Und deshalb finde ich auch die Forderung richtig, dass die DB AG und damit der Bund als Eigentümer der DB die Finanzierung auf der Interregiostrecke Rostock–B e r l i n weiterhin gewährleistet und das Land nicht gedrängt wird,
aus seinen ohnehin schon kaum ausreichenden Regionalisierungsmitteln einen Teil der Finanzierung dieser Strecke zu übernehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Interregioverkehr wurde Ende der 80er Jahre vom Management der damaligen Deutschen Bundesbahn gezielt als ein Produkt entwickelt, das einerseits das große Marktsegment des Verkehrs zwischen Nah- und Fernverkehr bedienen, andererseits in diesem Segment auch eine dem Intercityverkehr vergleichbare hohe Qualität – mit Takt, Tempo und Komfort – bieten sollte. Diese Strategie war, Angaben der Bahn zufolge, bis Mitte der 90er Jahre durchaus erfolgreich. Die Züge des Interregioverkehrs erwiesen sich nach den Nahverkehrszügen als das Produkt mit den meisten Fahrgästen, es zählte mehr Fahrgäste als Züge des Intercity- oder des ICE-Verkehrs. Im Geschäftsbericht 1995 wurde nahezu euphorisch festgestellt: „Der Interregio bietet nun ein nahezu flächendeckendes attraktives Schienenangebot.“
Knapp ein Jahr später, also 1996 und nicht erst in diesem Sommer, Herr Seidel, meldete die Zeitschrift „Bahnreport“ den Beschluss des Bahnvorstandes, „innerhalb der nächsten fünf Jahre den Interregio abzuschaffen“. Und spätestens an dieser Stelle wäre anzumerken, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU, dass es einige Jahre gedauert hat, bis Sie aufgewacht sind.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Das stimmt überhaupt nicht.)
Sei es wie es sei, seit Verkündung dieses Beschlusses der Bahn wurden Interregioverbindungen in der Taktdichte reduziert, Anschlüsse zu anderen Zügen wurden verschlechtert.
So geht eben der Verlust von Reisenden im Interregioverkehr nicht auf eine verschlechterte Nachfrage zurück, sondern vielmehr auf Verschlechterungen in Angebot und Qualität.
Und diese Strategie soll fortgeführt werden. Am 28. September diesen Jahres verkündete die Bahn ein neues Konzept mit dem vielsagenden Namen MORA (Marktorientiertes Angebot). Ziel dieses Konzeptes ist ein erneuter qualitativer und quantitativer Einschnitt im Fernverkehr der Bahn im Allgemeinen und im Interregioverkehr
im Besonderen. In zwei Stufen soll bis zum Jahr 2003 das Interregionetz weitgehend abgeschafft werden. Daher ist es für mich eine sehr fadenscheinige Begründung, wenn festgestellt wird, dass die meisten Fahrgäste den Interregio auf der Strecke Rostock–Berlin als Nahverkehrsreisende nutzen und das Land deshalb mit in die Finanzierung einsteigen soll. Es ist natürlich die Frage zu stellen, wann festgestellt wird, dass beispielsweise auf der Interregiostrecke Binz–S t r a l s u nd–Berlin die meisten Reisenden den Interregio als Nahverkehrsreisende nutzen
und das Land bitte schön in die Finanzierung mit einsteigen möge. Diese Pläne zielen auf einen zweckentfremdeten Einsatz von Bundesmitteln ab, denn die Länder werden vor die Entscheidung gestellt, entweder den Nahverkehr wie bisher zu bestellen, womit die Streichungen im Interregioverkehr voll durchschlagen würden, oder aber für reduzierte Interregioverkehre teilweise Ersatz zu schaffen und wie im vorliegenden Fall mit in die Finanzierung einzusteigen, wodurch aber anderer Nahverkehr abzubestellen wäre. Die Regionalisierungsmittel, das ist allen bekannt, die unser Land vom Bund erhält, sind endlich und der Einsatz der Regionalisierungsmittel ist per Gesetz vorgegeben.
So heißt es in Paragraph 7 des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs: „Mit dem Betrag... ist insbesondere der Schienenpersonennahverkehr zu finanzieren.“ Um mit den uns zur Verfügung gestellten Mitteln effektiv umgehen zu können und damit eine weitere Ausdünnung des Schienenpersonennahverkehrs im Land zu verhindern, ist daher entweder an der bisherigen Regelung festzuhalten, wonach Interregioverkehr als Fernverkehr definiert wird und somit aus den Mitteln der DB AG zu bezahlen ist, oder es ist in Absprache mit der Deutschen Bahn AG und den Ländern eine neue Regelung zu vereinbaren, nach welcher Interregioverkehr vergleichbar dem Nahverkehr durch die Länder zu bestellen und vom Bund gemäß Regionalisierungsgesetz zu finanzieren ist. Im letzten Fall müssen jedoch diese Bundesmittel in entsprechendem Umfang erhöht werden. Die Höhe der Regionalisierungsmittel für Zugbestellungen der Länder ist festgelegt. Damit werden auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern Regionalexpress-, Regionalbahn- und Stadtexpresszüge bezahlt. Jede Mitfinanzierung von Interregiozügen ohne Erhöhung der Regionalisierungsmittel durch den Bund liefe darauf hinaus, Nahverkehrszüge im Land zu kippen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Sinne der dringend notwendigen Wende in der Verkehrspolitik ist es für mich daher nicht möglich, das Angebot der Bahn hinsichtlich der Interregiostrecke Rostock–Berlin zu akzeptieren.
Erneute Verhandlungen mit der Bahn und dem Bahneigentümer, also dem Bund, sind aus meiner Sicht daher dringend geboten. Auch das ist Ansatz unseres Änderungsantrages. Und Sie waren alle lange genug in einer Koalition, um zu wissen, wie solche Anträge dann am Ende entstehen. – Danke schön.
Herr Wirtschaftsminister, eine Sache vorweg: Sie sind unser Wirtschaftsminister und nicht der Alibiminister für den Bund,
Und als kleines geschichtliches Beispiel zuvor ein Zitat unseres großen Klassikers Johann Wolfgang von Goethe: „Um Deutschland ist mir nicht bange, das werden die Lokomotiven tun.“ Als universaler Zeitgeist hat er schon zu seiner Zeit der Eisenbahn wahrhaftig bahnbrechende Weichenstellungen zur Überwindung der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse der deutschen Kleinstaaterei zugedacht. Auch ganze 200 Jahre später sprechen wir von den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit. Und da sind wir froh, dass wir als CDU-Bundespolitiker dafür die Weichen gestellt haben vor ein paar Jahren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD, und Andreas Bluhm, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)
Alle Zwischenrufe nehme ich heute entgegen mit dem Slogan „Wir wollen Interregios und keine Regionalzüge“.
Das Ziel ist – so die Deutsche Bahn in ihrem Magazin „Deutsche Bahn mobil“ – mehr Kundennähe. Sie sehen, Herr Ritter, wir lesen ab und zu die gleiche Zeitung, nicht,
Mit der Bahnreform Teil 2 will das Unternehmen mit neuen Strukturen den Markt noch besser bedienen. Man höre! Entscheidend für den langfristig unternehmerischen Erfolg der zweiten Stufe der Bahnreform ist die Art und Weise, wie jeder von uns die neu geschaffenen unternehmerischen Rahmenbedingungen nutzt. Die Art und Weise hat die Bahn dem Land Mecklenburg-Vorpommern nun angesagt. Für die Linie 34 Rostock–Berlin schlägt die Deutsche Bahn AG einen plumpen Ersatz der Interregios gegen Regionalzüge zu. Und nun kommt die eigentliche Ansage. Die Finanzierung obliegt den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg.
Das heißt im Klartext: 11,7 Millionen DM unserer Landesmittel sollen für Leistungen bereitgestellt werden, für die unser Land laut Grundgesetz Artikel 87 e Absatz 4 nicht zuständig ist.
(Jürgen Seidel, CDU: Was sagt denn die Finanzministerin? Gar nichts. – Wolfgang Riemann, CDU: Die sagt dazu gar nichts.)
Aber viel interessanter ist für mich als Landespolitikerin der unternehmerische Ansatz. Die Deutsche Bahn AG verkündet, dass das Angebot der Linie 34 am 07.09.2000, immerhin noch drei Interregiozüge laufen zu lassen, keinen Sinn – also wiederum unternehmerisch – macht.
Aus dem Bundeskanzleramt von Ministerialdirektor Herrn Thiemann vom September 2000 an den Wirtschaftsausschuss/Landtag ist zu lesen: „Meine Rückfrage im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat ergeben, dass die Pläne der Deutschen Bahn AG im Einzelnen bislang dort nicht bekannt sind.“
(Dr. Christian Beckmann, CDU: Hört, hört! – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)
Und im Übrigen ist zu lesen: „Die Deutsche Bahn AG entscheidet über die Ausgestaltung des Angebots im Schienenpersonenfernverkehr in eigener Verantwortung.“