährlich an Zuschüssen erhalten. Das Landestheater erhält zudem von der Stadt Neustrelitz 850.000 DM, vom Landkreis MecklenburgStrelitz über 1 Million DM als Zuschuss. Das Land gibt im Rahmen der FAG-Zuweisung nach Paragraph 10 c dem

Landestheater Neustrelitz 8,4 und dem Kammertheater 1 Million sowie der Philharmonie 4,3 Millionen DM Zuschüsse. Damit erhält die Theaterregion Südost einschließlich Tanzkompanie immerhin 15,8 Millionen DM aus den Mitteln der FAG-Zuweisung.

Trotz dieser Zuschüsse und der Tatsache, dass die Einnahmen mit immerhin 14,7 Prozent bezüglich der Ausgaben deutlich über dem Landesdurchschnitt liegen, ist die finanzielle Sicherung mittelfristig nicht mehr gewährleistet, wenn allein Tarifsteigerungen und inflationsgebundene Kostensteigerungen von circa 3,5 bis 4 Prozent jährlich, das sind etwa 800.000 DM, berücksichtigt werden. Dies erkennend haben sich die Verantwortlichen vor Ort zusammengesetzt, um ein passendes Lösungsmodell zu finden. Die Projektgruppe hat die Fusion der Einrichtungen vorgeschlagen und im Januar diesen Jahres den entsprechenden kommunalen Gremien einen Vorschlag vorgelegt. In den Medien wurde dies, Sie haben dies im „Pressespiegel“ mitverfolgen können, in einem Spektrum von Ablehnung, Skepsis, aber auch bis hin zum Optimismus aufgenommen.

Am 21. März diesen Jahres fand eine gemeinsame Beratung der Kulturausschüsse des Landkreises Mecklenburg-Strelitz und der Stadt Neubrandenburg statt, auf der der eingeschlagene Weg trotz aller Skepsis und trotz aller Bedenken befürwortet wurde. Naturgemäß ist bei den künstlerischen und Verwaltungsmitarbeitern der betroffenen Einrichtungen diese Skepsis am stärksten ausgeprägt, aber trotzdem äußerte sie sich nicht auf die Art und Weise, wie das aus anderen Theaterregionen zu hören war. Man wollte sich der Aufgabe stellen und das Beste daraus machen, denn es sei klar, dass das Theater – und ich zitiere – „keine Insel der Seeligen ist“, wie es Christoph Dammann, der künstlerische Leiter des Landestheaters Neustrelitz formulierte. Es war im „Nordkurier“ nachzulesen am 20. Januar des Jahres.

In der Umsetzung der Fusionspläne sind naturgemäß mit jeder konkreten Personalentscheidung erneute Debatten zu erwarten. Und das zeigte sich natürlich auch erst kürzlich, als es um die Besetzung der Leitungsämter ging, doch auch dies ist inzwischen geklärt. Wie ich erfahren habe, hat der Kulturausschuss der Stadt Neubrandenburg gestern Abend die Information entgegengenommen, dass es hier einvernehmliche Regelungen gibt und gleichberechtigte Leitung durch die Neustrelitzer und das Neubrandenburger Kammertheater.

In Neubrandenburg steht nun am 8. Juni in der Sitzung der Stadtvertretung die Beschlussempfehlung zur Fusion auf der Tagesordnung und diese wird derzeit in den Ausschüssen beraten. Und ich kann auch hier verkünden, dass der Kulturausschuss unserer Stadt gestern Abend die Empfehlung zur Fusion mit nur einer Enthaltung angenommen hat. Und an der Stelle, meine Damen und Herren von der Opposition, wird vielleicht auch mal deutlich, dass Ihre Kommunalpolitiker durchaus realistischer und mit mehr Sachverstand an die Sache gehen, als Sie hier im Landtag glauben machen wollen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke, Frau Bretschneider.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Bluhm von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aktuelle Stunde zur Situation der Theater – eine nicht so ganz einfach gewählte parlamentarische Form, dem gewaltigen Problem, was sich ja auftut, wirklich gut zu entsprechen. Ich denke, wir werden in anderer Art und Weise diese Debatte auch künftig weiterzuführen haben. Aber aktuelle Situation der Theater in Mecklenburg-Vorpommern, das ist zuallererst die Feststellung, dass es in diesem Lande erholsame, schöne, spannende Aufführungen gibt, die von engagierten Künstlerinnen und Künstlern, von Ensembles aufgeführt werden, und dafür gebührt ihnen der Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Sylvia Bretschneider, SPD)

Es ist aber auch legitim und natürlich für die Opposition zuallererst, aber auch im Grunde genommen für uns als regierungstragende Fraktion unerlässlich, über kultuspolitische Alternativen, über allgemeine und konkrete Wege zur Kulturpolitik einen Diskurs zu führen, Fragen zu beantworten, die sich immer wieder neu stellen und die auch nicht so festgefahren sind, wie es manchmal hier den Anschein hat. Die Suche nach einer Lösung in Bezug auf die Theater- und Orchesterstruktur gehört allerdings zu denen, wo es nicht voranzugehen scheint. Und hier gewinne ich denn doch schon den Eindruck bei den Aussagen der CDU von der unbefleckten Empfängnis.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS – Zuruf von Kerstin Kassner, PDS)

Meine Damen und Herren, es waren doch die Kolleginnen und Kollegen der CDU unter ihrer Regierung, die die jetzt geltenden Regelungen in die entsprechenden FAGFassungen gebracht haben.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wer war Kultus- ministerin? – Angelika Gramkow, PDS: Und wer war Innenminister? Ha, ha!)

Ach, Herr Riemann! Wer war denn zu der Zeit Innenminister? Wer war zu der Zeit Finanzministerin? Wer war zu der Zeit Ministerpräsident? Alles Positionen, die von der CDU besetzt waren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Finanzministerin war Frau Keler.)

Und ich habe mich schon gewundert, warum denn Frau Schnoor sich so vorsichtig ausgedrückt hat

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

in ihrer Einbringungsrede zur Begründung dieser Aktuellen Stunde. Es war nämlich immerzu die CDU in der zurückliegenden Legislaturperiode, die die Forderungen der damaligen Opposition, die Theaterzuschüsse zu dynamisieren, vehement abgelehnt hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Heidemarie Beyer, SPD – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Also, meine Damen und Herren, Sie haben gesagt, Sie bieten die Diskussion an, wir nehmen sie auf. Scheuen wir uns also nicht davor, diese ununterbrochenen Spardebatten zu durchbrechen und zum Beispiel auch zu sagen, in Bezug auf Theater und Orchester wäre eine solche Spardebatte permanent unproduktiv, weil sie deren Probleme nicht nur nicht lösen hilft, sondern nur noch vermehrt.

Ja, und mein Kollege Herr Dr. Bartels hat ja zu den Fragen des Kulturhaushaltes und zur Notwendigkeit der Dynamisierung bereits etwas gesagt. Wollen wir unser Theaterstandortsystem auf hohem Niveau erhalten, führt zu vielen Fragen kein Weg daran vorbei, diese Fragen auch positiv zu beantworten.

Grundlage für eine Entwicklung der Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern ist aber auch die bisher geführte Diskussion um Theater und Orchester und ihre Strukturen, auch bundesweit. Da wird unter anderem festgestellt, wenn die Theater so weiterbetrieben werden wie bisher, wird der Umfang der Ausgaben weiter steigen. Das sind bundesweit zwischen 35 bis 70 Prozent der Kulturhaushalte der Länder. Unser Land kommt mittlerweile an die zuletzt genannte Prozentzahl heran. Und in zehn Jahren stünde dann die Entscheidung, entweder die Theater zu schließen oder so gut wie keine andere Kultur mehr zu fördern. Sicher ist das zugespitzt formuliert. Wenn man sich aber die Entwicklung der Theaterkosten in den letzten 20 Jahren ansieht, wird man, wenn man jetzt nicht gegensteuert, in eine solche Situation kommen.

Und da greife ich das auf, was der Minister hier gesagt hat: Da muss sich die Kulturpolitik in den Kommunen und im Land überlegen, wie viel und welche Art von Kultur ihr wert ist, auch was an Spielräumen vorhanden ist für neue Kultur, denn neue kulturelle Entwicklungen haben wir immer, diesen ist ebenfalls zu entsprechen. Der soziokulturelle Aufbruch, auch in unserem Land, ist unübersehbar. Und auch die Kolleginnen und Kollegen der Kulturszene in Mecklenburg-Vorpommern machen ihre Ansprüche an das Land deutlich.

Mit der Finanznot der öffentlichen und der kommunalen Haushalte ist offensichtlich geworden, dass sich ab Anfang der 90er Jahre die Kulturinstitutionen, vor allem die großen, in einer strukturellen Krise befinden. Die Theater sind in ihrer heutigen Struktur im 19. Jahrhundert entstanden. Seitdem hat sich strukturell im Grunde genommen nichts geändert. Offenheit in der Diskussion auch über diese Fragen zu erzielen ist nicht von heute auf morgen erreichbar. Der Minister hat über den begonnenen dialogischen Prozess hier bereits gesprochen. Und andere Strukturen auszuprobieren, womöglich dauerhaft zu entwickeln braucht auch Zeit. Nicht übergangen werden kann, dass der größte Teil der Bevölkerung, der zu den TheatergängerInnen gehört, das Theater, wie es heute ist, liebt und beibehalten will. Und das ist sicherlich auch der ernst zu nehmende Hintergrund dafür, dass die Strukturen so lange lebendig erhalten wurden.

Der Minister hat bereits auf die Entscheidung der Kultusministerkonferenz vom 9. Dezember 1999 hingewiesen. Die Frage der Tarifentwicklung im künstlerischen Bereich ist bei sieben Tarifpartnern im Moment natürlich auch nicht ganz einfach zu händeln. Der Beschluss der KMK vom 9. Dezember wirft die Frage eines Einheitstarifvertrages für diesen Bereich erneut auf. Ich möchte aber noch einen Punkt aus diesem Beschluss hervorheben, den ich für wichtig halte, und zwar den Punkt 4. Das ist nämlich das eindeutige Bekenntnis zum Ensembletheater und -orchester. Und ich denke schon, das hat sich aus seiner Überlegenheit gegenüber anderen Betriebsformen ergeben. Ich denke, das ist ein Ausgangspunkt, dem wir entsprechen müssen.

Es geht um neue Spielräume, es geht um die Neugestaltung der Umlandbeziehungen, es geht um mehr

Kooperation der Theater untereinander und es geht auch um die Prüfung der Höhe der Landeszuschüsse. Ich denke, die Frage danach, ob die Haushalte nicht aufgefüllt werden können, ist zulässig. Und ich denke, darüber werden wir gemeinsam mit den Theatern, mit den Kommunen auch künftig zu reden haben.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Danke, Herr Bluhm.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Riemann von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Bretschneider, die Struktur der Theater in Vorpommern – der Kultusminister hat es eben genannt – ist so, wie sie optimal sein könnte. Wo, Frau Bretschneider, sollen wir hier Verbesserungen für die Theaterregion Vorpommern hernehmen?

(Sylvia Bretschneider, SPD: Da machen Sie sich mal einen Kopf!)

Die Vorredner, insbesondere von SPD und PDS, auch der Kultusminister, haben die Leistungen der Theater gelobt. Das ist richtig und das ist wichtig, aber es ist auch wohlfeil.

Und, Herr Friese, Sie sind Bürgermeister einer Gemeinde unweit von Schwerin, Bad Kleinen. Wie viel gibt Bad Kleinen für das Theater in Schwerin? Heute hätten Sie hier einen konkreten Beitrag zur Theaterfinanzierung, für das Modell des Kultusministers leisten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie haben versagt.

(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Gerd Böttger, PDS: Fragen Sie mal Ihre Bür- germeister! – Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Und es ist schon bezeichnend, dass der Kultusminister Vorschläge der Opposition anmahnt.

(Gerd Böttger, PDS: Gadebusch zum Beispiel.)

Wo sind die Vorschläge der Landesregierung? Professor Kauffold als Kapitän des Theaterschiffes „Titanic“ befiehlt: Weiter so!

(Caterina Muth, PDS: Welche Vorschläge haben Sie denn?)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition hat oder wird uns noch wortreich erklären, dass die Theater in Mecklenburg-Vorpommern gut, ausreichend und entsprechend ihrem künstlerischen Anspruch ausgestattet sind.

(Angelika Gramkow, PDS: Das hat sie nicht getan, weder die Landesregierung noch die Fraktionen.)

Ah ja, Frau Gramkow, ich komme gleich zu Ihnen.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)