Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

denn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, stützen sich ja maßgeblich darauf, dass nach dieser Vorschrift der CDU der Vorsitz zugestanden hätte. Das sehen wir anders.

(Dieter Markhoff, CDU: Dann hätten Sie doch nicht zu wählen brauchen. Warum haben Sie denn gewählt?)

Damit bricht aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Baustein Ihrer Klage in sich zusammen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Der widerspricht sich komplett. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ihre Klage kann nur Erfolg haben, wenn der CDU beim Zugriffsverfahren der Zugriff zugestanden hätte. Dieses ist aber nicht der Fall.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Was haben die Ihnen bloß wieder aufgeschrieben?!)

Aus unserem Politikverständnis haben wir uns aber nicht auf unsere Rechtsposition zurückgezogen, sondern gleichwohl der Kommission das Recht zur Bestimmung des Vorsitzenden einräumen wollen. Und dass die Kommissionsmitglieder ebenfalls über den Vorsitz mitbestimmen wollen, kann man doch letztlich an dem Stimmergebnis in der Enquetekommission erkennen. Die vorgelegte Geschäftsordnung, die die Wahl des Vorsitzenden durch die Kommission selbst vorsieht, fand in der Kommission eine breite Mehrheit.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einen anderen Aspekt eingehen. Ich will durchaus anerkennen, dass es Fälle geben kann, in denen der Gang zum Landesverfassungsgericht unausweichlich und richtig sein kann. Nur, ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

(Lorenz Caffier, CDU: Ihre Ansicht. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Zum einen hätte es einen durchaus einfacheren und schnelleren Weg gegeben, um den Versuch der Klärung herbeizuführen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja wie denn?)

nämlich das Anrufen des Geschäftsordnungsausschusses.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Sie hätten noch während der laufenden Konstituierung der Enquetekommission eine Unterbrechung der Sitzung durch Anrufung des Rechtsausschusses herbeiführen können,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ich glaube, ich muss weinen.)

noch bevor über die Geschäftsordnung beschlossen und der Vorsitzende gewählt worden ist. Selbst nach Beschlussfassung über die Geschäftsordnung und Wahl des Vorsitzenden hätten Sie diesen Weg noch einschlagen können, einen Weg, der übrigens durch die Geschäftsordnung des Landtages vorgesehen und möglich ist. Sie wollten diesen Weg nicht. Sie haben voll und ganz …

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger?

(Heiterkeit und Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU – Georg Nolte, CDU: Anfrage!)

Sie wollten nicht. Sie haben voll und ganz auf Polarisierung gesetzt. Sie wollten nicht eine Rechtsfrage klären, Sie wollten Politik machen. Ich bin darauf gespannt, meine Damen und Herren, was das Landesverfassungsgericht dazu sagt, dass Sie den geschäftsordnungsmäßigen Weg nicht beschritten und gleich das Gericht angerufen haben. Und deshalb noch einmal: Es kann gute Gründe für den Gang zum Landesverfassungsgericht geben. Hier liegt ein solcher nicht vor. Bei Ihnen ist der Gang zum Landesverfassungsgericht ein deutlicher Mangel an politischer Kultur

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Das gibt es doch wohl nicht!)

und ein Mangel an Argumenten in den parlamentarischen Gremien.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das gibt es ja wohl nicht! – Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist eines der vornehmlichsten Rechte im Rechtsstaat, das es gibt.)

Was ich, meine Damen und Herren, …

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Das war zu SED-Zeiten so, dass es schlimm war, wenn man das Gericht anruft. – Glocke der Vizepräsidentin)

Meine Damen und Herren, was ich so anstößig finde,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist ja ein Skandal! – Herbert Helmrich, CDU: Nach dem Motto: „Wenn wir klagen, Friese fragen“!)

was ich so anstößig finde – hören Sie zu –,

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist ein verfas- sungsmäßiges Recht, das wir in Anspruch nehmen. – Glocke der Vizepräsidentin)

was ich so anstößig finde, ist Folgendes: Sie spielen sich hier wieder als Saubermänner der Nation auf, und das als Partei,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist ein Rechtsstaats- verständnis! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

die bundesweit Schlagzeilen gemacht hat.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ach, hören Sie doch auf! – Dr. Ulrich Born, CDU: Sie bestimmen, wann wir ein Gericht anrufen dürfen oder nicht?! Das ist ja unglaublich!)

Wenn die Schlagworte genannt werden „Bimbeskoffer“ und „Renten-Verbrecher-Kartei-Plakat“. Diese Partei schwingt sich hier auf,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Sie sollten still sein! Sie haben einen Bundeskanzler, der die Menschen im Land belogen hat.)

sich zum Anwalt von Recht, Ordnung und Anstand zu heben.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich sage, meine Damen und Herren, dieses werden die Menschen im Lande nicht verstehen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Wir lassen uns von Ihnen nicht vorschreiben, was wir zu sagen haben, wie wir es zu sagen haben und wann wir es zu sagen haben! – Georg Nolte, CDU: Winkeladvokaten! – Glocke der Vizepräsidentin)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, ich fahre wie folgt fort: Lassen Sie mich abschließend die Position der SPD, so, wie sie letztendlich Eingang in den Beschluss des Rechtsausschusses gefunden hat, noch einmal kurz zusammenfassen:

1. Enquetekommissionen sind besondere Formen parlamentarischer Gremien, die sich hinsichtlich Aufgabenstellung, Struktur und Zusammensetzung von anderen parlamentarischen Gremien unterscheiden.

2. Der Beschluss des Landtages vom 13.07.2000, nach dem der Enquetekommission das Recht eingeräumt worden ist, sich eine Geschäftsordnung zu geben, die von der Geschäftsordnung des Landtages abweichen darf, war rechtmäßig.

3. Die Enquetekommission hat sich in ihrer konstituierenden Sitzung auf der Grundlage des Landtagsbeschlusses vom 13.07.2000 in zulässiger Weise eine Geschäftsordnung gegeben, die rechtlich nicht zu beanstanden ist.

4. Die Wahl des Vorsitzenden der Enquetekommission ist nach demokratischen Regeln in rechtlich nicht zu beanstandender Form erfolgt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Viertens, wir fragen die SPD, ob wir ein Gericht anrufen dürfen oder nicht. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Georg Nolte, CDU)

Eine Bemerkung zum Schluss: Ich möchte die Gelegenheit nutzen, darauf einzugehen, dass Sie ja nicht nur gegen den Landtag klagen, sondern zugleich auch gegen den Landtagspräsidenten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, der hat rechts- widrig gehandelt. – Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist auch unsachgerecht, ja!?)

Ich möchte hier für die SPD-Fraktion klar sagen, dass wir den Versuch der CDU, den Landtagspräsidenten durch eine solche Klage öffentlich herabzuwürdigen

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist ein Demokratieverständnis!)

und seiner Amtsführung und Autorität zu schaden, auf das Schärfste verurteilen.