Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Mal abgesehen davon, dass in vielen Antworten ganz unterschiedlicher Regierungen davon ausgegangen wird, dass konkrete Zahlen nicht geliefert werden können, dass sie nicht miteinander vergleichbar wären, dass sie nicht klar voneinander abzugrenzen wären und was es sonst noch alles so für Verschleierungsgründe gab, alles unterm Strich liegt die Unterrichtsversorgung in dem Zeitraum 1992 bis heute in der Regel bei 93 Prozent, der reine Stundenausfall zwischen 2,2 und 3 Prozent. Die Schwankungen sind also relativ gering.

Neu in dieser Legislaturperiode ist, dass erstmals die rechnerische Unterrichtsversorgung mit Stellen untersetzt bei 100 Prozent liegt. Das war vorher nie der Fall und hatte eine Verschiebung von kw-Vermerken in der Größenordnung von 450 zur Folge. Ich will ja gerne zugestehen, dass es notwendig wäre, eine rechnerische Unterrichtsversorgung von 103 Prozent mit Stellen zu planen, um Ausfälle zu kompensieren. Aber das allein reicht ja nicht aus, denn ich brauche auch die dazugehörigen fachgerechten Lehrer. Doch dazu später.

Was sagt uns das Ergebnis der Analyse? Es gibt seit 1992 ein Problem, das nicht gelöst werden konnte, weder von der CDU noch von der SPD in ministerieller Verantwortung, und, meine Damen und Herren, der Ehrlichkeit halber, auch in dieser Legislaturperiode noch nicht, was den Lehrerbedarf in Mangelfächern betrifft.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Was aber nicht heißt, dass die PDS …)

Und da mutet es schon ein wenig seltsam an, wenn die CDU-Fraktion heute so tut, als hätte sie eine Lösung für das Problem. Aber ich bin ja schon froh, dass die CDU jetzt auch ihr Herz für den HR-Bereich entdeckt hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Da kann ich aber nur sagen: Warum haben Sie dieses alles nicht getan, als Sie es tun konnten? Auch Sie scheiterten damals – und da gibt es spannende Zitate des damaligen Ministerpräsidenten Herrn Seite – an den finanziellen Rahmenbedingungen. Und die haben sich seit den vergangenen Jahren im Land nicht verbessert, sondern verschlechtert.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Damit ich nicht falsch verstanden werde, die Situation der praktischen Unterrichtsversorgung und des Unterrichtsausfalls ist nicht zu negieren und auch nicht schön zu reden.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Sie ist ein ernst zu nehmendes Problem und die Auswirkungen auf den Bildungs- und Erziehungsprozess sind nicht zu bestreiten. Was aber besonders wichtig ist, ist eine realistische Analyse der Ursachen, der Verursacher und die konsequente Umsetzung der sich daraus ableitenden Schlussfolgerungen. Pauschalurteile oder auf Vermutungen basierende Aussagen machen keinen Sinn, denn es gibt innerhalb des Schulsystems erhebliche Unterschiede in den einzelnen Schularten und in den territorialen Verteilungen. Es gibt unterschiedliche Reaktionszeiten von Schulleitungen und Schulämtern auf eintretenden Ausfall. Es gibt sehr unterschiedliche Bedingungen für die Unterrichtsversorgung in der Abhängigkeit von der Größe der Schulen. Es ist doch ganz unstrittig, dass ein vierzügiges Schulsystem an einem Objekt viel besser Unterrichtsvertretungen organisieren kann als ein einzügiges. Es gibt unterschiedliche Bedingungen hinsichtlich des Fachs, in dem der Unterricht ausfällt, was Mangelfächer betrifft, aber auch die Altersstruktur und die damit verbundenen Probleme.

Jawohl, ich möchte eins an dieser Stelle formulieren: Ohne eine vernünftige Fortschreibung des Lehrerpersonalkonzepts ist eine langfristige Verbesserung nicht zu erreichen. Wer dies nicht will, nimmt auch künftig erheblichen Unterrichtsausfall in Kauf.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion Herr Schlotmann. Bitte sehr, Herr Schlotmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Vorab, Frau Schnoor, Sie arbeiten wirklich nach dem Motto „Frechheit siegt“, habe ich den Eindruck, denn ich glaube oder ich weiß sehr genau, dass Sie es waren, die in diesem Land das dreigliedrige Schulsystem eingeführt hat, das zur Zweiklassenbildung führt.

(Steffie Schnoor, CDU: Das war Herr Wutzke!)

Sie werden mit Ihrer Frechheit trotzdem nicht siegen, das verspreche ich Ihnen.

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

Meine Damen und Herren, zum wiederholten Mal beschäftigen wir uns heute mit dem Thema Schule in Mecklenburg-Vorpommern.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Klar ist, Schule ist ein für die Zukunft des Landes zentraler Bereich. Und es ist gut und richtig so, wenn sich alle

hier im Landtag vertretenen Kräfte darüber ihre Gedanken machen, denn es zeigt einmal mehr, die Zukunft der Schulbildung unserer Kinder muss uns allen von besonderer Wichtigkeit sein. Die Ernsthaftigkeit dieses Themas gebietet es aber auch, damit nicht Schindluder zu betreiben. Und so bitte ich alle an der Diskussion Beteiligten zunächst einmal: Denken Sie immer daran, dass wir heute über die Zukunft von Schülerinnen und Schülern sprechen! Nutzen Sie dieses Thema nicht für politische Spiegelfechtereien!

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Denn manchmal habe ich den Eindruck, dass Oppositionsvertreterinnen und auch manchmal -vertreter

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

dieses Feld nur allzu gern für ihre eigene Ideologie missbrauchen.

Meine Damen und Herren, wer über die Zukunft der Schule in Mecklenburg-Vorpommern redet, muss sich nicht erst seit heute mit sinkenden Schülerzahlen und der demographischen Entwicklung auseinander setzen. In dieser Situation ist das Lehrerpersonalkonzept unter Beteiligung aller Betroffenen ausgehandelt worden. Und so grenzt es heute an Scheinheiligkeit hoch drei, wenn sich die ehemalige Kultusministerin Frau Schnoor hinstellt und mit Begriffen wie Horrorliste und Ähnlichem meint, sich als alleinige Anwältin der Schule in MecklenburgVorpommern zu präsentieren. So nicht, liebe Kollegin Schnoor!

An der Alternative zum Personalkonzept ist doch nicht zu zweifeln. Die Schülerzahlen der allgemein bildenden Schulen sind von 1991 mit rund 290.000 auf knapp 245.000 in diesem Schuljahr zurückgegangen. Und für das Schuljahr 2008/09 werden laut Prognose gar nur noch 130.000 Schüler im Lande unterrichtet werden.

(Harry Glawe, CDU: Wer ist daran schuld?)

Das sind die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Das Horrorszenario von großflächigem Lehrermangel ist angesichts dieser Zahlen geradezu absurd, meine Damen und Herren, und es wird durch die ständige Wiederholung durch CDU-Vertreter nicht richtiger oder besser.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Eltern und Schüler sehen das anders.)

Meine Damen und Herren, eines hat der Bildungsminister deutlich gesagt – und damit hat er die klare Unterstützung meiner Fraktion –, Kündigungen als Alternative zum solidarischen Lehrerpersonalkonzept wird es mit uns nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Und um Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, die Politik der ehemaligen Kultusminister Wutzke, CDU, und Schnoor, CDU,

(Wolfgang Riemann, CDU: Und Marquardt, SPD. Die SPD blendet er immer aus.)

mal eben 4.000 Lehrerinnen und Lehrer mangels Bedarf zu kündigen, wird von uns entschieden abgelehnt, meine Damen und Herren. Diese beiden Herrschaften tragen damit die Verantwortung für die Probleme,

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

die wir heute gemeinsam zu lösen haben.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Dr. Berndt Seite, CDU: Peinlich ist das. Pein- lich ist das. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ja, ich weiß nicht, wenn Sie das so lustig finden, denn von Ihren Kündigungen waren insbesondere junge Lehrkräfte betroffen. Und Sie haben damit den Grundstein gelegt für Negativentwicklungen in diesem Lande, mit deren Folgen wir heute zu tun haben.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Sylvia Bretschneider, SPD: Das stimmt. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Deswegen ist es einfach purer Populismus, wenn Sie sich heute als Anwalt der Schule aufspielen, Frau Schnoor.

(Wolfgang Riemann, CDU: Sie haben ja keine Verantwortung.)

Und ein Weiteres ist mir wichtig: Wiederholt hat Frau Schnoor das Lehrerpersonalkonzept als Ursache dafür ausgemacht, dass Lehrerinnen und Lehrer demotiviert an ihre Aufgabe herangehen würden. Pauschalisierungen in diesem Sinne helfen überhaupt nicht weiter und verzerren die Situation nur. Klar ist aber, …

(Wolfgang Riemann, CDU: Haben Sie sich eigentlich mal mit Lehrern unterhalten?)

Ja, Sie wahrscheinlich noch nie.

(Wolfgang Riemann, CDU: In der Fraktion, ja?)

Klar ist aber, das Lehrerpersonalkonzept ist eine Entscheidung für die solidarische Lösung und gegen eine je nach Bedarf anzuwendende Hire-and-Fire-Methode.