Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst bemerke ich wieder einmal mit Verwunderung, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU hier mit hochrotem Kopf Beiträge ablässt und dann aus dem Raum verschwindet, wenn es in die Diskussion geht.
Herr Riemann, diese Äußerung weise ich zurück. Wir bewerten hier Diskussionsbeiträge der Mitkollegen nicht in dieser Weise.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für mich stellt die Alterssicherung der Frauen einen Schwerpunkt der Rentenfrage dar. Ein System der eigenständigen Alterssicherung der Frauen, denke ich, ist ein Gebot der Zeit. Und die meist niedrigen Anwartschaften von Frauen auf Altersvorsorge im Verhältnis zu den Anwartschaften von Männern sind vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen, nämlich einmal auf die Lücken in der Versicherungsbiographie von Frauen durch Kindererziehung
und zweitens auf die geringere Entlohnung für Frauen, die zusätzlich gemindert wird durch Teilzeitbeschäftigung in der Kindererziehungsphase.
Hier muss gegengesteuert und die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nach einer möglichst kurzen Unterbrechung der Erwerbstätigkeit gezielt gefördert werden. Dies soll insbesondere durch das Programm der Bundesregierung „Frau und Beruf“ erreicht werden. Außerdem ist es sinnvoll, das Zusammentreffen von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit zu fördern, also die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und hier vor allem die Teilzeitbeschäftigung in ihren rentenrechtlichen Auswirkungen zu begünstigen.
Nichtsdestotrotz werden solche Förderungsmaßnahmen die rentenrechtlichen Auswirkungen der ungleichen Versicherungsbiographien von Männern und Frauen nur mildern, aber nicht beseitigen können.
Das erste Reformelement in diesem Zusammenhang ist die Höherbewertung bei der Rentenberechnung für Frauen mit Kindern. Niedrige Entgelte während der Zeit von der Geburt des ersten Kindes bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres des jüngsten Kindes, die so genannte Kinderberücksichtigungszeit, werden nach rentenrechtlichen Grundsätzen entsprechend der Mindesteinkommen aufgewertet. Dabei werden die individuellen Entgelte um 50 Prozent auf maximal 100 Prozent des Durchschnittseinkommens erhöht, wenn die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt ist. Das ist heute zunehmend der Fall, weil Kinderberücksichtigungszeiten auf die Wartezeit angerechnet werden. Diese Regelung kommt auch Alleinerziehenden zugute, die von den bisherigen Regelungen der Rente nach Mindesteinkommen vielfach nicht begünstigt wurden, weil sie gezwungen sind, einer Vollbeschäftigung nachzugehen.
Für die Frauen, die wegen gleichzeitiger Erziehung von zwei oder mehr Kindern nicht erwerbstätig sein können, wird eine gleichwertige Ausgleichsmaßnahme eingeführt.
Und an der Stelle, meine Damen und Herren, noch einmal – insbesondere für die Damen und Herren der CDU – ein Beispiel mit aktuellem Rentenwert ab 1. Juli 2000: eine allein erziehende Frau mit einem Kind, ab dem 4. Lebens
jahr des Kindes vollzeitig erwerbstätig, mit einem Verdienst in Höhe des Durchschnittseinkommens von Frauen. Dies entspricht 70 Prozent des gemeinsamen Durchschnittseinkommens für Männer und Frauen. Als Kinderberücksichtigungszeiten werden zehn Jahre anerkannt. Davon sind drei Jahre durch die Kindererziehungszeitenregelung begünstigt. Zusätzlich zu den drei Entgeltpunkten für die anzurechnende Kindererziehungszeit – also dreimal 48,58 DM, macht 145,74 DM – wird die Versicherungsrente dieser Frau wie folgt angehoben: sieben Jahre Aufwertung von 70 Prozent auf 100 Prozent des Durchschnittseinkommens. Das macht siebenmal 0,3 Entgeltpunkte, also gleich 2,1 Entgeltpunkte mal 48,58 DM, und wir kommen damit auf einen 102,02 DM höheren monatlichen Rentenertrag.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Margret Seemann, SPD: Das sollten Sie mal zur Kenntnis nehmen! – Unruhe bei Harry Glawe, CDU)
Also das sollten Sie vielleicht zukünftig dann auch im Blick behalten, meine Damen und Herren von der CDU.
Das auf die eigenständige Alterssicherung von Frauen angelegte Rentenmodell kommt aber ohne Hinterbliebenenkomponete nicht aus. Das galt auch schon für das bisher favorisierte Optionenmodell, dessen Unterhaltsersatzvariante besonders im Bereich von mittleren Einkünften für die Ehegatten regelmäßig günstiger war als das Partnerschaftsmodell, wenn beide Ehegatten erwerbstätig waren. Zwar war das Partnerschaftsmodell durchaus geeignet, eine partnerschaftliche Teilung der in der Ehe erworbenen Anwartschaften beider Ehegatten herbeizuführen, aber insgesamt hatte das Optionenmodell einen erheblichen Nachteil: Derjenige, der eine Option hätte wählen können, hätte sich dabei vor allem am Günstigkeitsprinzip orientiert.
Meine Damen und Herren von der CDU, das Partnerschaftsmodell ist nach meinen Informationen noch nicht ganz vom Tisch. Und wenn Sie es mit Ihrer lautstark verkündeten Familienförderung ernst meinen, dann machen Sie eine Zustimmung im Bundesrat nicht davon abhängig, dass dieses Modell gänzlich in der Schublade verschwindet.
Frau Bretschneider, ich habe Sie vorhin so verstanden, dass Sie gerne noch mal reden wollen. Ist das der Fall?
Dann erteile ich Ihnen jetzt noch einmal das Wort. Da Ihre fünf Minuten rum sind, haben Sie noch einmal drei Minuten Zeit.
Meine Damen und Herren! Das Umlageverfahren hat für Frauen einen gewichtigen Vorteil: Sie leben länger als Männer und beziehen somit auch länger Leistungen. Frauen erhalten in aller Regel erheblich höhere Hinterbliebenenrenten und damit sogar ohne eigene Beitragsleistungen. Dies fällt in der kapitalgedeckten Alterssicherung
zunächst weg. Noch mehr, das höhere Lebensrisiko der Frauen könnten private Versicherer natürlich auch durch höhere Beiträge für Frauen abdecken wie in der privaten Krankenversicherung. Umso mehr ist in der gesetzlichen Rentenversicherung die Alterssicherung für Frauen reformbedürftig. Eine alleinige Abhängigkeit von der Witwenrente aus Versicherungen des verstorbenen Mannes birgt unter Umständen die Gefahr der Altersarmut in sich,
auch wenn dies momentan in Ostdeutschland aufgrund der Versicherungsbiographien von Frauen noch kein großes Problem ist. Es wird aber für zukünftige Rentner ein Problem werden.
Reformbedarf besteht ebenso für die Anwartschaften aus Zeiten der Nichterwerbstätigkeit. Hier muss – und das betrifft natürlich Frauen und Männer gleichermaßen – auf die Tatsache vermehrt unterbrochener Erwerbsbiographien und untypischer Beschäftigungsverhältnisse reagiert werden.
Auf die besonderen Probleme der zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen und das Konzept einer bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Vorbeugung von Altersarmut sei in diesem Zusammenhang nur hingewiesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat ihr Konzept zur Modernisierung der Alterssicherung vorgelegt. Noch sind alle Möglichkeiten offen, zu einem parteiübergreifenden Konsens zu kommen.
Deswegen hoffe ich auch, dass sich die CDU nicht aus den Konsensgesprächen zurückziehen wird, um eine neue Blockadepolitik à la Stoiber zu inszenieren.
Also, meine Damen und Herren von der CDU, nutzen Sie diese Chance! Machtkämpfe sind dabei nur hinderlich, wie sie augenscheinlich zwischen Frau Merkel und Herrn Stoiber bestehen. Die Bevölkerung wird es nicht verstehen, wenn wir hier ein Parteiengezänk auf dem Rücken der Rentner und Beitragszahler aufmachen, statt konstruktiv nach Lösungen zu suchen. Zudem ist Ihnen die SPD schon sehr entgegengekommen
Einer populistisch begründeten Blockade bei einer die Zukunft unserer Nation sichernden Rentenreform darf nach meinem Dafürhalten nicht nachgegeben werden. Ich appelliere hier an alle Abgeordneten, das Thema Rente nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen zu missbrauchen.