Um die Notwendigkeit des vorliegenden Antrages noch einmal zu verdeutlichen, möchte ich einige Zitate anführen. Da ist zum einen das Schreiben des Umweltministers Professor Methling an den Bundesverkehrsminister, in dem sinngemäß festgestellt wird: Doch die jüngsten Erfahrungen mit dem Tanker „Erika“ zeigen leider eine fast völlige Hilflosigkeit, wenn Tankerhavarien eingetreten sind. Trotz der eingeleiteten Maßnahmen sind daher zukünftig weitere Anstrengungen, aber auch neue Strategien erforderlich, um die Sicherheit der Schifffahrt zu erhöhen und die von der Schifffahrt ausgehenden Gefahren zu minimieren. – Richtig erkannt, meine ich, Herr Professor, denn gegenüber Tankern mit 1.000 Tonnen Rohöl an Bord auf östlichen Routen der Ostsee unterwegs, also
Oder zum anderen die Aussage des Amtsleiters des Nationalparkes Vorpommersche Boddenlandschaft: Im Katastrophenfall bin ich mit meinen 90 Mitarbeitern völlig machtlos. – Solche Hilferufe, meine Damen und Herren Abgeordnete, dürfen wir nicht überhören.
Glücklicherweise schlägt das Umweltministerium heute bereits andere Töne als im Februar an. Ich weiß, dort ist man nicht weltfremd und folglich auch lernfähig. Was ich allerdings bedaure, ist, dass offensichtlich nur Notsituationen zurückliegender Wochen Sie, meine Damen und Herren, dort zum Umdenken angeregt haben.
Tanker- oder sonstige Katastrophen helfen Medien, den Umsatz zu steigern. Für die Tourismuswirtschaft unseres Landes ist das blankes Gift. Mit Recht haben die Bürger der Küstenregion unseres Landes, zu denen ich mich auch zähle, angesichts der festliegenden „Clement“ und der Ölverschmutzung vor Warnemünde gefordert, dass das leere Gerede der Politiker nun endlich ein Ende haben muss. Dass eine Änderung der Betonnung in der Kadet-Rinne oder ein höfliches Schreiben an den Bundesverkehrsminister dem Bürger nicht ausreichen, ist durchaus verständlich. Schließlich geht es hier um die Existenzgrundlage einer gesamten Region, die im Falle eines Schiffsunglückes stark gefährdet ist.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, von den Folgen eines solchen Schiffsunglücks wären allein an den Küsten unseres Bundeslandes 23 Naturschutzgebiete und immerhin jüngst auch 25 FFH-Gebiete betroffen. Das Szenario und die Bilder der „Erika“ oder der „Exxon Valdez“ haben uns im ausreichenden Maße vor Augen geführt, dass unser Ökosystem gefährdet ist. Dem ökologischen Desaster folgt dann zwangsweise das ökonomische. Tourismus in diesen betroffenen Regionen über Jahre hinweg ist dann einfach nicht mehr machbar. Welche Auswirkungen ein Leckdeck der „Clement“ für Rügen und Hiddensee und die gesamte Ostseeküste gehabt hätte, das möchte ich mir als Rüganer gar nicht vorstellen.
Allein dies sind ausreichend Gründe, um die Augen vor den mit der Schifffahrt in der Ostsee verbundenen Problemen und Herausforderungen nicht weiter zu verschließen und endlich den Worten auch Taten folgen zu lassen.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, vor noch nicht allzu langer Zeiten haben Sie hier im Parlament gegen die Stimmen meiner Fraktion die Meldung der FFH-Gebiete im Eiltempo durchgeboxt.
Über das Engagement, das Ihrerseits bei dieser Meldung der FFH-Gebiete zum Tragen kam, und die Verfahrensweise kann man geteilter Meinung sein, doch würde ich mir ein solches Engagement für den Bereich der Sicherheit im Schiffsverkehr auf der Ostsee ebenfalls wünschen. Hier, wo wir wirklich Pflöcke für den Naturund Umweltschutz einschlagen können, agieren Sie nur halbherzig und versuchen Sie, Ihre Verantwortung an den Bund zu delegieren.
Auch in unserem Land liegt die Verantwortung bei Unfällen außerhalb der deutschen Küstengewässer und innerhalb der deutschen Hoheitsgewässer beim Bund.
Die Verantwortung für die Gefahrenabwehr gegenüber der Umwelt liegt allerdings bei den zuständigen Landesbehörden. Allein diese Tatsache führt im Ernstfall zu Irritationen. Oder kennen Sie, meine Damen und Herren, den Fall einer Schiffshavarie, bei dem die Umwelt nicht gefährdet wäre? Dass dies nicht rechtskonform ist, stellte das Bundesverwaltungsgericht bereits 1990 heraus, indem es darauf verwies: „Sobald Wasser… verunreinigt ist, greift für die zur Beseitigung der Verunreinigung zu treffenden hoheitlichen Maßnahmen die wasserpolizeiliche Zuständigkeit des jeweiligen Landes ein.“ Denn die Gewässerreinhaltung, der Katastrophenschutz und die Sorge für die allgemeine Sicherheit und Ordnung sowie die Fischereiaufsicht sind Aufgaben des jeweiligen Landes. Spätestens hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird die Vielfalt der Zuständigkeiten und Aufgaben im föderativen System deutlich.
Auf die komplizierte Rechtslage zur Regelung der Zuständigkeiten möchte ich hier nicht weiter eingehen. Mein Kollege Thomas wird das im Rahmen der Debatte sicher tun. Eines bleibt aber deutlich herauszustellen, dass die Landesregierung sich ihrer Verantwortung nicht entziehen kann und darf. Prophylaxe im Interesse von Natur und Umwelt, Mensch und Wirtschaft vor Schaden zu praktizieren ist wichtiger als Heilung mit Millionen nach eingetretenem Schaden. Eine Erkenntnis, die sicher auch von der Koalition getragen und begriffen wird.
Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit dem vorliegenden Antrag hat meine Fraktion einen Vorschlag unterbreitet, wie man dem Problem Sicherheitskonzept Ostsee Lösungsansätze gegenüberstellen kann. Keiner wird von sich behaupten, allwissend zu sein. Deshalb schlägt die Fraktion vor, den Antrag federführend in den Innenausschuss sowie mitberatend in den Umwelt-, Wirtschafts- und Tourismusausschuss zu überweisen. Im Interesse praktizierter Lösungsansätze fordere ich Sie auf und bitte Sie zugleich, meinem Antrag zuzustimmen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Problematik der Bekämpfung von Meeresverschmutzungen wird nun bereits zum dritten Mal innerhalb eines Vierteljahres in diesem Hause thematisiert. Dagegen wurde in den vergangenen neun Jahren nicht ein einziges Mal über Sicherheitsbelange unserer Küstengewässer beraten, obwohl es auch damals schon zu Schiffshavarien kam.
man könnte fast vermuten, dass seit oder gar durch die Übernahme des Amtes durch den PDS-Umweltminister
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Peter Ritter, PDS: Die Kapitäne sind unsi- cher geworden, seitdem du am Ruder bist.)
In Wahrheit ist es aber so, dass ich diesen Zustand der teilweise mangelhaften Verkehrs- und Schiffssicherheit – wir haben ja hier bereits darüber gesprochen – sowie mangelhaften Havariebekämpfungskapazitäten, der permanent von der CDU kritisiert wird, von ihr genau so übernommen habe, einschließlich einer nicht vom Parlament bestätigten Bund-Länder-Vereinbarung
Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns allen haben die Havarie der „Pallas“ und die Strandung der „Clement“ in der Kadet-Rinne vor Augen geführt, wie gefährdet auch unsere Küste sein kann. Wir sind uns in der Bewertung dieser Gefährdung völlig einig, Herr Brauer. Allerdings ist das noch lange kein Grund, mit diesem Thema die Öffentlichkeit stets zu beunruhigen, um sich mit angeblich besseren Konzepten zu profilieren.
Ich möchte, bevor ich auf die Antragspunkte der CDUFraktion im Einzelnen eingehe, einmal konkret die Gefährdung von Ostsee und Nordsee gegenüberstellen. Tatsache ist, dass es seit 1981 bis heute in der Ostsee nur eine einzige Schiffshavarie mit Ölaustritt gegeben hat. Zum Glück! Das war im Jahr 1993, als südlich von Langeland 60 Tonnen Rohöl ausgetreten sind. Demgegenüber wurden allein bis 1993 an der Nordseeküste 38 solcher Unfälle registriert, weitere folgten, ohne dass mir dazu eine genaue Statistik bekannt ist. Aber uns ist in deutlicher Erinnerung die „Pallas“-Havarie, die uns so lange und mit solchen Folgen beschäftigt hat.
Auf jeden Fall ist dadurch, angesichts dieser Häufung und dieser Einschätzung des Gefährdungspotentials, das Land Mecklenburg-Vorpommern nur mit 8,5 Prozent an den Kosten der Bund-Länder-Vereinbarung beteiligt, denn bei den Verhandlungen zum Bund-Länder-Abkommen, die, wie mir berichtet wurde, ziemlich mühselig waren, bildete das Gefahrenpotential die Basis für den Kostenschlüssel.
Wie in Anbetracht der gerade genannten Zahlen Herr Thomas zu der von ihm in die Welt gesetzten Erkenntnis gekommen ist, dass sich in der Ostsee statistisch alle sechs Jahre ein Seeunfall mit Austritt von mehreren hundert Tonnen Öl ereignet, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Eine realistische Gefahrenabschätzung gibt es in einer Broschüre vom Umweltbundesamt und der Sonderstelle „Ölunfälle See/Küste“. Ich zitiere aus dieser Broschüre: „Für die der deutschen Küste vorgelagerten Teile der Ostsee ist etwa alle 15 Jahre mit einem Ölunfall in der Größenordnung von einigen hundert Tonnen zu rechnen. Ein Unfall in der Größenordnung von einigen tausend Tonnen ist etwa alle 85 Jahre zu erwarten.“ Leider, Herr Thomas, ist es bei Ihrer Hochrechnung so wie mit vielen anderen Fakten: Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert.
Ich hoffe trotzdem, dass die richtigen Zahlen die Öffentlichkeit erreichen werden, um eine realistische Aufklärung herbeizuführen.
Ich will keineswegs die potentiellen Gefährdungen negieren – und ich glaube, ich habe dieses auch nie getan –, aber die Verhältnismäßigkeit muss schon gewahrt bleiben. Deshalb halte ich es auch nicht für sonderlich zielführend, ein isoliertes – darum geht es Ihnen ja – Sicherheitskonzept für die Ostsee zu fordern, möglichst noch ein isoliertes Konzept des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Es sollte vernünftigerweise ein Sicherheitskonzept für die gesamte deutsche Küste geben, in dem die besonderen Belange der Ostsee auch besonders berücksichtigt werden. Darüber werde ich demnächst mit meinem Kollegen Müller aus Schleswig-Holstein, aber auch mit anderen Ministerkollegen der Ostseeanrainerstaaten verhandeln. Man kann und muss doch ganz ehrlich zugeben, und ich glaube, auch in diesem Hause muss man das zugeben, dass Mecklenburg-Vorpommern mit einer separaten Lösung für die Ostsee völlig überfordert wäre. SchleswigHolstein wäre bei einem isolierten Sicherheitskonzept Ostsee dann übrigens für Nordsee und Ostsee gleichermaßen zuständig und somit doppelt belastet.
Auf jeden Fall sollte das Parlament die Arbeitsergebnisse der Beratungsgruppen des Bundesverkehrsministeriums in Auswertung des Grobecker-Berichtes abwarten, bevor es sich mit Beschlüssen bindet.
Wenn dann von der CDU noch zusätzlich eine europaweite zentrale Küstenwache gefordert wird, führt sie ihren Antrag selbst ad absurdum. Sie haben das allerdings etwas abgeschwächt, indem es jetzt bei Ihnen keine Forderung mehr ist, sondern nur noch in der Begründung Ihres Antrages eine Rolle spielt,
Erstens. Voranstellen möchte ich, dass die Antragsteller offensichtlich – und das war ja bisher auch schon meine Erkenntnis in allen Phasen – den Bericht der unabhängigen Expertenkommission zur Havarie der „Pallas“, die als Grobecker-Kommission benannt wird, gut gelesen haben. Im Ergebnis sind sie von einigen ihrer Forderungen aus der Februardebatte ein gutes Stück abgerückt. Von einer erforderlichen Grundgesetzänderung oder der Einbeziehung der Wasserschutzpolizei in die Küstenwache ist in dem Antrag jetzt keine Rede mehr. So weit scheint ja ein gewisser Realitätssinn dazugekommen zu sein.
Die Grobecker-Kommission fordert in diesem Zusammenhang lediglich eine Straffung der Bundesbehörden bei der Bekämpfung von Meeresverschmutzungen.
Danach sollen in der zu bildenden Seewache Aufgaben von Bundesgrenzschutz, Zoll, Fischereiaufsicht sowie Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zusammengefasst werden. Die Marine und die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger sollen in das zu bildende Havariekommando integriert werden.