Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Wir sollten in diesem Antrag bestätigen, dass die Landesregierung bei den sehr schwierigen Verhandlungen,

(Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

die wir eben sehr sachdienlich und ehrlich dargestellt bekommen haben,

(Dr. Christian Beckmann, CDU: Ach, Frau Gramkow, Frau Gramkow!)

folgenden Grundzügen folgen soll, und bei den Verhandlungen berücksichtigen, und ich zitiere jetzt aus Ihrem Antrag, eine „verstärkte Förderung der Bildung von F&E-Netzwerken innerhalb der gewerblichen Wirtschaft“ durchzusetzen. Der Antrag weist weiterhin auf:

„– Vorzug der Vergabe-ABM vor der Regie-ABM,

verstärkte Umwandlung der ABM in öffentliche Aufträge,

Integration der Investitionshilfen nach Artikel 104a GG in den vertikalen Finanzausgleich, …“

was meiner Ansicht nach eine Grundgesetzänderung notwendig macht,

„– Abschaffung der Fehlbetrags-Ergänzungszuweisungen und Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Länder um mindestens drei Prozentpunkte“.

Interessant, interessant.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja.)

Hätten Sie das unter der CDU-Regierung und einem CDU-Finanzminister genauso gefordert?

(Wolfgang Riemann, CDU: Die hat es sogar freiwillig gemacht. Das wissen Sie genau. – Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS)

Und hinzu kommt, dass Sie dann glattweg auch noch im gleichen Antrag die Verbesserung der direkten Steuerbeteiligung der Gemeinden fordern, welcher Steuern auch immer, bezüglich der Gemeinden, und da war es nur sachdienlich, dass dieser Landtag erklärt hat, dieser Antrag war es nicht mal wert, in die Ausschüsse überwiesen zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich komme jetzt zum eigentlichen Thema, denn dieses Thema ist ernst genug,

(Wolfgang Riemann, CDU: Solches Berichts- ersuchen ist es nicht wert, aber über Inhalte kann man schon im Ausschuss diskutieren. – Barbara Borchardt, PDS: Darüber reden wir nachher noch, Herr Riemann.)

und natürlich ist klar, dass bezüglich der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland unterschiedliche Auffassungen existieren. Und genau aus diesem Grund haben wir es für wichtig erachtet, dass hier öffentlich auch über die Kompliziertheit dieses Prozesses gesprochen wird, obwohl wir damit nicht in Frage gestellt haben, dass die Koalitionsfraktionen wie im Übrigen auch der Finanzausschuss des Landtages detailliert und genau über diesen Verhandlungsstand im Internen informiert worden sind.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine rechtlich zweifelsfreie und finanzpolitisch tragfähige Lösung vorzulegen, weil die CDU-geführten Länder, die geklagt haben, dieses letztendlich durch ihre Klage erreicht haben, Herr Riemann. Und das muss man auch hinzusagen: Da war nichts mehr davon zu hören, warum denn die steuerstarken Länder jetzt auf einmal

(Wolfgang Riemann, CDU: Warum sagen Sie nur CDU? Hat sich nicht auch Hans Eichel von der SPD dazu bekannt? Warum schützen Sie Ihren Koalitionspartner, Frau Gramkow?)

den Finanzausgleich anklagen, obwohl sie vor 20 Jahren durch diesen Finanzausgleich erst zu reichen steuertragenden Ländern geworden sind.

(Wolfgang Riemann, CDU: Der ist zurückgetreten worden.)

Die PDS-Fraktion hält die Festlegungen und die Einigung auf den Korridor von 12 DM je Einwohner vom letzten Wochenende für einen tragfähigen Kompromiss und wir können mit ihm leben. Allerdings bleiben wichtige Fragen offen, auch das ist hier gesagt worden, Stichwort „Anrechnung kommunale Finanzkraft“ und „Dünnbesiedlung von Flächenländern“, was für uns als PDS allerdings auch nicht zur Debatte steht, und ich erinnere hier an die

Zusicherung der Bundesregierung, für eine sachgerechte Regelung zugunsten extrem dünn besiedelter Flächenländer stark einzutreten.

Die Verständigung zu einer Entflechtung der Mischfinanzierung – und hier reden wir über die Gemeinschaftsaufgaben regionale Wirtschaftsstruktur, Agrar- und Küstenschutz und die Frage des Hochschulbaus – kommt einer Forderung der PDS entgegen. Ein flexibler Einsatz der Mittel entsprechend dem Bedarf und weniger restriktive Vorgaben des Bundes könnten auch in Mecklenburg-Vorpommern spürbar positive Effekte bringen. Die Gefahr besteht allerdings, dass bei dieser Entflechtung nur über die Höhe der Gemeinschaftsaufgaben geredet werden soll.

In dem Zusammenhang halten wir das Bekenntnis aller Länder – und ich betone hier, aller Länder –, dass der Aufbau Ost gesamtstaatliche Aufgabe bleibt und den neuen Ländern auch über das Jahr 2004 hinaus längerfristig überproportionale Zuweisungen zustehen, für überaus wichtig. Beruhigter wäre ich allerdings, wenn ich die Zahlen, die dies beinhalten, schon kennen würde. Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz – unser Ministerpräsident hat darauf hingewiesen – wird noch viel zu tun sein. Es wird Detailarbeit zu regeln sein. Eigentlich können wir erst im Ergebnis dieser …

(Der Abgeordnete Wolfgang Riemann meldet sich für eine Anfrage.)

Im Anschluss, ja, Herr Riemann?

… Verhandlungen genau wissen, wie die entsprechenden Regelungen sich auch für unser Land gestalten werden. Offen ist dabei zum Beispiel ja wohl die künftige Regelung des Umsatzsteuerausgleiches. Bisher wurde er bis zu 25 Prozent des Länderanteils an der Umsatzsteuer nach der Steuerkraft der Länder verteilt. Und, Herr Riemann, hören Sie zu, nach dem letzten Modell der Klägerländer soll der Umsatzsteuerausgleich zwar nicht mehr abgeschafft werden, was im ersten Modell noch drin war, sondern nur noch neu gestaltet werden. Und da heißt es sogar „zugunsten der neuen Länder“. Sie können sicher sein, dass wir uns das ganz genau anschauen werden, weil auch hier die Zahlen interessant sind.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja, natürlich.)

Auf der anderen Seite bleibt das Modell – und das ist bisher nicht ausgeräumt – der Klägerländer dabei, es bei einer hälftigen Einbeziehung der Gemeindekraft in den Länderfinanzausgleich zu belassen, und sieht einen Wegfall der Hafenlasten vor, was beides dann auch wieder knallhart in Zahlen unser Land treffen könnte. Letztlich allerdings glaube ich auch, es wird einen tragfähigen Kompromiss geben, es wird ihn geben müssen, der eine ausgewogene Gesamtlösung darstellt, die im Wesentlichen keine Gewinner und Verlierer zulassen wird. Ich sage aber hier, dass es schade ist, weil diese Lösung eigentlich zu kurz greift, denn, meine Damen und Herren, der Finanzausgleich hat bis auf Ausnahmen die Unterschiede der Lebensverhältnisse seit Einbeziehung der neuen Länder in den Länderfinanzausgleich nicht wesentlich abbauen können, obwohl rein rechnerisch die Finanzkraft angeglichen worden ist. Als Ursache sehen wir, dass die alleinige Angleichung der Finanzkraft keineswegs ausreicht, den Ansatz des Grundgesetzes umzusetzen, einheitliche Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu schaffen. In der Realität ist insbesondere das Gefälle bei der Wirtschafts

kraft so gewaltig, dass alles getan werden muss, um diese Schere zu schließen.

Das bisherige System der Finanzbeziehungen ist alles andere als transparent und überschaubar. Auch deshalb wäre eine grundsätzliche Reform wünschenswert und notwendig gewesen. Es hat in der Geschichte des Finanzausgleichs bereits mehrere Änderungen gegeben, die aber alle nur oberflächlich blieben, und auch jetzt ist leider der Zeitpunkt verpasst, um eine grundlegende Reform der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland auf den Weg zu bringen.

Deshalb sehen wir uns bestärkt darin, mit unseren Vorstellungen zur Neuordnung eines Finanzausgleiches letztendlich zur Veränderung der Finanzverfassung nicht hinter dem Berg zu halten. Wir wollen eine konsequentere Durchsetzung des Konnexitätsprinzips, eine Rückübertragung von Gesetzgebungskompetenzen vom Bund auf die Länder und damit letztlich die Stärkung von Föderalismus. Die PDS erwartet von einem Maßstäbegesetz, dass es die Hauptkriterien für eine Angleichung der Lebensverhältnisse bestimmt, die sich im Niveau der Beschäftigung, der Qualität der Infrastruktur oder in dem erreichten Stand der Wirtschaftskraft ausdrücken. Daraus ergeben sich Schlussfolgerungen für die Gestaltung des horizontalen und vertikalen Finanzausgleichs.

Wir könnten uns vorstellen erstens im Ausgleich der Länder eine Annäherung der Finanzkraft auf durchschnittlich 95 Prozent und zweitens die weitere Annäherung der Lebensverhältnisse durch Bundesergänzungszuweisungen, und zwar transparent, aber zeitlich befristet. Dabei geht es uns keineswegs um eine vollständige Angleichung der Finanzkraft, sondern um die Verringerung der großen Unterschiede. Um den Ausgleich zwischen den Ländern gerechter zu gestalten, sind alle Steuereinnahmen der Länder, also auch die Gemeindesteuern, zu 100 Prozent einzubeziehen. Wenn das, was Frau Finanzministerin durch Mecklenburg-Vorpommern eingebracht hat – vielleicht 60 oder 65 Prozent –, einbezogen werden könnte, wäre das allemal schon ein Erfolg gegenüber dem, was gegenwärtig auf dem Tisch liegt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Im Rahmen der Neuordnung der Bundesergänzungszuweisungen haben wir Sonderbedarfe, die begründbar sind, zu definieren. Das ist unter anderem der Stadtstaatenstatus, der nicht allein durch Einwohnerveredlung bestimmt sein soll, und die dünne Besiedlung von Flächenländern. Die Finanzausstattung der dünn besiedelten Länder und deren Kommunen liegt mit rund 7,5 bis 10 Prozent unter dem Durchschnitt der Flächenländer. Dies zeigt, dass bei der derzeit nur 50-prozentigen Anrechnung der kommunalen Steuereinnahmen im Länderfinanzausgleich die dünn besiedelten Länder bereits schlechter gestellt sind. Das geht aus dem Gutachten von Professor Dr. Seitz zum „Einfluss der Bevölkerungsdichte auf die Kosten der öffentlichen Leistungserstellung“ hervor. Und, Herr Riemann, ich habe vorhin leise zu Ihnen gesagt, vielleicht sollten Sie wirklich die Unterlagen dazu mal lesen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Warum handeln Sie denn im FAG anders, Frau Gramkow? Warum handeln Sie denn im FAG im Lande genau andersrum?)

Meine Damen und Herren, entscheidend ist, dass bis Ende 2001 ein akzeptables Ergebnis auf dem Tisch liegt.

Nur so kann Planungssicherheit für die Länder und dafür auch für unser Land gewährleistet werden. Angesichts des jetzigen Verhandlungsstandes und dem von Frau Ministerin und Herrn Ministerpräsidenten aufgezeigten Kompromissrahmen fordern und unterstützen wir die Landesregierung dabei, weiterhin alles zu tun, um das bestmögliche Ergebnis für das Land herauszuholen. Und das kann für uns nur heißen, dass das Gesamtvolumen an Zuweisungen über den Länderfinanzausgleich und die Bundesergänzungszuweisungen möglichst längerfristig gehalten werden kann. Wir halten unseren Antrag mit dem Bericht des Ministerpräsidenten und der Ministerin für erledigt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Frau Gramkow, Sie hatten Herrn Riemann noch die Beantwortung einer Frage versprochen.

Bitte schön.

Bitte schön, Herr Riemann, Sie können die Frage jetzt stellen.

Frau Gramkow, würden Sie mir zwei Fragen gestatten?

Das muss leider die Präsidentin tun.

Gut. Dann darf ich meine erste Frage stellen. In der „Frankfurter Rundschau“ vom heutigen Tage führt der Bundesfinanzminister Hans Eichel aus, dass Überweisungen aus der Bundeskasse für Sonderlasten – und darunter fallen insbesondere die neuen Bundesländer – im Regelfall degressiv ausgestattet werden sollen. Das betrifft das Maßstäbegesetz. Wie bewerten Sie dieses?

(Götz Kreuzer, PDS: Geli, sag, du liest nicht Frankfurter Zeitung, du liest „Neues Deutsch- land“! – Heiterkeit bei den Abgeordneten)

Ich werde natürlich sagen, dass ich die Frankfurter Zeitung lese.

Also ich glaube, über Finanzausstattung der neuen Bundesländer und Kürzungen kann man nicht lachen.