Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

(Steffie Schnoor, CDU: Ja und?)

Mir ist das so nicht bekannt, aber mir ist bekannt die Aussage von den Kulturdezernenten dieser Städte,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

die darauf hingewiesen haben, dass die Parlamente entsprechend einstimmig zu solchen Beschlüssen gekommen sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schnoor von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Frau Schnoor.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also manchmal habe ich hier schon den Eindruck, wir leben in unterschiedlichen Ländern und haben deswegen so unterschiedliche Erfahrungen und unterschiedliche Feedbacks von den Betroffenen.

Herr Friese, wenn Sie Ihre Termine auch einhalten würden, die Sie machen, dann wären Sie indem einen oder anderen Punkt vielleicht etwas besser informiert. Das zum einen.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Warum sind Sie denn schon wieder so zickig, Frau Schnoor? – Wolfgang Riemann, CDU: Er ist doch Bürgermeister, er kann das nicht immer.)

Und zum anderen: Wenn seitens der CDU Konzepte für die Lösung von Theaterstrukturproblemen hier eingebracht werden und sie von den Koalitionsfraktionen abgelehnt werden, dann, glaube ich, ist es nicht ganz fair zu sagen, wir sollen doch mal Konzepte vorlegen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Richtig.)

Auf die anderen Vorredner werde ich eingehen, falls ich am Ende meiner Rede noch Zeit übrig habe.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren! Es geht nicht um Unkenntnis, die Kultusminister Professor Kauffold, der eigentlich ein solcher ja gar nicht sein wollte, der CDU-Fraktion jüngst vorwarf, sondern, meine Damen und Herren, es geht um viel mehr. Es geht um die Ernsthaftigkeit in der Diskussion aus der Kenntnis um den wahren Zustand unserer Theater und Orchester. Der ist ausgesprochen gut, wenn man den Besucherzahlen Glauben schenken darf, und das tun wir. Nur, meine Damen und Herren, die Situation derer, die die Theater und Orchester finanzieren, lässt zu wünschen übrig, und das nicht erst seit heute. Das ist seit 1997 ein Problem. Jetzt können ja alle wieder die Schuld auf die CDU schieben,

(Harry Glawe, CDU: Genau.)

aber ich möchte Sie doch daran erinnern, dass bereits 1997 sowohl das Kultus- als auch das Finanzministerium von der SPD geführt wurden.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Bei den beiden Damen. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ach, die arme CDU! Die arme CDU! Ich könnte weinen.)

Meine Damen und Herren! 100.000 DM hat die am Montag vorgestellte Expertise gekostet. Diese Expertise bescheinigt der Landesregierung einen Zielkonflikt in der Theater- und Orchesterpolitik.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS)

Also ich habe eine lehrererprobte Stimme, ich kann es noch ein bisschen lauter versuchen. Ich glaube, ich schaffe es noch.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wer dazwischen- ruft, muss auch mit Zwischenrufen leben können, Frau Kollegin!)

Die CDU benennt seit Jahren diesen Zielkonflikt und sie hat es auf der Grundlage des nunmehr öffentlich bekannten Gutachtens wieder getan. Dieser Tatsache mit dem Vorwurf der Unkenntnis zu begegnen zeugt einmal mehr vom gestalterischen Unwillen der Landesregierung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Seit geraumer Zeit wird der Kulturminister wider Willen nicht müde, auf die eigentlichen Verantwortlichen der Theaterstruktur zu verweisen, nämlich die Kommune.

(Wolfgang Riemann, CDU: Es gibt doch kein Geld.)

In keinem anderen Politikfeld wird so auf die Verantwortlichkeit der theatertragenden Kommunen gepocht, obwohl das Land mehr als die Hälfte der Mittel für die Finanzierung dieser bereitstellt. In keinem anderen mir bekannten Fall weist das Land gestalterische Verantwortung so konsequent zurück. In einem Unternehmen, in dem eine Person oder ein Gesellschafter mehr als die Hälfte der Anteile hält, bestimmt dieser die Geschäftspolitik. In Mecklenburg-Vorpommern ist das aber offensichtlich nicht so.

(Siegfried Friese, SPD: Der Vergleich hinkt ja wohl!)

Manchmal kann man sagen, vielleicht zum Glück. Aber in einer Zeit, in der auch durch das Land die kommunalen Mittel bei wachsender Aufgabenvielfalt weiter zurückgehen, kann sich der maßgebliche Geldgeber nicht so

(Siegfried Friese, SPD: Der Vergleich hinkt ja wohl.)

einfach aus der Verantwortung stehlen und Prozesse einfach nur moderieren.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bartels.

Ja, bitte.

Bitte sehr, Herr Bartels.

Frau Schnoor, können Sie mir bitte erklären, an welchem Theater das Land die Mehrheit der Anteile hält in diesem Land?

(Heiterkeit bei Heidemarie Beyer, SPD)

Wenn Sie sich die Theaterfinanzierung angucken, kommen derzeit 70 Millionen DM aus dem Finanzausgleich, und wenn Sie sich angucken, was die Theaterfinanzierung insgesamt kostet, dann ist das mehr als die Hälfte der insgesamt ausgereichten …

Ich habe die Expertise gelesen, das wusste ich auch vorher schon. Aber ich habe gefragt, …

(Zurufe von der CDU: Fragen, Fragen!)

Das steht nicht nur in der Expertise, sondern das können Sie auch aus den Theaterwirtschaftsplänen ersehen.

(Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

Ich glaube, ich fahre jetzt besser fort, Herr Bartels, am Ende können wir gerne weiterdiskutieren.

Danke für die Nichtbeantwortung.

Es geht momentan doch gar nicht um eine künstlerische Neuordnung der Theaterlandschaft, es geht lediglich um eine Verwaltung des Mangels.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Und das ist schlimm, ja.)

Das ist auch der hauptsächliche Vorwurf, den wir an Sie zu richten haben. Und weil dies so ist – und das bestätigt auch die Expertise –, sehen Sie sich, sehr geehrter Herr Kulturminister, zur Moderation eines längst verlorenen Prozesses genötigt, quasi als Schadensbegrenzung. Dabei wollen Sie nicht die nötigen schmerzhaften Entscheidungen treffen, obwohl die Deckelung der Landeszuschüsse für die Theater die Ursache für die fortwährende Misere darstellt.

Das Land hat, wie auch die Gutachterin aussagte, qualitativ hochwertige Ensembles, die vom Publikum auch angenommen werden. Die Resonanz auf das Theaterund Konzertangebot ist auf jeden Fall nicht der Grund für Fusionen und Schrumpfungen. 1997 wurden im kommunalen Finanzausgleich 70 Millionen DM für die Theaterförderung festgelegt. Diese 70 Millionen DM haben im Jahr 2001 ungefähr einen Gegenwert von 59 Millionen DM. Bei jährlichen Tarifsteigerungen und Inflationen müssen wir nämlich demnach schon heute ein tatsächliches Defizit von mehr als 11 Millionen DM zur Kenntnis nehmen. Dass dieses Defizit nicht zu Buche schlägt, ist einzig und allein den theatertragenden Kommunen zu verdanken

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

beziehungsweise der Leidensfähigkeit der Schauspieler, Sänger, Musiker und Tänzer, die auf Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld verzichteten, um das kulturelle Angebot der Theater und Orchester auf dem anerkannt hohen Niveau zu halten. Das, meine Damen und Herren, sind die nüchternen Tatsachen.

Aber nun hat der Deckel vom brodelnden Topf abgehoben. Schwerin steht vor der Entscheidung, Sparten zu schließen, das Orchester zu verkleinern. Personal wird auf jeden Fall abgebaut. Rostock will ganz auf das Theater verzichten, weil die kommunalen Schulden die Stadt erdrücken. Das Vorpommern-Theater kann sich auch nur noch mit Haustarifen helfen, die privatrechtliche Organisationsform macht es möglich. Auch die Fusion von Mecklenburg-Strelitz und Neubrandenburg, die ja hier immer so hoch bejubelt wird, ist mit Personalabbau und damit mit einem Verlust an attraktiven Angeboten verbunden. Theaterverträge sind ein Mittel zur Verwaltung des Mangels an reell verfügbaren Mitteln, aber nicht Ausdruck einer künstlerischen Neuordnung der Theater- und Orchesterlandschaft.