Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

Ich denke, das ist ein richtiger und vernünftiger Weg, und den werden wir auch unbesehen unterstützen.

Aber, Frau Ministerin Bunge, dass Sie uns hier weismachen wollen, dass es in besonderer Weise darum geht, dass Sie sich jetzt um Weiterbildung und Qualifizierung kümmern, wissen Sie, das steht im Haushaltsansatz. Es wundert mich schon, dass Sie jetzt wieder anfangen, ein paar Dinge hier zu beschreiben, die wir seit 1999 immer wieder gefordert haben, dass wir eine Weiterbildungsqualifizierung für die Mitarbeiter, die a) in Ueckermünde und Stralsund sind, brauchen, aber letzten Endes eben auch für die neuen Mitarbeiter, die in Rostock eingestellt werden.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, seien Sie doch froh, dass es jetzt passiert.)

Und da ging es in besonderer Weise darum, dass man einen ärztlichen Leiter braucht und dieser ärztliche Leiter sich letztlich dann seine Mitarbeiter aussucht. Diese Dinge stehen in Rostock an.

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Und die werden auch erledigt. – Annegrit Koburger, PDS: Na da sind wir doch dabei!)

Ja, sie werden erledigt, sie werden aber relativ spät erledigt, denn wir wollen ja schon im Frühjahr nächsten Jahres die Forensik in Rostock eröffnen.

(Annegrit Koburger, PDS: Die Ausschreibungs- verfahren laufen und die Auswahlverfahren.)

Und wenn wir uns heute vorstellen, dass man jetzt mit Weiterbildung anfängt, dann meine ich schon, das ist etwas spät.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Ja, genau. – Ministerin Dr. Martina Bunge: Sie wissen alles besser. – Dr. Ulrich Born, CDU: Sie sollen nicht immer von der Regierungsbank herunter reden!)

Aber es gibt weitere Dinge, die wir auch in den Ausschüssen besprechen müssen. Es geht letztlich um die Rolle der Gesundheitsämter. Justizministerium, Sozialministerium, Gesundheitsämter und dann noch LKA, Polizei und so weiter, die Dinge sind alle in diesem Psychischkrankengesetz weiterhin ineinander verstrickt. Sie sind weiterhin nicht ganz klar aus unserer Sicht getrennt. Wir wollen – und deswegen haben wir das Maßregelvollzugsgesetz extra eingebracht – aus unserer Sicht eine klare Trennung.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Wenn das nicht zu erreichen ist, dann bin ich auch als CDU-Mann dafür, dass wir im Psychischkrankengesetz dafür sorgen, dass Klarheiten geschaffen werden, denn wir müssen es ganz klar regeln, dass wir die Krankenhäuser für Psychiatrie und den Maßregelvollzug eindeutig klären und die Zuständigkeiten auch auseinander halten. Und darüber müssen wir auch die Bevölkerung in besonderer Weise aufklären. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt für mich.

Ich sage aber auch, es kann nicht so sein, dass hier einige Kollegen über meinen Kollegen Thomas herfallen, der eindeutig die Sicherheit für die Bevölkerung eingefordert hat. Das sagen Sie in Ihren Reden auch. Aber er macht es drastisch an Beispielen, anhand der Opfer, die letzten Endes durch psychisch kranke Straftäter gegeben sind.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ihr Kollege Thomas fällt über andere her.)

Ja, das ist nun mal so.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, das ist nun mal so und dann muss er auch die Reaktion vertragen.)

Er hat es etwas drastisch skizziert,

(Wolfgang Riemann, CDU: Immer, wenn man die Wahrheit ausspricht, dann wollen Sie die nicht hören. – Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

aber er hat darauf hingewiesen, dass wir insgesamt ein Problem in diesem Bereich haben.

Und ich will nur daran erinnern, dass der Ausbruch eines oder zweier Patienten aus Ueckermünde dazu geführt hat, dass wir in Anklam sozusagen einen Ausnahmezustand hatten. Die ganze Stadt war abgeriegelt –

tagelang. Das hat Geld gekostet. Und Sie wissen, was es jeden Tag kostet.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja und? – Wolfgang Riemann, CDU: „Ja und?“ sagt er! – Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Ja, na und?

Ich meine schon, dass es nicht so sein kann, dass wir die Augen vor den Problemen, die wir auch in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Maßregelvollzug haben, verschließen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Für den Bauminister habt Ihr kein Geld, aber dafür ist Geld da.)

Ich bin dafür dankbar, dass wir in eine, denke ich, sachliche Diskussion eintreten können im Ausschuss, im Rechtsausschuss wie auch mitberatend im Sozialausschuss.

(Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Ich bin eigentlich hoffnungsvoll, dass wir ein vernünftiges weiteres Änderungsgesetz zum Psychischkrankengesetz auf den Weg bringen. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Glawe.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Koburger von der PDS-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Es war wohltuend, nach den Ausführungen von Herrn Thomas – den Ausfällen, so muss ich schon sagen – den Innenminister,...

(Harry Glawe, CDU: Innenminister, schon wieder befördert! – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Justizminister!)

den Justizminister – Entschuldigung, man darf sich ja wohl noch mal versprechen – in einer so großen Sachlichkeit hier reden zu hören.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Und Herrn Glawe haben Sie nicht gehört?)

Seine Rede war wenig von Sachlichkeit geprägt. Das ist das Problem.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Rede von der Sozialministerin war von Schläfrigkeit geprägt. – Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Fachpolitische Debatten selbst aus einem traurigen Anlass heraus sind eigentlich begrüßenswert, aber meines Erachtens nur solange, wie die Zielrichtung und der Zweck sachlich, fachlich korrekt sind. Zu beobachten ist jedoch, dass die Debatten um die forensische Psychiatrie in Wellen und Schüben – meist, wenn etwas passiert ist – erfolgen. Geprägt sind diese Debatten dann bedauerlicherweise auch noch von Sensationslust, Scharfmacherei und in einem hohen Maße von fehlender Fachlichkeit, wie Herr Thomas das hier beispielhaft vorgeführt hat. Augenscheinlich will er hier die Todesstrafe wieder einführen. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Weniger zum Tragen kommen Sachlichkeit, Fachkenntnisse und der Wille, Möglichkeiten der Problemlösung zu erörtern und umzusetzen. Vorschläge, Forderungen et cetera von Fachleuten finden kaum Beachtung, nein, sie

werden bedauerlicherweise völlig außer Acht gelassen beziehungsweise bewusst ausgeblendet. Das musste ich leider in den zehn Jahren, in denen ich mich detailliert damit beschäftige und das beobachten konnte, so konstatieren. Lediglich einmal hat der Druck auch von Frauenvereinen und -verbänden in dieser Bundesrepublik zu konkreten Veränderungen geführt, auch hier ein bedauerlicher Vorfall: Der Sexualmord im September 1994 durch einen seit acht Jahren therapierten Freigänger des Maßregelvollzuges in Lippstadt/Eickelborn führte zum „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“. Und, Herr Thomas, nicht sie, die CDU, hat hauptsächlich dafür gesorgt – Sie haben es dann halt umgesetzt, weil Sie zufällig in der Regierung waren –, sondern der Druck von Fachverbänden hat dazu geführt.

Es würde mich sehr freuen, wenn Sie sich auch mal für die Opfer von Sexualstraftaten innerhalb von Familien einsetzen

(Harry Glawe, CDU: Der Fach- verband der CDU macht das.)

und nicht nur für die im öffentlichen Raum.

Bekanntlich wurde in diesem Gesetz das Strafmaß angehoben, Möglichkeiten der Sicherheitsverwahrung bei Wiederholungstätern, insbesondere bei Sexualmord, festgeschrieben, höhere Anforderungen an die Prognosestellung sowie für bedingte Entlassungen von Sexualstraftätern und angeordneter Behandlung dieser Täter fixiert.

Für die Bundesländer steht seitdem die Aufgabe, neben dem Maßregelvollzug Therapieangebote in den Strafvollzugsanstalten und in gesonderten sozialtherapeutischen Einrichtungen zu erweitern. Diese Maßnahmen berücksichtigen aber nur eine Seite der Medaille. Die jahrzehntelangen Forderungen von Fachleuten aus der Psychiatrie, Ausbildung sowie Fort- und Weiterbildung zu verbessern und zu spezialisieren und die Forschung im Bereich der Forensik zu verstärken, blieben bislang unerfüllt. Die Ergebnisse und die Schwierigkeiten hat Frau Bunge hier noch mal deutlich dargelegt. Nach wie vor leiden wir unter einem akuten Fachkräftemangel in diesem Bereich und – aufgrund der Kompliziertheit der Arbeit – unter einer sehr hohen Fluktuation.

Ich erwähne das deshalb, weil wir die gemeinsame Anhörung, die ich hiermit gleich empfehlen möchte, und die Auswertung dessen nutzen sollten, um über eine bloße Änderung des PsychKG hinaus mehr auf den Weg zu bringen. Das möchte ich aber nicht nur für den Bereich der Forensik verstanden wissen. Hierin möchte ich ausdrücklich die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Justiz mit einschließen. Wir müssen feststellen, dass es seit mehreren Jahren verstärkt zu Einweisungen in den Maßregelvollzug kommt. Ursache ist einerseits die Zunahme von psychischen Krankheiten – gesellschaftlich bedingt, jedoch auch bei den Sexualstraftätern. Hintergrund dessen sind Gutachten, die dem Täter Persönlichkeitsstörungen bescheinigen. Dieses sind jedoch keine psychischen Krankheiten vergleichbar mit Psychosen oder Schizophrenie und somit nicht mit psychotherapeutischen Methoden zu beseitigen. Hier können aus fachlicher Sicht ausschließlich sozialtherapeutische Angebote greifen.

Damit kein Missverständnis entsteht, ich stelle hier keineswegs die Gutachten in Frage.

(Harry Glawe, CDU: Das können Sie ja wohl auch schlecht.)

Zu hinterfragen ist vielmehr, ob die Einrichtung, in die der Täter eingewiesen wird, die richtige ist, das heißt, die erforderliche sozialtherapeutische Betreuung weiter gewährleistet werden kann. Wenn Therapeuten anhand von detaillierten Studien weltweit feststellen, dass lediglich ein bis fünf Prozent der Sexualstraftäter pathologisch, sprich krankhaft sind, dann muss dem auch die Einweisung und Behandlung entsprechen. Sind sie krank, gehören sie in den Maßregelvollzug. Sind sie es nicht, gehören sie in eine sozialtherapeutische Einrichtung. Eines ist aber beiden Tätergruppen gemeinsam – mein Kollege Schoenenburg hat das in der letzten Landtagssitzung schon erwähnt: Es sind keine Monster. Es handelt sich, wie eine Anstaltstherapeutin aus Schleswig-Holstein nach dreieinhalbjähriger Tätigkeit reflektierte, um Männer, die schon fast einen beunruhigend normalen Eindruck machen. Das Aktenstudium ließ dies nicht vermuten.

Meine Damen und Herren! Es gilt also, noch weitaus mehr Fragen zu diskutieren und zu regeln, als die Verantwortlichkeiten bezüglich des Maßregelvollzuges, was eigentlich Hauptanliegen dieses Gesetzentwurfes ist. Wenn wir uns der Sicherheit der Bevölkerung ernsthaft widmen wollen, dann ist es unerlässlich, alle angesprochenen Fragen und Problemkreise anzugehen. Und – ich wiederhole mich hier gern – höhere Sicherheit wird gewährleistet, wenn die Täter entsprechend ihrem gutachterlichen Befund eingewiesen und von gut ausgebildeten Fachkräften behandelt werden. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)