Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Und übrigens, Herr Koplin von der PDS – schreiben Sie sich das bitte hinter Ihre großen Ohren! –,

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

jemandem wie Ihnen steht es mit Sicherheit nicht zu,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das lassen Sie mal schön sein, Frau Bretschneider!)

von anderen Mut zu fordern. – Ich danke Ihnen.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Der Herr Koplin ist der gleiche Abgeordnete wie Sie Abgeordnete sind. Also diese Art und Weise gefällt uns gar nicht. – Angelika Gramkow, PDS: Das ist eine Frechheit!)

Frau Abgeordnete, diese Ausdrücke sind nicht üblich im Parlament und ich bitte sie künftig zu vermeiden.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das war eine Frechheit!)

Ich schließe die Aussprache. Die beschlossene Redezeit ist beendet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und PDS – Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 3/1133, und des Änderungsantrages der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1178, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses auf Drucksache 3/1349.

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und PDS: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (4. ÄndG KV M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 3/1133 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 3/1178 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 3/1349 –

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit und bitte die Abgeordneten sich hinzusetzen, die hier vorne rumstehen. Es lässt sich hier nicht vernünftig verhandeln. Herr Friese, bitte, Ihr Platz ist, glaube ich, woanders, Sie müssen nicht hier vorne stehen.

(Angelika Gramkow, PDS: Herr Friese, Sie sollen sich hinsetzen.)

Es ist auf diese Weise nicht vernünftig eine Landtagssitzung zu führen. Und wenn Sie dies nicht akzeptieren, dann habe ich noch andere Mittel. Ich bitte Platz zu nehmen.

Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Müller von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Müller.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir vollziehen heute den letzten Teil des gesetzgeberischen Aktes, das Konnexitätsprinzip in unserem Lande rechtlich zu verankern. Und dieser letzte Teil ist weiß Gott nicht der wichtigste Teil, denn den wichtigsten Teil haben wir längst hinter uns gebracht, als wir das Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung festgeschrieben haben.

Ich glaube, dass wir dieses getan haben, war für unser Land und war vor allen Dingen für die kommunale Ebene von enormer politischer und rechtlicher Bedeutung. Und ich glaube, diese Bedeutung kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Ich gehöre zu den wenigen, Herr Kollege Jäger, Frau Kollegin Schulz waren auch dabei, die etwa im Landesausschuss des Städte- und Gemeindetages anwesend waren. Und wer gehört hat, wie von den Kommunen hier ausdrücklich diese Tatsache gewürdigt wird, dass wir das Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung festgeschrieben haben, der weiß, dass wir hier etwas sehr Richtiges, etwas sehr Sinnvolles und etwas sehr Zukunftsweisendes getan haben.

Heute nun, meine Damen und Herren, müssen wir uns der Aufgabe stellen, die da in der Landesverfassung formuliert wird: „Das Nähere regelt das Gesetz.“ Wir sind nun dabei, das Nähere zu regeln. Aber selbst bevor wir dies getan haben, entfaltet die Tatsache, dass das Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung festgeschrieben ist, positive Wirkungen. Wenn ich mir zum Beispiel ansehe, mit welcher Ruhe, mit welcher Gelassenheit und mit welcher Selbstverständlichkeit heute zwischen der Landesregierung – konkret dem Sozialministerium – und der kommunalen Ebene über Fragen der zukünftigen Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Sozialhilfe gesprochen wird, dann führe ich dies maßgeblich darauf zurück, dass auf Seiten der kommunalen Ebene keine Angst mehr zu herrschen braucht, man wolle sie über den Tisch ziehen, sondern dass wir hier das Verhältnis zwischen Land und Kommunen vernünftig grundlegend geregelt haben und deswegen in solche sinnvollen Gespräche eintreten können.

(Heike Lorenz, PDS: Und weil wir natürlich eine gute Sozialministerin haben, Herr Müller.)

Ich möchte hier der Sozialministerin gleichfalls mein Kompliment machen, dass sie diese Gespräche auf die Schiene gebracht hat. Ich glaube, dass das etwas sehr Wichtiges ist, weil ich davon überzeugt bin, dass wir diese Aufgabe und eine Reihe von weiteren Aufgaben sehr wohl nach unten verlagern können, dass wir eben nicht alles zentralstaatlich regeln müssen, sondern dass dies regionale und kommunale Verwaltungen sehr gut können.

Ein zweiter Punkt, wo ich meine, wir sehen die positiven Wirkungen bereits jetzt, ist die Diskussion, die sich um unsere Enquetekommission rankt. Das werden wir zwar morgen erst auf der Tagesordnung haben, aber wir haben eine ganz klare Festlegung, dass wir auch den Punkt Funktionalreform mit in diese Aufgabenstellung der Enquetekommission hineinnehmen werden. Auch hier gibt es überhaupt keine Aufgeregtheiten, sondern wir reden sehr ruhig, sehr sinnvoll und sehr konstruktiv miteinander über Fragen der Funktionalreform, und auch dieses hat ursächlich etwas damit zu tun, dass wir das Konnexitätsprinzip festgeschrieben haben.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, meine Damen und Herren, das Konnexitätsprinzip gilt nicht nur bei der

Übertragung von völlig neuen Aufgaben auf die kommunale Ebene, sondern das Konnexitätsprinzip greift auch dann, wenn wir bereits vorhandene Aufgaben ausweiten, wenn wir sie qualitativ aufstocken, wenn wir Standards erweitern. Wenn wir also in einer solchen Form der kommunalen Ebene zusätzliche Aufgaben geben, dann müssen wir auch die Mittel bereitstellen, damit diese Aufgaben erfüllt werden können. Und dieses, meine Damen und Herren, übernehmen wir heute mit dieser Beschlussvorlage auch in die Kommunalverfassung.

Die Aufgabe und die Mittel, die notwendig sind, um die Aufgabe zu erfüllen, werden sein wie die Vorder- und die Rückseite eines Blatt Papiers. Sie können voneinander nicht getrennt werden. Wir können zwar das Blatt Papier durchschneiden und die Aufgabe verkleinern, dann verkleinern sich auch die Mittel. Wir können, bildlich gesprochen, dem Aktenordner, in dem die übertragenen Aufgaben gelagert sind, auch ein Blatt hinzufügen, aber immer mit Vorder- und mit Rückseite – Aufgabe und Mittel, die notwendig sind, um die Aufgabe zu erfüllen. Wir können unserem Aktenordner aber auch ein Blatt entnehmen, ein Blatt, das da bisher drin war. Und auch dann nehmen wir Vorder- und Rückseite, nehmen wir die Aufgaben und auch die Mittel, die übertragen worden sind, um diese Aufgabe zu erfüllen.

Dieses, nicht mehr und nicht weniger, ist der Sinn des so genannten Gegenstromprinzips, das wir in dieser Formulierung in der Kommunalverfassung ebenfalls mit drin haben. Ich denke, dieses ist keine Verrücktheit, dieses Gegenstromprinzip festzuschreiben, sondern dieses ist eine Selbstverständlichkeit, weil Solidarität, gemeinsam in einem Boot sitzen, gilt immer in beide Richtungen, und deshalb sollten wir dieses hier auch ausdrücklich festschreiben. Ich bitte Sie, der Beschlussvorlage zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Markhoff von der CDU-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 15. März diesen Jahres haben wir in diesem Hohen Haus den Gesetzentwurf der CDU zur ersten Änderung der Landesverfassung in Mecklenburg-Vorpommern beschlossen. Damit wurde einstimmig das so genannte Konnexitätsprinzip in die Landesverfassung aufgenommen.

Meine Damen und Herren! Würde allein der Wortlaut

dieser Verfassungsänderung durch die heutige Beschlussfassung in die Kommunalverfassung übertragen, hätte d i e CDU-Fraktion überhaupt keine Probleme, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Dies ist aber nicht alleine Gegenstand des vorliegenden Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen. Hier soll entgegen dem Wortlaut der Landesverfassung und entgegen der Absicht des Landesverfassungsgebers das so genannte Gegenstromprinzip durch Änderung der Kommunalverfassung eingeführt werden. Abgesehen von der Frage, ob eine derartige einfachgesetzliche Regelung überhaupt verfassungsgerecht wäre, frage ich Sie: Warum soll eine derartige Regelung eingeführt werden?

In der Debatte um die Einführung des Konnexitätsprinzips in der Landesverfassung wurde von Seiten der Koalitionsfraktionen dieses Prinzip so griffig mit den Worten umschrieben: Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch.

Was Sie nunmehr festschreiben wollen, entspricht dem Prinzip: Was ich mit der einen Hand gebe, nehme ich mit der anderen Hand wieder.

Meine Damen und Herren, was wird passieren, wenn Sie eine derartige Regelung einführen? Mag sein, dass ich das zu schwarz sehe. Bei allen Aufgabenübertragungen durch das Land auf die Kommunen, so befürchte ich, wird gleichzeitig versucht werden, eine Gegenfinanzierung zu Lasten der Kommunen zu erreichen. Wir sehen jedoch heute schon, wie eine derartige Regelung aussehen wird. In der Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung zur Änderung des Kurortgesetzes heißt es: „Folgekosten für die Kommunen entstehen lediglich durch die Verpflichtung zur zeitweisen Bewachung von Badestellen... Durch die Streichung der Forderung eines Hallenbades in Luftkurorten werden Folgekosten... reduziert.“ So einfach ist das also! Ein neuer Standard wird eingeführt, ein bisheriger Standard gestrichen und die Gesetzesveränderung stellt sich kostenneutral für das Land dar. Aber eine derartige Gegenrechnung zugunsten des Landes wird auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen, denn die Kosten für das Hallenbad fallen ja nicht weg. Die Hallenbäder müssen weiter unterhalten werden, auch wenn sie als Standards für die Anerkennung als Kurort gestrichen wurden. Und darüber hinaus tragen die Kommunen nun auch noch die Kosten für die Bewachung der Badestrände.

Ein anderes Beispiel: Das Sozialministerium diskutiert derzeit über zahlreiche größere Aufgabenverlagerungen, dass zum Beispiel die überörtliche Sozialhilfe und Krankenhaushygiene nicht mehr von den Landkreisen und kreisfreien Städten, sondern von einem zu schaffenden Landesgesundheitsamt wahrgenommen werden sollen. Das bedeutet im Klartext, die Kommunen müssten an das Land im Fall dieser Aufgabenentlastung einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zahlen. Dieser würde nach Schätzung des Landkreistages allein für die Wahrnehmung der Aufgaben auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene 1,8 Millionen DM betragen, obwohl die Landkreise und kreisfreien Städte diese Aufgaben mit wesentlich geringeren Mitteln bewältigen.

Meine Damen und Herren! Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass das Konnexitätsprinzip sowohl in den Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen als auch umgekehrt anzuwenden sei, gibt es nicht. Die beabsichtigte Regelung des Gesetzentwurfes in Paragraph 4 Absatz 3 und Paragraph 91 Absatz 3 ist keine zwingende Folge, die sich aus der Einführung des Konnexitätsprinzips quasi von selbst ergibt. Und wenn es so wäre, dann könnten Sie unserem Änderungsantrag zustimmen und Paragraph 4 Absatz 3 und Paragraph 91 Absatz 3 streichen.

Auch die Vertreter aus Schleswig-Holstein, die ja gerne von den Koalitionsfraktionen als beispielhaft zitiert werden, handhaben das Konnexitätsprinzip nicht in der hier vorgesehenen Weise. Ich zitiere aus der Vereinbarung zwischen der Landesregierung Schleswig-Holstein und den kommunalen Landesverbänden zur Kostenfolgeabschätzung gemäß Artikel 49 der Landesverfassung Schleswig-Holstein: „Den Mehrbelastungen der Kommunen sind Einsparungen im Zuge der Aufgabenübertragung gegenüberzustellen.“ Aus der Anhörung wurde deutlich, dass damit Synergieeffekte bei bisherigen kommunalen Leistungen und Aufgaben sowie die Anrechnung von Einsparungen im Zuge der Aufgabenübertragung gemeint sind.

Stellt zum Beispiel eine Landesbehörde Anträge auf Gratulationsurkunden beim Bundespräsidenten bei Eheund Altersjubiläen, verursachte dies in Schleswig-Holstein einen Aufwand von rund 830.000 DM. Verteilt man diese Aufgaben auf die einzelnen Kommunen, können sie kostengünstiger wahrgenommen werden. Da pro Kommune nur wenige Anträge zu stellen sein werden, kann diese Aufgabe durch das vorhandene Personal mit erledigt werden. Ein Kostenausgleich erfolgt nicht.

Meine Damen und Herren, diese Regelung aus Schleswig-Holstein, wie ich sie eben geschildert habe, ist unseres Erachtens selbstverständlich im Konnexitätsprinzip enthalten. Hierfür bedarf es tatsächlich keiner besonderen gesetzlichen Regelung, wie sie übrigens auch in Schleswig-Holstein nicht existiert. Eine gesetzliche Regelung für Ausgleichsleistungen der Kommunen bei Aufgabenstellung wird dort auch nicht für notwendig erachtet. Die entsprechende Frage im Innenausschuss beantwortet der Vertreter des Innenministeriums Schleswig-Holstein damit, dass die kommunalen Einsparungen bei der Aufgabenentlastung im Rahmen des Finanzausgleiches berücksichtigt werden.

Wenn also nur das gewollt wäre, was SchleswigHolstein praktiziert, so hätte man dies in einem Entschließungsantrag berücksichtigen können. Aber das wollen Sie eben nicht. Sie wollen a) mehr Rechte für das Land im Rahmen des Gegenstromprinzips einführen, als Sie umgekehrt den Kommunen gegenüber dem Land zugestehen, denn die Kommunen sollen auch für Kostenentlastung durch Verwaltungsvorschriften bezahlen. Umgekehrt gilt dieses Prinzip nicht. Und b) wollen Sie den Kommunen letztlich weniger Geld zugestehen.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion kann diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, denn wir wollen das Konnexitätsprinzip zum Schutz unserer Kommunen im Zusammenhang mit einer notwendigen Funktionalreform und diese Absicht wird mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf unterlaufen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Böttger von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Böttger.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist so, dass wir mit der heutigen Entscheidung den Beschluss des Landtages umsetzen, das Konnexitätsprinzip nicht nur in der Landesverfassung, sondern auch in der Kommunalverfassung zu verankern. Ich möchte an der Stelle auch noch mal deutlich sagen, es ist schon eine große Leistung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern, und hier meine ich alle Fraktionen, dass wir das Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung und heute in der Kommunalverfassung einführen. Und ich möchte an der Stelle auch noch mal an uns alle appellieren: Das, was wir als Land gegenüber unseren Kommunen machen, das sollten wir alle entsprechend unseren Möglichkeiten als Land auch gegenüber dem Bund einführen. Dafür sollten wir uns einsetzen.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS, und Heike Lorenz, PDS)

Es kann nicht sein, dass wir den Kommunen, wenn wir Aufgaben übertragen, auch die entsprechende Ausstattung geben, aber der Bund dem Land Aufgaben überträgt, ohne das zu kompensieren, oder das Steuerrecht ändert,

ohne dass dafür eine entsprechende Kompensation da ist.