Meine Damen und Herren! Die häusliche Krankenpflege, wie sie speziell nach Paragraph 37 SGB V geregelt ist, ist vor allen Dingen zur Vermeidung, Verhinderung und Verkürzung von Krankenhausaufenthalten gedacht. Insbesondere der Grundsatz „ambulant vor stationär“ scheint durch die zwingende Anwendung der Richtlinien gefährdet.
Bei der häuslichen Krankenpflege als solche handelt es sich um eine krankheitsbezogene Grundpflege unter Berücksichtigung erkrankungsspezifischer Besonderheiten plus Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege, wie auch der hauswirtschaftlichen Versorgung. Davon strikt zu unterscheiden sind die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, die nicht erkrankungsbedingte Hilfebedarfe bei der Grundverrichtung des täglichen Lebens von mindestens 90 Minuten je Tag voraussetzen und sich auf Maßnahmen wie Körperpflege, Betten, Reinigen, Einkaufen und Begleitung zum Arzt beschränken. Das Grundproblem der Neuregelung in der Verordnung zur häuslichen Krankenpflege ist, dass Leistungen der Krankenhilfe nicht mehr uneingeschränkt gewährt werden beziehungsweise über die Pflegeversicherung erbracht werden müssen.
Meine Damen und Herren, mit der neuen Richtlinie ist die Einführung einer so genannten Genehmigung durch die Krankenkassen für Leistungen der Krankenbehandlung vorgesehen, wonach künftig nicht mehr der Arzt anhand der Erkrankung des Patienten allein über die häusliche Krankenpflege entscheidet, sondern die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege genehmigen, einschränken oder sogar ablehnen kann. Die Verordnung häuslicher Krankenpflege ist somit in Zukunft von einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand begleitet, kostet Zeit für die zu Pflegenden und verursacht darüber hinaus noch erhebliche Verwaltungskosten.
Schwer ins Gewicht fällt, dass die Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege nunmehr abschließend katalogisiert werden und keinerlei Flexibilisierungs- und Anpassungsmöglichkeiten mehr gestatten. Hierfür möchte ich zwei Beispiele nennen: Es fällt auf, dass einmal Maßnahmen der krankheitsbegleitenden Diagnostik und Therapie nicht mehr von Pflegefachkräften durchgeführt werden sollen. Es fällt weiterhin auf, dass neue ärztliche Verordnungen innerhalb von drei Tagen vor Ende einer laufenden Verordnung ausgestellt werden müssen. Was soll zum Beispiel an Wochenenden geschehen? Diese Regelungen sind in hohem Maße patientenunfreundlich.
Weiterhin werden neuerdings Leistungen der Grundkrankenpflege aus der häuslichen Krankenpflege mit Leistungen der Pflegeversicherung unzulässig vermengt. Ich nenne nur ein paar Beispiele, die insbesondere verdeutlichen, warum Patienten, Pflegebedürftige, Hausärzte nicht unerhebliche Kritik an den erlassenen Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege üben. Die Kontrolle und Bewertung der Kreislaufsituation, zum Beispiel bei Patienten mit Bluthochdruck und Schlaganfällen, bei Nierenerkrankungen oder Tumoren, soll nur noch sieben Tage ohne gesonderte Zusatzbeantragung mit Extra-Begründung durchgeführt werden. Am krassesten ist das Beispiel der Kontrolle und Bewertung des Blutzuckers bei Diabetikern, die zukünftig nur noch auf maximal vier Wochen beschränkt wird.
Meine Damen und Herren! Es fehlen auch Übergangsregelungen und Anpassungsmaßnahmen für chronisch Kranke. Diese sind nicht vorgesehen. Das heißt zum Beispiel, dass Krebskranke keine Infusionen in der häuslichen Krankenpflege erhalten können. Entweder muss der Arzt jeden Tag kommen oder der Kranke muss ins Krankenhaus gehen. Arztbesuch und Krankenhausaufenthalt sind – und das ist allgemein bekannt – teuerer als Pflegedienste.
Meine Damen und Herren! Es besteht im Fall der Neuregelung der häuslichen Krankenpflege die nicht unerhebliche Begründung und Vermutung, dass die in der Versorgung der auf häusliche Krankenpflege angewiesenen Patienten in Mecklenburg-Vorpommern ein nicht unerhebliches Versorgungsdefizit zu erwarten haben. Dieses Versorgungsdefizit kann dann nur durch die Patienten selbst, das heißt durch eigene Finanzierung ausgeglichen werden oder auf dem Rücken der Pflegedienste, die die bisherigen Leistungen dann weiter gewähren, dann allerdings entweder kostenlos oder durch besondere Vereinbarungen mit den Patienten.
Meine Damen und Herren! Durch die Neuregelung der häuslichen Krankenpflege verschlechtern sich für die zu Pflegenden die Pflegeleistungen und am Ende werden die Betroffenen dafür noch selbst zu Kasse gebeten, weil die Kosten für notwendige Mehrleistungen bei ihnen hängen bleiben. Die Folge davon ist, dass sich die Patienten in vielen Fällen lieber im Krankenhaus als zu Hause versorgen lassen werden. So verursachen die kurzfristigen Einsparungen längerfristige Folgekosten in Millionenhöhe. Wo bleibt der immer postulierte Grundsatz „ambulant vor stationär“?
Meine Damen und Herren! Daher der vorliegende Antrag. Er soll über die gegenwärtige Situation und über die zu erwartende Entwicklung nach In-Kraft-Treten der Neuregelung der häuslichen Krankenpflege in Mecklenburg-Vorpommern informieren. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Offensichtlich gibt es dazu keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von den Pflegeverbänden und insbesondere vom Hausärzteverband BDA heftig kritisierten Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege sind seit dem 15. Mai dieses Jahres in Kraft, also seit genau zehn Tagen. Somit kann ich als Sozialministerin einen Bericht über die Versorgungssituation der Patientinnen und Patienten nach dem In-Kraft-Treten, wie von der CDU-Fraktion gefordert, frühestens nach einem Jahr geben. Dennoch möchte ich schon heute die Gelegenheit nutzen, der Verunsicherung der Patientinnen und Patienten durch Leistungserbringer, die angeblich uneigennützig erfolgt, entgegenzutreten.
Die Kostenträger, also die Krankenkassen, diskutieren zurzeit in ihren Gremien, wie die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen und vom Bundesministerium für Gesundheit nicht beanstandeten Richtlinien detailliert umgesetzt werden sollen und wie diese Richtlinien in den bundeseinheitlichen gemeinsamen Rahmenempfehlungen Berücksichtigung finden. Entscheidenden Einfluss auf die Versorgungssituation wird neben der noch nicht vorliegenden Bundesempfehlung die auf Landesebene zu modifizierende Vereinbarung über Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege haben.
Die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege – und dagegen richten sich die Hauptkritikpunkte – dienen dem Ziel der Sicherung der ärztlichen Behandlung. Diese Leistungen sind also Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, deren Erbringung der behandelnde Arzt entweder durch Verordnung auf Pflegedienste übertragen oder durch von ihm beauftragte und entsprechend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Praxis erbringen lassen kann.
Von der Leistungserbringung der medizinischen Behandlungspflege durch qualifiziertes angestelltes Praxispersonal wird in Mecklenburg-Vorpommern leider kaum Gebrauch gemacht. Nachdenklich stimmt mich die Zunahme der Leistungserbringer, für die es keine Bedarfszulassung gibt, vor allem, wenn ich mir die Ausgabenentwicklung im Bereich der häuslichen Krankenpflege ansehe. So stieg die Anzahl der Pflegedienste von 130 im Jahre 1995 auf 241 im Jahre 1999, also um gut 85 Prozent. Die Anzahl der Sozialstationen hingegen stieg im gleichen Zeitraum um ganze 5 Prozent. Damit einher ging ein Anstieg der Ausgaben der AOK Mecklenburg-Vorpommern je Mitglied um 50 Prozent 1999 gegenüber 1996. Im Vergleich zu den AOK der anderen neuen Länder lagen wir 1999 damit 53 Prozent über dem Durchschnitt, und das, obwohl wir noch das jüngste Land sind mit dem geringsten Anteil an Bevölkerung über 65 Jahren.
Eine Erhöhung der Anzahl der Leistungsanbieter zieht in der Regel eine erhöhte Leistungsnachfrage nach sich. Ob allerdings diese Leistungsnachfrage tatsächlich medizinisch notwendig und in jedem Fall begründbar ist, muss schon gefragt werden dürfen. Vor diesem Hintergrund halte ich die jetzt verabschiedeten Richtlinien grundsätzlich für notwendig und sinnvoll. Ob das jeweils im Einzelfall so ist, sei noch dahingestellt.
Lassen Sie mich aus dieser Sicht einige Hinweise geben. Wichtig ist das, weil ich feststellen muss, dass viele Kritiken Punkte der Richtlinie falsch darstellen oder zum Teil uminterpretieren. Lassen Sie mich ein paar Beispiele bringen.
In einigen Fällen wird es künftig keine Verordnungen von medizinischer Behandlungspflege mehr geben. Diese waren dann allerdings auch vor Verabschiedung der Richtlinien nicht zweckmäßig, wirtschaftlich und medizinisch notwendig und deshalb nicht verordnungsfähig. Deshalb hat es ja den Trabbel ständig gegeben.
Aussagen zur Dauer der Verordnungen und zur Häufigkeit der Verrichtungen sind in der Richtlinie gemacht, aber als Empfehlung für den Regelfall, von dem in begründeten Fällen abgewichen werden kann. In Presseinformationen wird häufig fälschlicherweise berichtet, dass generell eine bestimmte Verordnungsdauer und Häufigkeit der Verrichtungen verbindlich festgelegt wurde. Dem ist nicht so.
In der Richtlinie ist auch erwähnt, dass bei der Verordnungsdauer und -häufigkeit wegen der unterschiedlichen Krankheitsursachen unterschiedliche Verordnungsdauern zu bedenken sind. Wenn wir vom Solidarprinzip in der Krankenversicherung reden, muss es eigentlich selbstverständlich sein, dass Leistungen nicht verordnet werden, die selbst erbracht werden können oder durch eine im Haushalt des Patienten oder der Patientin lebende Person in erforderlichem Umfange durchgeführt werden können. Wenn das nicht der Fall ist, sollten sie natürlich verordnet werden.
Gleichzeitig sehen die Richtlinien als neue Leistungen Anleitungsverordnungen vor. Dies betrifft die Bereiche der Grundpflege und der Behandlungspflege in der Häuslichkeit mit dem Ziel der Selbstdurchführung, zum Beispiel selbständige Blutzuckerkontrolle, oder zur Vermeidung von Komplikationen. Damit werden Eigenständigkeit und Eigenverantwortung gefördert. Interessanterweise ist davon immer nur die Rede, wenn es um generelle Prozesse geht. Da stehen diese Begriffe hoch im Ansehen, auch bei der Opposition. Aber bei diesen konkreten Sachen, wo man sie ganz gezielt anwendet oder sagt, wenn es nicht möglich ist, dann ist die Verordnung durchaus angezeigt, darf das plötzlich nicht mehr gelten. Das ist eine Logik, die ich nicht ganz verstehe.
Insgesamt kann ich zum jetzigen Zeitpunkt einer Verschlechterung der Versorgungssituation der Patientinnen und Patienten in Mecklenburg-Vorpommern nicht das Wort reden. Ich appelliere an die Leistungserbringer und Kostenträger, bei den Verhandlungen über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege unter Berücksichtigung der Bundesrichtlinien die Dauer der Verordnungen und die Häufigkeit der Verrichtungen in begründeten Fällen der Abweichung detailliert zu vereinbaren.
Dann fällt nämlich all das weg, was Sie gesagt haben, Herr König, dass ein Haufen Bürokratie entsteht. Hier ist etwas vorgeschaltet, was Sie einfach ausblenden. Sie tun so, als würden diese Richtlinien jetzt pur angewendet. Hier kommen noch zwei Prozesse dazwischen. Gewöhnen Sie sich einmal daran, das, was hier ordnungspolitisch einfach noch alles zu geschehen hat, zu beachten, und kalkulieren Sie dieses mit ein, ehe Sie verunsichern!
Also wenn das alles gemacht wird, sind zum einen die Verunsicherungen bei den Patientinnen und Patienten und auch bürokratischer Aufwand zu vermeiden, meine ich.
Selbstverständlich ist, dass ich die Umsetzung der Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege aufmerksam begleite. Und ich hoffe, Sie haben sich die Zahlen recht deutlich angehört, die ich hier genannt habe, denn auch in diesem Bereich, das sage ich hier so hart, gibt es eine Lobby. Wir sollten wirklich versuchen zu sortieren, was ist das berechtigte Interesse der Versicherten, der Patientinnen und Patienten, was garantiert werden muss, und wo sind die Interessen der Leistungserbringer. Schauen Sie sich bitte die Zahlen an!
Hier findet auch ein Konkurrenzkampf – zum Teil auch zu Lasten der Patienten – statt, in dem sie verunsichert werden.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Arthur König, CDU: Na das warten wir erst einmal ab!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Häusliche Krankenpflege – ein Thema, das seit einigen Wochen in den Medien ist.
Durch die Verabschiedung der Richtlinien und den eben vorgetragenen Äußerungen von Frau Bunge reizt es mich doch, zumindest zwei, drei Dinge noch einmal klarzustellen.
Frau Bunge, wenn ich Sie daran erinnern darf, unter Herrn Blüm wurde die Pflegeversicherung 1995 eingeführt mit dem Ziel, den Menschen, die häusliche Pflege brauchen und ambulante Pflege erhalten müssen, ein lebenswertes Leben auch hier in Mecklenburg-Vorpommern zu gestatten. Es ist natürlich völlig richtig, dass dazu auch ambulante private Pflegedienste an den Markt müssen. Hier zu sagen, dass die Sozialstationen sich kaum, aber die privaten Pflegedienste sich zu über 100 Prozent erweitert haben, ist doch völlig logisch. Damals, 1995, hatten wir eine Unterversorgung. Und ich will Sie daran erinnern, Ihre eigene Politik geht in die Richtung „ambulant vor stationär“. Mir scheint da einiges bei Ihnen nicht mehr ganz richtig zu sein. Ich habe den Eindruck, als wenn Sie so langsam zurückrudern
und all die Dinge, die eigentlich von Ihnen selbst propagiert worden sind, zurückdrehen. Ich sage noch einmal: Die Pflegeversicherung war ein Glücksfall und über die häusliche Krankenpflege muss intensiv geredet werden.
(Dr. Martina Bunge, PDS: Es geht hier um die Leistungen der Krankenversicherungen. Vielleicht wissen Sie, worüber Sie reden.)
Es ist ja nicht so, dass alle glücklich sind. Sie wissen doch auch, dass wir insgesamt sparen müssen. Das propagieren Sie, das sagen wir. Die Frage ist nur, wann, wie und wo gespart werden muss. Fakt ist eines: Durch die
jetzigen Kürzungen werden die Krankenkassen etwa 16 Millionen DM sparen. Das sagen zumindest die Leute, die auch Leistungserbringer sind. Die werden eben auch gespart bei Krebspatienten. Da fragt man sich natürlich, ob das der richtige Ansatz ist.
Ich gebe Ihnen Recht, insgesamt ist eine Diskussion ausgebrochen, die einmal auf der einen Seite die medizinische Behandlungspflege und auf der anderen Seite die häusliche Pflege definiert. Es gibt dort immer Abgrenzungsdiskussionen – das ist ganz normal – aus dem Berufsbild heraus.
Diese Diskussion wird letzten Endes vom vorhandenen Geld bestimmt. Das ist einfach so, jedenfalls wenn wir zueinander ehrlich sind.
Meine Damen und Herren! Ich will einen wichtigen Aspekt noch einmal hervorheben. Wir müssen uns darum kümmern, dass die fachpsychiatrische Krankenpflege in ein richtiges Verhältnis hier in Mecklenburg-Vorpommern gesetzt wird. Ich will auch darauf hinweisen, dass wir letzten Endes ein Lohnabstandsgebot zwischen den alten und neuen Ländern zementieren. Durch die Reduzierung wird die Schere noch größer. Die Verdienstmöglichkeiten der in der ambulanten Pflege Tätigen werden beschnitten und sie kommen auf ein Niveau, das eigentlich bei 30 Prozent im Verhältnis zum Westniveau liegt. Ich weiß nicht, ob wir das und ob Sie das auf Dauer als PDS-Ministerin durchhalten wollen, denn im Prinzip haben Sie jetzt ja gerade erklärt, dass das alles, was hier gesagt worden ist, in Ordnung ist.