wieder –, „dass die Institution des Bürgerbeauftragten kein politisches Gestaltungsgremium ist“. Das muss man sich tatsächlich auf der Zunge zergehen lassen! Eine Institution ist kein Gestaltungsgremium, heißt es da tatsächlich.
Nun, meine Damen und Herren, der Landtag ist ein politisches Gestaltungsgremium. Im Artikel 20 der Landesverfassung heißt es bekanntlich ausdrücklich, der Landtag sei Stätte der politischen Willensbildung. Der Bürgerbeauftragte selbst wird im Landtag gewählt. Er wird von den Parteien, die hier im Landtag vertreten sind, vorgeschlagen. Und ich sage mal, wenn der Bürgerbeauftragte sich um die Rechte und sozialen Belange der Bürger kümmert, dann gestaltet er Politik. Na selbstverständlich! Das liegt doch wohl auf der Hand.
Und Sie können doch nicht ernstlich sagen, meine Damen und Herren, dass Herr Jelen das Amt nicht politisch geprägt hätte. Wir wissen doch auch, dass er sich eingemischt hat in Politik. Und zu Recht hat er sich eingemischt – zum Beispiel wenn er aufgerufen hat zum Vorgehen gegen Rechtsextremismus. Seine Tätigkeitsberichte waren natürlich auch immer politische Mahnungen an die Adresse der Verwaltung. Das war geradezu sein Auftrag, beispielsweise dahin gehend, die Ermessensspielräume müssten stärker zugunsten der Bürger genutzt werden. Herr Jelen hat richtigerweise ferner eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Er hat beispielsweise auch eine sehr nachdenkenswerte und bewegende Trauerrede für Herrn Jürgen Borchert gehalten. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Ist denn das etwa nicht politisch gestalten?
Und natürlich prägt auch der persönliche politische Stil des Amtsinhabers das Amt. Völlig zu Recht hat Herr Jelen sich beispielsweise dagegen verwahrt, von der Verwaltung als Furchendackel betrachtet zu werden. Richtig, sage ich. Und in diesem Zusammenhang, wir haben an Herrn Jelen überhaupt nicht kritisiert, dass er Politik gestaltet hat. Was wir kritisieren würden und was wir auch an dieser Bürgerbeauftragten kritisieren werden, wenn es denn eintritt, ist, dass sie vordergründig Parteipolitik macht. Das ist etwas ganz anderes.
(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: O ja! – Martin Brick, CDU: Herr Schoenenburg, das merken Sie doch gar nicht. – Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)
Wir meinten allerdings auf Herrn Jelen bezogen, dass er in Bezug auf die Verwaltung ruhig etwas schärfer hätte sein können. Aber das will ich jetzt nicht weiter ausführen, zumal die Zeit wegläuft.
Meine Damen und Herren, ich denke, die Bürgerbeauftragte, die wir soeben gewählt haben – so kenne ich sie aus ihrer bisherigen Tätigkeit, auch aus zehn Jahren Tätigkeit als Beamte in diesem Land –, wird ihre Arbeit unabhängig, selbstständig, gewissenhaft und im Interesse der Bürger ausüben. Sie hat mein vollstes Vertrauen und selbstverständlich das meiner Fraktion. Den Antrag der CDU lehnen wir ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es besteht wohl in diesem Haus kaum ein Zweifel, dass sich die Einführung des Amtes des Bürgerbeauftragten bewährt hat. Dr. Schulz als Parlamentarischer Staatssekretär und nach ihm Frieder Jelen als gewählter Bürgerbeauftragter des Landes mit Verfassungsrang setzten Maßstäbe in ihrer Prägung des Amtes als Anwalt der Bürger in Mecklenburg-Vorpommern.
Diese Erfolgsbilanz der bisherigen Amtsinhaber ist, das muss man durchaus selbstkritisch konstatieren, natürlich auch ein Zeichen dafür, dass die staatlichen Institutionen, einschließlich der Politik, leider manchmal noch so arbeiten, dass ein Anwalt nötig ist. Deshalb bin ich der Auffassung, dass es bei aller Anerkennung der Arbeit des Bürgerbeauftragten unser Ziel sein muss, diesen Bürgerbeauftragten überflüssig zu machen. Mit der Wahl von Heike Lorenz in dieses Amt wird diese Aufgabe notwendiger denn je.
Das macht insbesondere der 5. Jahresbericht des Bürgerbeauftragten vom April dieses Jahres deutlich. Er macht klar, dass trotz einer Verringerung der Gesamteingaben von 1997 bis 1999 von 1.576 auf 1.334 im Sachgebiet „Rehabilitierung, Vertriebene, Kriegsopfer, Justiz, Rechtspflege und Personenstandswesen“ eine Steigerung auf nahezu das Dreifache, von 56 auf 151, zu verzeichnen ist. Hinter dieser Zahl, meine Damen und Herren, verbergen sich viele Menschen, viele Schicksale, die noch immer darum kämpfen, für erlittenes DDR-Unrecht rehabilitiert zu werden.
Ich sage auch hier, dass es kein Aushängeschild der Leistungen der Politik zehn Jahre nach der Wende ist, dass Rehabilitierungsfälle nicht befriedigend gelöst sind. Finanzielle Gesichtspunkte haben uns zu lange bewogen, zu wenig zu tun. Jetzt dürfen wir diese Aufgabe nicht liegen lassen, sondern müssen uns in die Verantwortung nehmen lassen, um endlich zu versuchen, den Menschen ein wenig Linderung und Entschädigung ergangenen Leidens zuzubilligen. Ich zitiere aus dem genannten Jahresbericht: „Noch immer empfinden viele Opfer der Zwangsaussiedlungsmaßnahmen der DDR die Würdigung ihrer Situation und der erlittenen Drangsalierungen als unzureichend.“ Deshalb wenden sie sich an den Petitionsausschuss, deshalb wenden sie sich an den Bürgerbeauftragten – in wachsender Zahl, wie ich noch einmal betone.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der SPD, aber auch von der PDS: Ist es für einen Menschen, der Unterstützung für den Ausgleich für Drangsalierungen sucht, die er in der DDR erlitten hat, zumutbar, dass er sich künftig an Frau Lorenz wenden muss, die am 20. Oktober im Staatstheater zur DDR sagte: „Sie war ein Staat mit einem totalitären Anspruch, der sich jedoch nicht aus seiner sozialen und kulturellen Verantwortung stahl.“? Frau Lorenz, hinter dieser Beurteilung des Unrechtsstaates DDR
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Lassen Sie doch mal das Märchen vom Unrechtsstaat sein, Herr Rehberg!)
kann ich nur folgende Verniedlichung erkennen: Die Missachtung der Freiheitsrechte, die Missachtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Meinungsfreiheit wurde zwar systematisch vorgenommen, ist aber letztendlich nicht so schlimm,
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist Ihr Kommentar. – Heike Lorenz, PDS: Das hat überhaupt niemand gesagt.)
Sie hatte übrigens nicht nur einen totalitären Anspruch, sie war eine Diktatur, bedeutete Unfreiheit – die Mauer als Zeichen –,
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Und Sie waren einer seiner Akteure. – Wolfgang Riemann, CDU: Da hat Herr Schoenenburg mitgewirkt.)
Repressionen gegenüber Andersdenkenden, die eingesperrt wurden, die ausgewiesen wurden, die drangsaliert wurden. Und deswegen kann ich doch nicht sagen, sie war ein Staat mit einem totalitären Anspruch. Nein, die DDR war eine Diktatur. Sie war ein Unrechtsstaat. Nicht mehr und auch nicht weniger!
Und, Frau Lorenz, eine solche Relativierung ist nicht nur historisch falsch und politisch bezeichnend, sondern sie ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen Menschen, die das Unrecht im DDR-Staat hautnah, körperlich, bis zum Tode erlitten haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Und was ist mit dem heutigen Unrecht?)
Und im Vergleich des Lebens heute und in der DDR erklären Sie gar: „Rückblickend erscheint der aufgegebene Staat gegenüber der neuen politischen Heimat als unfreier, zugleich aber gerechter.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schoenenburg, es ist weder komisch noch albern. Das ist im Staatstheater am 20. Oktober gesagt worden. Welche Rolle hat hier Frau Lorenz gespielt am 20. Oktober? Übrigens, scheinbar zwei Reden – einmal die Rede, die Sie, Frau Lorenz, offenbar selber geschrieben haben,
und die zweite, die Sie gehalten haben. Ich zitiere nur aus der zweiten Rede. Wenn ich die erste Rede nehmen würde, Frau Lorenz, dann muss ich Ihnen sagen – und das werfe ich Ihnen vor! –, wenn Sie das vor zehn oder vor acht Jahren gesagt hätten, könnten wir darüber diskutieren, aber Sie haben das vor wenigen Tagen gesagt, nachdem Sie für das Amt des Bürgerbeauftragten nominiert worden sind! Und geschrieben haben Sie es in gleicher Art und Weise. Deswegen müssen wir über Sie debattieren, über Ihre Haltung zum DDR-Staat und auch über Ihre Haltung zum Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland.
War es gerecht, Menschen ihre Berufsausbildung zu verwehren, nur weil sie sonntags zur Kirche gingen? War es gerecht, berufliche Entwicklungen weniger auf die eigenen Fähigkeiten als auf die Systemkonformität auszurichten?
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Was denn? Reden Sie jetzt von der Rolle des Bürgerbe- auftragten oder reden Sie über Frau Lorenz? – Lorenz Caffier, CDU: Das gehört ja wohl dazu.)
zu den Thälmann-Pionieren zu gehen, die sich geweigert hatten, in die Freie Deutsche Jugend einzutreten,
die nicht ihren Beruf ergreifen durften, was sagen Sie denen in Ihrer Bürgersprechstunde? Was sagen Sie diesen Menschen?
Nur, welche Menschen wenden sich an den Petitionsausschuss oder an den Bürgerbeauftragten? Sind dies nicht Menschen, die als letzten Strohhalm die Hilfe der in der Verfassung auch so bezeichneten Anwälte der Bürger suchen? Das sind doch keine Menschen, die die Kraft und Stärke aufbringen, sich politisch auseinander zu setzen.