Protokoll der Sitzung vom 18.10.2000

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber er möchte doch Herrn von der Wense beerben. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Politik ist immer komplex. Das ist ja das Problem.

(Zuruf von Dr. Arthur König, CDU)

Da habe ich das Konzept vermisst für ein kommunales Beschäftigungsprogramm.

Politik ist immer komplex, Herr König. Und wenn Sie als …

(Dr. Arthur König, CDU: Sie wollen doch ein lokales Beschäfti- gungsprogramm auflegen, Herr Minister.)

Warten Sie doch mal ab!

Herr Dr. König, das Wort hat jetzt der Herr Minister. Bitte sehr, Herr Holter, nutzen Sie auch das Wort.

Danke schön. Ich habe ja unbegrenzte Redezeit, deswegen kann ich beruhigt warten, bis der Abgeordnete König ausgesprochen hat.

Politik ist immer komplex und wenn die CDU es nicht zur Kenntnis nehmen will, dass Mecklenburg-Vorpommern vom letzten Platz auf den ersten Platz bei der Wirtschaftsentwicklung gekommen ist, dann sollte sie es jetzt endlich mal tun.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Und wenn Herr Seidel …

(Dr. Arthur König, CDU: Jugend- arbeitslosigkeit ist das Thema!)

Ich rede über die Komplexität von Politik und das, was Sie machen, sind Ausschnitte. Es sind übrigens alle Redner der CDU bis auf Herrn König schon gegangen. Da sieht man mal, wie wichtig Ihnen das Thema ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Wenn Herr Seidel davon spricht, Aufgabe der Opposition ist es, kritisch und konstruktiv zu sein. Ja, kritisch, das habe ich gemerkt. Das geht auch vollkommen in Ordnung. Aber Konstruktivität? Ich habe aufmerksam zugehört. Ich konnte nichts mitschreiben.

(Heiterkeit bei Caterina Muth, PDS)

Ich weiß nicht, wo die konstruktiven Vorschläge sind.

(Dr. Arthur König, CDU: Na dann machen Sie doch mal lokale Beschäftigungspolitik!)

Wir haben Probleme,

(Unruhe bei Harry Glawe, CDU)

das ist richtig. Wir haben Probleme und wir haben auch ganz konkret ein Problem mit der Jugendarbeitslosigkeit.

(Harry Glawe, CDU: Ja? – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Die CDU hat dabei mehr Probleme.)

Und wir haben festzustellen, dass jeder vierte junge Mensch in Mecklenburg-Vorpommern arbeitslos ist. Ich will es mal deutlich machen an zwei ganz konkreten Statistiken. Alle haben ja ihre Zahlen gesagt. Ich werde Sie jetzt gar nicht großartig mit Zahlen erschlagen. Wir haben auf der einen Seite demographisch gesehen eine Zunahme der 17- bis 26-Jährigen. Das kann jeder nachlesen. Auf der anderen Seite haben wir eine Abnahme der 7- bis 16-Jährigen. Das ist also eine auseinander laufende Schiene. Wir unterhalten uns, das haben Sie thematisiert, zu Recht thematisiert, meine Damen und Herren von der CDU, über die Situation derjenigen, die 17 bis 26 Jahre sind. Aber wir haben demographisch gesehen das Problem, dass nämlich zu DDR-Zeiten in jungen Familien die Kinder viel früher geboren wurden und damit der Abstand von den jungen Leuten zu denen, die aus dem Beruf ausscheiden, viel größer war.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das war Unrecht. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und jetzt haben wir die Situation in dieser Generation, dass der Abstand kleiner ist. Das heißt also, zwischen denjenigen, die aus dem Beruf ausscheiden, und den jungen Leuten, die nachstoßen, ist der Abstand viel geringer, so dass hier also ein generationsübergreifendes Problem besteht, die Lücke ist nämlich nicht da.

(Dr. Arthur König, CDU: Das ist ein Fakt.)

Das ist erst einmal ein reiner, ganz natürlicher Fakt, der wirkt, Herr König. Da, glaube ich, stimmen Sie mir zu.

Und jetzt, glaube ich, muss man sich mal über die Dauer der Arbeitslosigkeit verständigen. Ich habe hier die Zahlen für September 2000 und ich kann Ihnen das sagen. Unter einem Monat waren 25,9 Prozent der Jugendlichen in dieser Altersgruppe arbeitslos. Unter drei Monaten waren das 30,4 Prozent, unter sechs Monaten 18 Prozent, unter zwölf Monaten 18 Prozent und über zwölf Monate 7,2 Prozent. Also über ein halbes Jahr war jeder vierte Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern arbeitslos. Das sind immer noch zu viel.

(Der Abgeordnete Harry Glawe hat bei der SPD-Fraktion Platz genommen.)

Das ist genau die Gruppe, wenn wir bei allen Statistiken diskutieren, über die man sich verständigen muss.

(Harry Glawe, CDU: Warum die anderen nicht? Weil sie zum Bund eingezogen werden. Das müssen Sie dazusagen.)

Haben Sie die Seite gewechselt, Herr Glawe? Das ist ja ganz überraschend.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf aus dem Plenum: Was machen Sie denn da?)

Das heißt also, diejenigen, die bis zu einem halben Jahr arbeitslos sind, sind natürlich auch Problemfälle, aber das ist oftmals eine Zeit der Suche und der Orientierung, um auf dem Arbeitsmarkt klarzukommen. Das also zu dieser rein statistischen Seite.

Immer mehr junge Leute, das haben ja alle festgestellt, drängen auf den Ausbildungs- und den Arbeitsmarkt. Aber – das hat der Herr Wirtschaftsminister schon beantwortet – das Problem ist die zweite Schwelle, wo die Generationen sehr kurz aufeinander folgen. Das heißt, wir brauchen – und das ist die erste Anregung, die ich hier geben will, und die ist von Rednern der SPD und PDS schon gemacht worden – eine konzertierte Aktion. Wirtschaft und Politik müssen hier zusammenstehen. Und wir brauchen möglichst viele Vorschläge, auch von der CDU. Wie bereits gesagt, ich vermisse diese.

(Dr. Arthur König, CDU: Das ist doch nur ein Wort „konzertierte Aktion“. Was machen Sie denn wirklich?)

Wir haben auf der anderen Seite, Herr König – die Abgeordneten der CDU im Saal werden immer weniger –, in der Wirtschaft ein Fachkräfteproblem. Wir haben auf der einen Seite in bestimmten Branchen mehr Fachkräfte, als wir beschäftigen können in Mecklenburg-Vorpommern, zum Beispiel Köche und weitere könnte man anführen, und auf der anderen Seite gibt es Fachkräftemangel. Wir haben das Paradoxon, dass man sich mit Arbeitsamtschefs unterhält und sagt, ihr müsstet doch eigentlich gar kein Problem haben mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Aber es sind eben nicht alle Leute in die anstehenden Berufe zu vermitteln. Das heißt, wir haben hier eine Situation, wo es eine Diskrepanz gibt zwischen Fachkräftebedarf und Fachkräfteangebot. Dazu – das wird ja auch kritisiert von der CDU in der Pressemeldung – haben wir erstens in Bezug auf das Arbeitsmarktprogramm mit dem Haushalt 2001 gesagt, 50 Prozent, also circa die Hälfte aller Maßnahmen, die in der Arbeitsmarktpolitik anstehen, gehen in Qualifizierungsmaßnah

men, um genau diese Wirtschaftsorientierung zu erreichen. Ich weiß nicht, warum Sie das kritisieren.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das wissen sie auch nicht.)

Zweitens, glaube ich, kann man das Land hier nicht alleine lassen und wir brauchen in Anwendung und in Fortsetzung der Erfahrungen aus dem Jugendsonderprogramm der vergangenen Jahre – das soll ja übergeführt werden in eine Regelförderung – ein spezielles Programm für die ostdeutschen Länder, sprich, wir brauchen ein Jugendsonderprogramm Ost. Diesen Appell kann ich nur an die Bundesregierung richten.

Was haben wir bereits getan? Einzelne Beispiele: Wir haben 300 junge Fachkräfte über Personalkostenzuschüsse in Erstbeschäftigung gebracht. Das hat nicht die Landesregierung getan. Und das ist genau das, Herr König, was Sie einfordern, dass nämlich das, was über die regionalen Lohnkostenzuschüsse läuft, wo Kreis- und kreisfreie Städte dafür verantwortlich zeichnen, …

(Dr. Arthur König, CDU: Aber die Zahlen 23.000 zu 300.)

4.000, 4.000 …

Ich habe doch eben, Herr König, die Differenzierung auseinander genommen und gesagt, um welche Problemgruppen es sich dabei handelt.

4.000 junge Leute sind in der Berufsfrühorientierung aufgenommen worden.

(Dr. Arthur König, CDU: Das macht aber 4.300.)

Wir haben als einziges Land …

Herr König, Sie wissen doch ganz genau, dass die Rechnung nicht aufgeht, die Sie hier machen – 300 bis 400 in Bezug auf 23.300. Das weiß doch wohl jeder hier im Saal.

(Unruhe bei Dr. Arthur König, CDU)

Also, ich bitte schon, das hat mit Niveau nun wirklich nichts mehr zu tun.