Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Landesregierung?)

Hier möchte ich noch einmal betonen, meine Damen und Herren, nicht Sie haben hier verhandelt, sondern die agierende Landesregierung,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

nämlich insbesondere der Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister

(Wolfgang Riemann, CDU: Und die SPD hat geschlafen.)

und der stellvertretende Ministerpräsident Herr Holter, jawohl!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Denn nach dem Ausbau auf 160 Kilometer pro Stunde hat die Strecke ab 2006 wieder das Potential zu einer Interregiostrecke.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So lange stellen wir erst mal ein. – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Und dass die Deutsche Bahn AG diese dann auch wieder als eine solche betreibt, darauf muss die Landesregierung dringen.

In der Zwischenzeit steht die Landesregierung in der Pflicht, die Verbindungen zu sichern und die Verbindungsalternativen zum Pkw auf Nah- und Fernstrecken zu erhalten. Das heißt jedoch nicht, dass damit die Landesregierung auch automatisch für die Kostenübernahme eintreten muss. Der Bund wird seiner verfassungsmäßigen Verantwortung zur Bereitstellung von Schienenverkehrsangeboten nicht gerecht, wenn er akzeptiert, dass die Schienenpersonenfernverkehrsverbindungen sich immer mehr auf die Ballungsräume konzentrieren und damit große Gebiete Deutschlands, nämlich dünner besiedelte Regionen, vom Netz abgeschnitten werden, und wenn er es den Ländern überlässt, die Kosten für den Ausgleich des Rückzugs der DB AG aus dem Schienenpersonenfernverkehr alleine zu tragen. Daher muss sich die Landesregierung weiterhin vehement dafür einsetzen, dass die Strecke Rostock–Berlin auch weiter aus Bundesmitteln finanziert wird.

Meine Damen und Herren! Das Anliegen des hier diskutierten Antrages der Opposition, nämlich die Aufrechterhaltung der Interregioverbindung zwischen Rostock und Berlin als wesentliches Element der Verkehrsinfrastruktur unseres Landes, tragen wir mit. Jedoch kann die Landesregierung eine Finanzierung aus Bundesmitteln nicht gewährleisten, sie kann lediglich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und Argumenten in den Verhandlungen mit der Bundesregierung auf eine Kostenübernahme durch den Bund dringen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die so dünn sind wie Ihre Reden, Herr Bräunig! – Dr. Ulrich Born, CDU: Auf unsere Kosten! Lassen Sie Frau Keler mal sprechen!)

Daher, Herr Riemann, werden wir dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Reinhardt Thomas, CDU: Das ist doch nicht zu fassen!)

Danke schön, Herr Bräunig.

Meine Damen und Herren, ich bitte, in der Debatte und auch in den Zwischenrufen unparlamentarische Worte nicht zu benutzen!

Da es ein Problem gegeben hat, möchte ich hier bekannt geben: Der Abgeordnete Herr Gerloff ist heute entschuldigt und befindet sich auf einer Konferenz in Danzig.

(Wolfgang Riemann, CDU: Da haben sie ihn hingeschickt!)

Ich schließe die Aussprache.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Annegrit Koburger, PDS: Langsam reicht es aber! – Glocke der Vizepräsidentin)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1724 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke.

(Jürgen Seidel, CDU: 12 Millionen ins schwarze Loch!)

Enthaltungen? –

(Ministerin Sigrid Keler: Von Ihnen hätte das nicht kommen dürfen, Herr Seidel.)

Damit ist der Änderungsantrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1724 mit den Stimmen der Fraktionen der PDS und SPD gegen die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1642 mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. –

(Jürgen Seidel, CDU: 12 Millionen im Eimer.)

Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Danke.

(Angelika Gramkow, PDS: Herr Seidel hat mal wieder nichts Gutes im Sinn.)

Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1642 mit den soeben beschlossenen Änderungen mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Stimmenthaltung der CDU-Fraktion angenommen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Herr Seidel, ich dachte immer, Sie können lesen. Das dachte ich immer. – Jürgen Seidel, CDU: 12 Millionen.)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/1643.

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/1643 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Müller von der Fraktion der PDS. Bitte schön, Frau Müller.

Werte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren in diesem Plenum! Wieder einmal haben wir hier das Thema Arbeit und in dem spezifischen Falle Arbeit, Arbeitsförderung für Menschen mit Schwerbehinderungen. Arbeit ist ein Wert an sich und für alle Menschen bedeutet Arbeit Selbstachtung, Selbstbestimmung, also Wert für den Menschen.

Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland seit vielen Jahren ein Arbeitsschutz- beziehungsweise Arbeitssicherungsgesetz für Menschen mit Schwerbehinderungen, was bestimmte Dinge regeln, unterstützen und sichern sollte. Immer mehr in den letzten Jahren haben wir aber merken müssen, dass die bestehende Gesetzlichkeit, so, wie sie eigentlich greifen soll, nicht greift. Deshalb wurde zum 01.10. diesen Jahres ein novelliertes Arbeitsfördergesetz für Schwerbehinderte vorgelegt und bereits beschlossen.

Das vorliegende novellierte Arbeitsfördergesetz für Schwerbehinderte ist ein Kompromiss, und zwar ein Kompromiss zwischen den Betroffenen, also den eigentlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Arbeitgebern der Wirtschaft. Bestimmte Dinge wurden darin verändert, umstrukturiert, dargestellt auf die Weise, wie sie von den Betroffenen beziehungsweise von den Arbeitgebern gefordert wurden, und stellen sich zum Beispiel in einer Senkung der Beschäftigungsquote dar. Bisher war die Beschäftigungsquote 6 Prozent, also im Betrieb ab 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Behinderter, jetzt ab 20. Geändert wurde die Abgaberegelung, und zwar wurde jetzt eine Staffelung eingeführt für nichtbelegte/ -besetzte Arbeitsplätze in der Summe von 200 bis 500 DM. Es wurden in das neue Arbeitsfördergesetz für Schwerbehinderte fest integriert die Problematik Integrationsfachdienst, die Problematik Integrationsfirma und es besteht zum ersten Mal ein Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz für Schwerbehinderte.

Das wichtige Ziel dieses Arbeitsfördergesetzes ist es meines Erachtens, dass es in den kommenden zwei Jahren 50.000 arbeitslose Schwerbehinderte weniger sein sollen in Deutschland, was auf Mecklenburg-Vorpommern runtergerechnet 1.400 neue Arbeitsplätze bedeutet und wenn wir ganz strikt und streng rechnen wollen – das wurde vom Arbeitsamtsbezirk Nord bereits gemacht –, jeden Arbeitstag zwei Arbeitsplätze.

Darauf aufmerksam machen muss ich, dass mit diesem Arbeitsfördergesetz nicht gemeint ist, neue ABM-Stellen zu schaffen, neue Strukturanpassungsstellen zu schaffen oder Ähnliches, sondern wirklich gemeint sind neue Arbeitsplätze.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Dafür müssen natürlich viele Menschen zusammen an den Tisch, um zu sehen, auf welche Art und Weise das gemacht werden kann, denn es müssen ja ganz einfach neue Möglichkeiten geschaffen und bestimmte Hemmnisse überwunden werden.

Wie könnten wir uns das vorstellen und welches Signal sollte heute hier von unserem Parlament ausgehen? Ich

denke, dass der Fakt, dass im Moment noch Menschen mit Schwerbehinderungen im Bündnis für Arbeit kein Sprachrecht haben, abgeschafft werden müsste, denn eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Wirtschaftsministerium, der Hauptfürsorgestelle und Betroffenengremien ist unabdingbar, um Schwerbehindertenarbeitsplätze zu schaffen. Denn wir müssen ja sehen, es geht auch darum, richtig neue Ausbildungsbilder ins Visier zu nehmen, denn immer mehr brechen klassische Schwerbehindertenarbeitsplätze weg, werden einfach nicht mehr gebraucht. Der Bedarf ist in der Zwischenzeit ein anderer. Es sind alle Möglichkeiten auszuloten, wie wir zum Beispiel im Bündnis für Arbeit zu einer breiten Front der Zusammenarbeit kommen, um Leistungsfähigkeit von Schwerbehinderten einmal darzustellen und natürlich auch zu untermauern. Und dazu gehört sofort die Aufklärung über Leistungsfähigkeit von Schwerbehinderten und über bestimmte Dinge des Arbeitsrechtes.

Leider ist es bis zum heutigen Tag so, dass bei vielen Arbeitgebern, was die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen betrifft, nur ein Fakt im Kopf hängen geblieben ist, nämlich der Fakt, dass ich sie angeblich nicht kündigen kann. Zugegeben, eine schwerbehindertenbedingte Kündigung ist fast unmöglich, aber in Zusammenarbeit mit Hauptfürsorgestellen hat man immer Möglichkeiten gehabt, bestimmte Prämissen zu setzen, bestimmte Wege zu finden. Und letztendlich ist ein schwerbehinderter Mensch ein Arbeitnehmer, der natürlich bei bestimmten Dingen, die nicht ins Arbeitsleben passen, gekündigt werden kann wie jeder andere auch. Es ist also ein Problem des Umgangs miteinander.

Bei der schon stattgefundenen Arbeitmarktkonferenz am 19. Oktober 2000 hier in Schwerin im Gemeinsamen Haus mit dem Arbeitsamtsbezirk Kiel, mit Arbeitgebervertreterinnen und -vertretern in Form von IHK, Handwerkskammer, anderen Arbeitgebern und Betroffenenverbänden wurde herausgestellt, dass zwar die profane Bemerkung, wir wollen ja Schwerbehinderte einstellen, sehr wohl da ist, man verweigert sich nicht von vornherein, aber das Wissen um das Wie – welche Rechte und welche zusätzlichen Dinge verankert sind – ist schon ziemlich gering.

Im Hinblick auf Arbeitsplatzausstattung, auf Arbeitsplatzassistenz, auf begleitende Hilfe bei der Wiedereingliederung ist sehr viel zu tun an Aufklärungsarbeit. Wir müssen, um dieses Gesetz wirklich umsetzen zu können, hier in Mecklenburg-Vorpommern alle an einem Strang ziehen. Das bedeutet Akzeptanz untereinander und, das möchte ich betonen, die einen wie die anderen dürfen nicht gegensätzlich am Tisch sitzen, sondern nebeneinander. Die Integrationsfachdienste, die jetzt im Schwerbehindertengesetz verankert sind, sollen eine große Rolle dabei spielen. Integrationsfachdienste sollen helfen, langzeitarbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderung den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt dahin gehend zu erleichtern, dass erst einmal gesehen wird, was ist an Ausbildungsgrundlage da, was muss spezifisch angeboten werden an Weiterbildung, was ist für bestimmte Betriebe notwendig an Ausstattung und so weiter und sofort, damit für die Betriebe die Kriterien des zusätzlichen Aufwandes so gut und so gering wie möglich gehalten werden können.

In dem Zusammenhang möchte ich auch gleich einen kritischen Blick werfen auf den Stellenpool, der hier beim Land geschaffen wurde, also sprich bei den Ministerien. Eine Vermittlung wurde geschaffen für 36 schwerbehin

derte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Abgabe von 464 Einstellungsgesuchen. Die Summe an sich stellt sich ganz gut dar, trotzdem muss natürlich gefragt werden: Wie hat der Stellenpool dahin gehend gearbeitet, dass wir im Land wenigstens annähernd der Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten gerecht werden?

Um es nicht gleich von vornherein wieder als Rundumschlag oder Kritik verstanden zu wissen, spreche ich von einer Analyse dahin gehend, dass wir uns dann fragen müssen: Was hat dazu geführt, dass bestimmte Beschäftigte nicht eingestellt werden konnten? Welche Hemmnisse waren da? War es in der Bildung oder war es zum Beispiel Nichtbarrierefreiheit des Hauses? War es ein Unverständnis auf beiden Seiten oder ein Unverständnis auf einer Seite? Wenn ja, welches? Sind auch wirklich alle Möglichkeiten genutzt worden, die laut Arbeitsfördergesetz für Schwerbehinderte bestehen, um die Einstellungsmodalitäten so gut wie möglich zu gestalten?