Hier, Frau Ministerin, folgen Sie einer guten Tradition Ihrer Amtsvorgänger. Dankenswerterweise erstrecken sich Ihre Änderungswünsche nur auf die Farbe des Einbandes. So weit dazu.
Meine Damen und Herren, die Volksdroge Alkohol – und darauf wies die Ministerin ja schon hin – ist und bleibt ein besonderes Problem in unserem Bundesland. Über 10.500 Patienten wurden ‘98, so steht es in dem Bericht, mit der Diagnose Alkoholpsychose, Alkoholabhängigkeit oder Leberzirrhose aus den Krankenhäusern Mecklenburg-Vorpommerns entlassen. Besonders stark war dabei die Altersgruppe der 35- bis 45-jährigen Männer betroffen. Hier gibt es je 100.000 Einwohnern 1.421 Alkoholkranke. Der Bundesdurchschnitt weist etwa die Hälfte aus.
Diese Zahlen sind erschreckend, aber sie sind nicht erst seit heute bekannt. Ich gehe einmal davon aus – und, ich denke, da braucht man kein Prophet zu sein –, ein wesentliches Absinken dieser Zahlen wird wohl auch in den kommenden Gesundheitsberichten für die Jahre 1999 und 2000 nicht zu konstatieren sein.
Frau Ministerin, ich glaube Ihnen, dass Ihnen das Problem Alkohol- und Drogenmissbrauch in unserem Land genauso unter den Nägeln brennt wie uns. Aber wenn ich im Gesundheitsbericht auf Seite 166 lese: „Im Regionalvergleich fällt auf, dass die Alkohol bedingte Sterblichkeit insbesondere in den Landkreisen Demmin, Mecklenburg-Strelitz, Nordvorpommern und Ostvorpommern, weit über dem Landesdurchschnitt liegt“, dann frage ich Sie, Frau Ministerin: Wie wollen Sie dort gegensteuern? Welche Konzepte und Handlungsansätze werden in Ihrem Hause erarbeitet? Und vor allen Dingen, wann werden sie auf den Weg gebracht? Nur zur Erinnerung, Frau Ministerin: In einem Monat ist die Hälfte der Legislaturperiode bereits abgelaufen.
Frau Ministerin, es ist zu wenig, es ist zu kurz gesprungen, wenn Sie dieser diffizilen Problematik nur dadurch beikommen wollen, indem Sie den Gesundheitsministern und -ministerinnen der Bundesländer im Juni vorgeschlagen haben, alkohol- und nikotinbedingte Kassenausgaben aus Steuern finanzieren zu wollen. Man kann über diesen Vorschlag diskutieren, es bleiben aber noch so viele Fragezeichen, dass dieser Vorschlag als Handlungsansatz zurzeit wohl völlig ungeeignet ist. Das Anschlagen der Alarmglocken, so, wie Sie es in Ihrer Einbringungsrede bezeichnet haben, Frau Ministerin, ist da einfach zu wenig.
Die Frage bleibt, was an dieser Stelle von Ihnen, Frau Ministerin, Substantielles getan wird. Wenn man dieses Problem, so, wie gestern in einem Zeitungsartikel aus dem Armutsbericht zu lesen war, als gesamtgesellschaftliches Problem begreift, unter dem Einfluss des Arbeitsmarktes und der Situation auf dem Arbeitsmarkt, kann diese Frage auf die gesamte Regierung ausgedehnt werden.
Herr Ministerpräsident, was tun Sie in diesem Feld? Was tun Sie speziell für die Menschen in den oben von mir angesprochenen Regionen?
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heike Lorenz, PDS: Wissen Sie auch, dass der Bericht zu ‘98 Stellung nimmt?)
Ich denke hier besonders an die ständig steigenden Zahlen von Langzeitarbeitslosen, an die schwerbehinderten Arbeitslosen und an die arbeitslosen Jugendlichen im Alter von 20 bis 25 Jahren,
deren Zahl im letzten Jahr um 15 Prozent gestiegen ist, und im gleichen Zuge an die ständige Reduzierung von ABM- und SAM-Stellen gerade in den von mir genannten Regionen Demmin, Nordvorpommern, Ostvorpommern und Mecklenburg-Strelitz.
… nämlich das der Arbeitsunfälle. Deren Zahl konnte laut Gesundheitsbericht von 1998 zu 1999 um 1.000 reduziert werden – ein durchaus positives Signal. Insgesamt gesehen ist die Zahl von 17.500 Arbeitsunfällen im Jahr 1999, davon etwa ein Drittel in der Baubranche, aber weiterhin viel zu hoch. Was unternehmen Sie dagegen, Frau Ministerin?
In einer Pressemitteilung Ihres Hauses vom 7. September 2000 appellieren Sie an die Unternehmer und an die Beschäftigten. Auch das ist notwendig, es reicht aber nicht aus. Ebenso repressive Maßnahmen, von denen Sie dort berichten, also Kontrollen – es wurden 8.400 durchgeführt –, bringen nur bedingt eine Besserung. Frau Ministerin, dann kündigen Sie verstärkte Anstrengungen bei der Durchführung von präventiven Maßnahmen an. Als Beispiel nennen Sie hier, „dass bei Bauvorhaben schon im Projektstadium verstärkt Kooperationen und Kontrollen zur Gewährleistung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes durchgeführt werden“ sollen. Sind das nur Worte und fromme Wünsche oder gibt es da konkrete Handlungsansätze? Haben Sie, Frau Dr. Bunge, mit Ihrem Kollegen aus dem Bau- und Arbeitsministerium, Herrn Holter, schon Kontakt aufgenommen? Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?
Und einen letzen Bereich möchte ich hier ansprechen, weil er oft ein bisschen unter den Tisch fällt. Das ist der Bereich der Zahngesundheit. Auf die Zahngesundheit unserer Kinder muss einmal verstärkt hingewiesen werden. Wenn man liest, dass durch den Jugendzahnärztlichen Dienst der Gesundheitsämter 1998 lediglich 83,4 P r o z e n t der Kinder an den Grundschulen erreicht werden konnten, stellt sich die Frage: Was passiert mit den anderen Kindern? Jedes sechste Kind im Grundschulalter ist nicht untersucht worden. Sogar in den Kindertagesstätten wurden lediglich zwei Drittel der Kinder erreicht. Das heißt, jedes dritte Kind in den Kindertagesstätten wurde durch den Jugendzahnärztlichen Dienst nicht erreicht und damit nicht untersucht. Auch ein Blick in den Rostocker Gesundheitsbericht vom vergangenen Jahr macht auf diese Problematik ausdrücklich aufmerksam. Dort heißt es: „Probleme gibt es mit der Absicherung der allgemeinen und zahnärztlichen Reihenuntersuchungen für Kinder und Jugendliche – hier gibt es nicht genügend Stellen.“ Frau Ministerin, hier besteht auch von Seiten der Landesregie
Meine Damen und Herren, die Gesundheitspolitik steht vor neuen Herausforderungen und neuen Anforderungen. Das ist unstrittig. Ich erinnere nur an die gegenwärtige öffentlich geführte Diskussion über das umstrittene Gesetzesvorhaben der Gesundheitsreform 2000. Jede Woche kann man dazu in den Medien neue Korrekturen, neue Ansätze, neue Überlegungen lesen und hören.
Über die Auswirkungen dieser vom Grundsatz her verfehlten Gesundheitspolitik werden die Gesundheitsberichte für die kommenden Jahre wohl deutliches und drastisches Datenmaterial liefern. Schlimm ist es, dass es erst so weit kommen muss, ehe wohl auch die Landesregierung begreift, dass die gegenwärtige Gesundheitspolitik ein Irrweg ist.
Meine Damen und Herren, eine sozial verantwortungsbewusste Gesundheitspolitik – und darauf wies ja die Ministerin auch schon hin –, die modernen Anforderungen gerecht werden will, benötigt als Entscheidungshilfen zweifellos fundiertes Zahlen- und Datenmaterial.
Das liefert der vorliegende Gesundheitsbericht aus dem Jahre 1998, ohne Zweifel. So ein Bericht darf aber nicht als Selbstzweck hingenommen werden und darf vor allen Dingen kein Selbstzweck sein – diesem Eindruck kann man erliegen, wenn man gelegentlich die vielen Berichtsanträge der Koalitionsfraktionen sieht –, sondern er soll ja eigentlich Handlungsgrundlage für die Entscheidungsfindung der Regierung sein. Nur, das setzt voraus, dass die Landesregierung Entscheidungen trifft. Und in diesem Bereich sieht’s doch mächtig trübe und dunkel aus.
Die Ministerin sprach hier auch von einem Steuerungsinstrument. Frau Ministerin, nutzen Sie den Bericht als Steuerungsinstrument! Ergreifen Sie die Handlungsinitiative!
(Heike Lorenz, PDS: Warum haben Sie eigentlich unseren Antrag für qualifizierte Datenerhebung abgelehnt?)
Ohne das Ziel, etwas bewegen zu wollen – in der Gesundheitspolitik als auch auf anderen Politikfeldern –, verkommt die schönste Gesundheitsberichterstattung rasch zu einer ungenutzten Medizinalstatistik und damit zu einem „Datenfriedhof“.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie, Frau Ministerin, und auch die Koalitionsfraktionen noch einmal an den bereits von mir zitierten Satz von Karl Marx erinnern: „Ein Schritt realer Bewegung ist besser als hundert Berichte.“ – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Er hat Parteiprogramme gesagt.)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem die Ministerin auf grundsätzliche Dinge der Gesundheitsberichterstattung mit Recht eingegangen ist, kann ich mich auf einige spezielle Aspekte beschränken, jedoch nicht, ohne für den ausführlichen und guten Bericht denen zu danken, die ihn erstellt haben, und nicht, ohne den Appell an dieser Stelle an Sie zu richten, ihn nicht in irgendeiner Form als Friedhof von Daten zu betrachten, sondern dass jeder, der irgendeinen Bezug zur Verantwortung für seine eigene Gesundheit herstellen möchte, hier ein Datenmaterial zur Verfügung hat, das man nicht hoch genug einschätzen kann und das natürlich für die nächsten Jahre erkennen lassen muss, wo man hier Einfluss genommen hat. Und da stehen wir eigentlich nicht am Anfang, aber in einer hohen Verantwortung.
Ich möchte mich zunächst einmal auf den Aspekt der Vorsorge beziehen. Bei Krebserkrankungen gibt es die Möglichkeit der Früherkennung für Frauen ab dem 20. Lebensjahr für Erkrankungen der Genitalorgane, ab dem 30. Lebensjahr für die Brust, ab dem 45. Lebensjahr für Dickdarm und Enddarm. In unserem Bundesland haben 351.068 Frauen von diesen Früherkennungs- oder Vorsorgemaßnahmen Gebrauch gemacht. Insgesamt kann man sagen, dass in den einzelnen Städten und Kommunen zwischen zwei Drittel und drei Viertel in den größeren Städten und zwischen der Hälfte und einem Drittel in den Landkreisen diese Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen haben. Das ist ein ordentlicher Wert.
Demgegenüber sind nur 45.861 Männer, die die Vorsorgeuntersuchungen ab dem 45. Lebensjahr für Dickdarm- und Prostata-Untersuchungen in Anspruch genommen haben, ein Armutszeugnis. Die Männer gehen schlampig mit ihrer Gesundheit um. Ich sage das hier an dieser Stelle so deutlich und ausdrücklich. In Neubrandenburg und Rostock ist es jeder dritte Mann, der diese Untersuchung in Anspruch genommen hat, in Schwerin und Stralsund jeder vierte, in Greifswald und Wismar jeder fünfte und in einigen Landkreisen jeder zwanzigste Mann. Das ist eine Schande, die nur dadurch relativiert werden kann, dass einige aus den Landkreisen in der Nähe größerer Städte wohnen und dadurch unter Umständen Informationen über die durchgeführten Untersuchungen nicht ganz exakt zuzuordnen sind.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem schlampigen Umgang mit seiner Gesundheit? Die einfachste und auch aus dem Gesundheitsbericht ablesbare Konsequenz ist die, dass die Sterbefälle an Krebs insgesamt zwar gleich geblieben sind, Frauen etwa in gleicher Anzahl an Krebserkrankungen wie in den anderen Bundesländern versterben, dass jedoch der Anteil der Männer unter 6 5 Jahren, die an Krebs versterben, mehr als 20 Prozent höher liegt. Das heißt, sie kommen zu spät zur Behandlung. Die Behandlung ist optimal, die Nachsorge ist optimal, ob das Bestrahlung, Operation oder Medikamente sind, aber ein zu spätes Aufsuchen der ärztlichen Behandlung führt zu Todesfällen, die vermeidbar wären. Früherkennung, Gesundheitscheck, Gesundheitsbewusstsein für die ganz normale gesundheitliche Situation – jeder hat innerhalb von zwei Jahren das Recht, eine solche Untersuchung in
Anspruch zu nehmen: Blutdruckmessung, Blutfettwerte-, Blutzuckerbestimmung, Urinuntersuchung. Erkrankungen, die hier im Vorfeld erkannt werden können, sparen Kosten und führen zu einer besseren Gesundheit der Bürger in unserem Land.
Konsequenzen, wenn diese Möglichkeit nicht ausgenutzt wird? Nur jeder Fünfte nutzt diese Möglichkeit im Bundesland, einmal in zwei Jahren eine Vorsorgeuntersuchung vornehmen zu lassen. Konsequenzen? Ganz einfach, auch wieder an den Todesursachen abzulesen: Bei 40 Prozent der Männer und 55 Prozent der Frauen sind die Todesursache Herzkreislauferkrankungen. Diese Todesursache liegt in unserem Bundesland 20 Prozent über dem Durchschnitt der Bundesländer. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass diese Konsequenz die falsche ist, die Konsequenz, einfach hinzunehmen, dass diese Relation so ungünstig ist, und dass auch ein Handeln, es in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen, seitens unseres Ministeriums, seitens aller, die in der Gesundheitspolitik Verantwortung tragen, notwendig ist.
Auf das Problem Alkohol ist hier von Herrn König und auch von der Ministerin eingegangen worden. Ich erwähne nur noch einmal der Vollständigkeit halber, es ist mit ausgeführt worden: Die dreifache Menge an Sterbefällen bei Männern im Vergleich zur Bundesrepublik – das Dreifache an Todesfällen! – ist alkoholbedingt. Dabei spielen natürlich auch die Unfälle eine Rolle, aber im Wesentlichen ist diese dreifach höhere Rate durch Erkrankungen, an denen die Menschen sterben, bedingt. Bei den Frauen ist es das Zweifache. Das ist etwas Neues im Vergleich zu der bekannten Alkoholsituation in Mecklenburg-Vorpommern vor 1989. Da war das Verhältnis etwa eins zu vier, also vier Männer, eine Frau, wo die Todesursache durch Alkohol ausgelöst wurde.
Lassen Sie mich noch etwas zu einem anderen Bereich sagen. Aus dem Gesundheitsbericht geht hervor, dass gerontopsychiatrische Erkrankungen in unserem Bundesland weniger zu Krankenhausaufenthalten geführt haben. Das mag dazu verleiten zu sagen, die ambulante Betreuung durch engagierte Organisationen in der Gemeindepsychiatrie ist gut.
Ich möchte aber an dem heutigen Tag, heute ist der Weltalzheimertag, auf eine Situation hinweisen. Die bisherigen Regelungen der Pflegeversicherung und Krankenversicherung berücksichtigen nicht in dem nötigen Maße den Pflegeaufwand, den Alzheimer-Patienten benötigen. Es ist also wichtig, diesen Aspekt in den Mittelpunkt des Interesses und der Aktivitäten für die nächsten Jahre zu stellen. Das ist ein Aspekt, der natürlich auch in einem qualifizierten Gesundheitsbericht in den nächsten Jahren stärker beachtet werden sollte.
Nun noch ein Wort zu den Jüngsten in der Gesellschaft, drei Aspekte Kinder betreffend: Impfungen sind seit 1990, in der Durchimpfungsrate der Bevölkerung erkennbar ausgewiesen, von Werten um 99 Prozent inzwischen in einzelnen Bereichen auf Werte um 90, 92 Prozent gesunken. Meine Damen und Herren, wenn man einen sicheren Impfschutz gegen bestimmte Erkrankungen haben will, braucht man eine Durchimpfungsrate, die in etwa bei 95 Prozent liegt.
Und ein anderer Aspekt dazu: Kinder überstehen Erkrankungen, gegen die heute geimpft werden kann, zumeist doch noch relativ glimpflich. Je älter jemand ist,
der eine solche Infektionskrankheit – als Kinderkrankheit deklariert – erleidet, desto häufiger sind die Komplikationen und desto häufiger muss man auch mit Todesfällen rechnen. Wenn wir nachlässig mit der Möglichkeit umgehen, durch die Impfung einen sicheren Schutz gegen Erkrankungen zu erreichen, dann müssen wir damit rechnen, dass in absehbarer Zeit bei uns auch wieder Todesfälle aufgrund von Masern oder anderen Erkrankungen wie Diphtherie vorkommen können. Kein nachlässiger Umgang mit diesem Thema ist dabei g e f r a g t.