Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Dieses Urteil im Bundesverfassungsgericht hat erst mal festgestellt, es wird an dem geltenden Finanzausgleich grundsätzlich festgehalten, es werden keine qualitativen Aussagen zum Finanzausgleich gemacht und für ein Maß

stäbegesetz transparente begründete Grundsätze für den Finanzausgleich verlangt.

Für die Länder insgesamt und den Bund war das Urteil die Verpflichtung, Maßstäbe für den Finanzausgleich sachgerecht darzulegen und gesetzlich zu verankern. Für die klagenden Länder war der Versuch, den Finanzausgleich grundsätzlich auszuhebeln, gescheitert. Sie reagierten auf das Urteil mit einer großen Kampagne in der Öffentlichkeit, die das Ziel hatte, ihre politischen Absichten nun im Wege von Verhandlungen zu erreichen. Zehn Bundesländer haben sich im „Hannoveraner Kreis“, der übrigens schon vor dem Urteil in Karlsruhe kontinuierlich zusammengearbeitet hatte, hinsichtlich der Erarbeitung solcher Maßstäbe und Modelle noch fester zusammengeschlossen. Es sind die Länder Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Saarland und Rheinland-Pfalz. Sie merken schon, zwei arme Länder fehlen,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ich denke, es gibt keine armen Länder?)

nämlich Sachsen und Thüringen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Sie reden doch Sachsen und Thüringen schlecht, Frau Keler. – Eckhardt Rehberg, CDU: Es geht darum, dass Sie andere Länder schlecht reden!)

Und es sind neue und alte Länder, Stadtstaaten und Flächenländer, finanzschwache Länder und ein finanzstarkes Land, nördliche und südliche sowie CDU- und SPD-geführte Länder.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

In diesem „Hannoveraner Kreis“ arbeiten die Länder trotz ihrer unterschiedlichen Interessen bis heute konstruktiv zusammen. Und, Herr Rehberg, es hat keinen Zweck, die reinen Landesinteressen verbal radikal vor sich herzutragen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das habe ich nicht ge- macht, Frau Keler. Da haben Sie nicht zugehört.)

Übrigens, Sie haben heute hier einen Haufen Argumente benutzt, die ich eigentlich aus Bayern nur immer gehört habe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Eckhardt Rehberg, CDU: Nee, das stimmt nicht! – Wolfgang Riemann, CDU: Nein, das ist nicht wahr! Das hat er nicht gemacht.)

Sie sollten sich das noch mal genau ansehen, wessen Interessen Sie hier jetzt vertreten haben.

Wir haben uns Bündnispartner gesucht, auch aus Ihrer Partei übrigens, wie zum Beispiel Sachsen und Saarland, die gemeinsam mit uns für Gerechtigkeit im Länderfinanzausgleich kämpfen,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Da habe ich auch nichts dagegen. Das ist doch in Ordnung!)

und da können Sie doch gar nichts dagegen haben.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Habe ich doch nicht gesagt!)

Ach, doch. Hören Sie doch mal, was Sie alles gesagt haben, Herr Rehberg!

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Na, was hat er denn gesagt? Was hat er denn gesagt?)

Gucken Sie es doch noch mal an!

Übrigens, nicht nur SPD-geführte Länder finden den Steuerwettbewerb falsch, sondern auch CDU-geführte Länder. Den Wettbewerb über den Länderfinanzausgleich organisieren zu wollen, das bedeutet, Reiche werden reicher und Arme werden ärmer.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Na, dem Einstieg haben Sie doch zugestimmt in Wiesbaden, Frau Keler.)

Warten Sie doch mal ab!

(Eckhardt Rehberg, CDU: Da haben Sie doch zugestimmt!)

Ach, wir haben gar nicht zugestimmt.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist doch wahr!)

Sie verstehen zu wenig davon.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Für den Korridor von …)

Ich komme nachher gleich noch darauf.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Also wirklich!)

Diese Zusammenarbeit unterstreicht die Bereitschaft dieser Länder in gesamtstaatlicher Verantwortung den Föderalismus auch bei engeren finanziellen Spielräumen weiterzuentwickeln. Sie haben sich zu einem solidarischen Föderalismus bekannt, weil er sich in den letzten zehn Jahren in der alten und in der neuen Bundesrepublik beeindruckend bewährt hat und weil er sich im Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas als Modell und als Chance gerechter Entwicklung empfohlen hat.

Dem von diesen zehn Ländern erarbeiteten Modell liegen folgende Prämissen zugrunde:

Die politische Eigenständigkeit und die finanzielle Handlungsfähigkeit aller Länder sind durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung zu gewährleisten. Das heißt unter anderem, dass an der Stadtstaatenwertung festzuhalten ist, aber auch der besonderen Situation der extrem dünn besiedelten Flächenländer ist Rechnung zu tragen. Unausgewogene Vor- und Nachteile für einzelne Länder sind zu vermeiden durch die Einhaltung eines Korridors für die Veränderungen bei Zuwächsen und Verlusten. Der Solidarpakt ist in seiner Struktur und Dotierung fortzusetzen.

Auf Grundlage dieser Vorgaben gelang es uns, ein Modell zu entwickeln, das alle vom Bundesverfassungsgericht aufgeworfenen Fragen verfassungskonform löst. Der Finanzausgleich nach diesem Muster wird vereinfacht, Transparenz und Rationalität des Ausgleichs werden verbessert. Ein Maßstäbegesetz ohne vorherige Modellrechnung wäre, meine Damen und Herren, wie eine Unterschrift auf einem ungedeckten Scheck. So naiv kann doch nicht mal Herr Rehberg sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Angelika Gramkow, PDS: Doch. Das hat er gerade gesagt.)

Und was meinen Sie, welcher Ministerpräsident oder welche Finanzministerin könnte auf dieser Grundlage einem Parlament empfehlen, so einem Gesetz zuzustimmen?

Welche seiner Interessen hat denn nun MecklenburgVorpommern in das Hannoveraner Modell erfolgreich eingebracht? Dazu nur einige Stichworte:

Erstens. Die kommunale Finanzkraft wird stärker als bisher, nämlich insgesamt circa 60 bis 70 Prozent, in den Finanzausgleich einbezogen. Der Gemeindefinanzbedarf wird damit sachgerechter und differenzierter als bisher berücksichtigt. Dies war eine der Hauptforderungen der neuen Länder, die im Vergleich zu den westlichen Ländern noch auf lange Zeit Kommunen mit niedriger Steuerkraft haben werden. Dieser Schritt veranlasste auch Sachsen, sich dem „Hannoveraner Kreis“ anzuschließen, so dass in der Finanzministerkonferenz unsere Mehrheit auf elf Stimmen angewachsen ist.

Zweitens. Neben der schon bestehenden Prämierung dicht besiedelter Regionen werden in unserem Modell nunmehr auch Zuschläge für dünn besiedelte Gebiete berücksichtigt. Damit können wir die strukturellen Auswirkungen unserer demographischen Entwicklung abmildern.

Drittens. Der neu eingeführte linear stetige Tarif vermeidet Sprünge im Länderfinanzausgleich, bildet die Leistungskraft der Geber- als auch der Nehmerländer genauer ab und gewährleistet damit besser als bisher Stabilität und Planbarkeit der Landeshaushalte.

Viertens. Die bestehenden Bundesergänzungszuweisungen werden entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes besser begründet, nach nachvollziehbaren Kriterien ermittelt beziehungsweise dem neuen Länderfinanzausgleich angepasst. In unserem Modell haben wir die kommunale Finanzkraft stärker berücksichtigt als bisher. Das führt zu geringeren Bundesergänzungszuweisungen und kommt in der Folge – wie bei kommunizierenden Röhren – über die erhöhten Umsatzsteueranteile allen Ländern zugute. Genau so, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt hat.

Meine Damen und Herren! Mit diesen methodischen Grundentscheidungen in diesem Modell haben wir unsere Landesinteressen weitgehend zur Geltung bringen können. Die Integration aller ostdeutschen Länder in den Finanzausgleich wird verstärkt. Unser Modell ist eine verbesserte, eine verlässliche Grundlage für die Fortsetzung unserer Anstrengungen zum Aufbau Ost.

Als Antwort auf das Hannoveraner Modell veröffentlichten die klagenden Länder in der letzten Woche ihren eigenen Vorschlag. Um es vorwegzusagen: Mein ehemaliger sächsischer CDU-Kollege Milbradt hatte vor der FMK in Wiesbaden seine Enttäuschung über die handwerklichen Mängel bei diesem Modell in ungewöhnlicher Schärfe öffentlich gemacht. Wenn ein so ausgewiesener Experte und erfolgreicher Finanzminister dies tut, spricht dies mit Sicherheit nicht für das Modell. Und sogar der Thüringer MP fand dieses Modell inakzeptabel. Die Klageländer bezeichneten ihr Modell als ein Konsensmodell, was es einfach nicht ist. Ich will Ihnen die größten Zumutungen des Modells der Südländer noch einmal erläutern. Und Herr Rehberg, wenn Sie meinen, dieses Modell sei …

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist so ähnlich, als wenn Sie Ihren Haushalt als solide bezeichnen, Frau Keler!)

Wissen Sie, Herr Riemann, Sie verstehen so wenig davon.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Ach ja, Frau Keler!)

Sie sollten lieber zuhören. Es wäre vielleicht mal ganz gut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Ja, aber sein Benehmen ist ja wohl katastrophal als finanzpolitischer Sprecher.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Also wirklich, gucken Sie mal Ihr eigenes an!)