Protokoll der Sitzung vom 07.03.2001

Herr Dr. Jäger, Sie wissen doch, wenn ich mich als Bürger oder als Bürgerin von Mecklenburg-Vorpommern bei einer Bundesbehörde bewerbe oder bei einer Bundesbehörde tätig gewesen bin – selbst bei einer Bundesbehörde, die möglicherweise in Mecklenburg-Vorpommern ansässig ist –, galt natürlich dieser Paragraph nicht, weil im Bundesgesetz ein solcher Paragraph nicht vorgesehen ist. Und nun wollen Sie mir doch nicht weismachen, dass das keine Ungleichbehandlung von Bürgerinnen und Bürgern ist?!

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Übrigens in den anderen Ländern bis auf drei Länder gilt natürlich dieser Paragraph auch nicht mehr. Von den alten Ländern will ich gar nicht reden, wo es einen Paragraphen historisch natürlich nicht gegeben hat. Also ich bin schon der Meinung, es ist eine Ungleichbehandlung und insofern verfassungsrechtlich sehr bedenklich.

Zweitens muss ich sagen, es sind in der Tat fast alle – ich will mich da nicht festlegen, weil ich die genauen Zahlen nicht kenne – geprüft. Neben der grundsätzlichen Frage ist es natürlich auch eine Scheindebatte, die wir hier führen. Und wenn einer jetzt eingestellt ist, dann wissen wir doch alle: Diejenigen, die jetzt in den öffentlichen Dienst eingestellt werden, sind in der Regel in einem Alter, wo die Frage sowieso nicht mehr steht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee.)

Also ich halte das für eine Scheindebatte und eine solche ist sie auch.

Und ich gehe noch ein bisschen weiter als der Innenminister. Der Herr Innenminister hat ja das Beispiel des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl hier genommen. Das will ich gar nicht nehmen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist eine ganz andere Seite. Das wissen Sie ja.)

Ich will ein ganz anderes Beispiel nehmen, was mir in der letzten Zeit sehr oft begegnet, über das ich sehr nachdenklich bin, und das sollte uns alle sehr nachdenklich machen. Es gibt zurzeit auf Bundesebene eine Diskussion über die Vergangenheit von Bundesministern. Da wird

sozusagen erklärt, es haben Bundesminister irgendwann mal, als sie jung waren, Steine geworfen, sie haben mal dies und mal jenes gemacht.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und dann höre ich, wie diese Bundesminister – und ich will das gar nicht bewerten, was sie da gemacht haben, ich kenne diese Szene wenig –

(Heiterkeit bei Dr. Christian Beckmann, CDU, und Harry Glawe, CDU)

sich hinstellen und sagen, es muss doch möglich sein, dass man ein Ereignis, das vor 20 Jahren stattgefunden hat, nicht immer wieder hochzieht, sondern irgendwann einmal auch sagt, die Menschen sind lernfähig.

(Rainer Prachtl, CDU: Sind Nazis denn auch lernfähig? Das ist doch Quatsch! – Siegfried Friese, SPD: Natürlich.)

Oder ich sage: Was soll denn jemand davon halten, Herr Prachtl,

(Unruhe bei Rainer Prachtl, CDU)

der mit 20 Jahren mal unter einer ganz bestimmten Situation eine IM-Tätigkeit ausgeführt hat, wenn man dem das ewig und ewig vorhält,

(Unruhe bei Siegfried Friese, SPD, und Dr. Armin Jäger, CDU)

wogegen andere auf ganz anderer Ebene für sich reklamieren, es muss doch möglich sein, sozusagen auch zu vergeben und einen Neuanfang zu wagen. Und das ist für mich eine sehr prinzipielle Frage.

(Reinhardt Thomas, CDU: Meinen Sie den Herrn Fischer?)

Ich meine nicht nur Herrn Fischer. Das ist übrigens kein parteipolitisches Thema. Das kann jeden von Ihnen mal erfassen. Und was die Stasigeschichte angeht, ich kann mich gut erinnern, dass wir immer mit unterschiedlichen Maßstäben an die Dinge herangegangen sind.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Da wurde manch einer – auch bei Ihnen – in der ersten Legislaturperiode reingewaschen. Da war das auf einmal nicht mehr ganz so schlimm. Ich will hier gar keine Namen nennen. Da wurde gesagt: Das war eine Jugendsünde. Sie wissen alle, wen ich meine, alle, die damals schon dabei waren. Bei anderen wurde festgestellt, das ist ganz schlimm.

Was die Direktwahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister angeht, Herr Jäger, wir haben hier eine etwas andere Situation und sie ist nicht so einfach, wie Sie sie darstellen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Doch, doch. – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Sie ist nicht so einfach, nein. Wir haben hier – und der Innenminister hat es gesagt – vom Volk gewählt direkte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oder Landrätinnen und Landräte. Und das ist jetzt der Unterschied zu der bisherigen Situation. Die sind sozusagen direkt gewählt im Wissen möglicherweise um die Vergangenheit.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Woher sollen die Leute denn das wissen? – Unruhe bei Rainer Prachtl, CDU)

Na, ich kenne einige Kandidaten, da weiß das jeder, und wenn der gewählt wird, weiß jeder, ich wähle ihn genau deshalb oder ich wähle ihn, weil ich das sozusagen honoriere. Um die Fälle geht es Ihnen doch nur.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das kann doch nicht wahr sein!)

Und jetzt stellt sich sozusagen eine Vertretung hin und erklärt: Nichts! Was die Bürger da gewählt haben, interessiert uns nicht, der darf nicht verbeamtet werden. Also ich halte das schon für eine Debatte, die geregelt werden muss,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

sonst kriegen wir damit echte Probleme. Und ich warne Sie von der CDU deshalb, weil Sie immer so tun, als ob das nur die eine oder die andere Partei treffen könnte.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber es trifft vor allem die CDU. – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Zuruf von Dr. Christian Beckmann, CDU)

Ich sage Ihnen, meine Erfahrung ist,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wer hat denn gute Erfahrungen gemacht? – Unruhe bei Reinhardt Thomas, CDU)

in den Vertretungen, wo ich bisher war, war die Anzahl derer, die zum Schluss unterschrieben haben, sehr gleichmäßig verteilt. Und da sind Sie nicht viel besser weggekommen, sondern ganz im Gegenteil, Sie hatten manchmal sozusagen die meisten. Das liegt allerdings in der Natur der Dinge, weil man natürlich die CDU-Mitglieder damals ganz gerne genommen hat, weil man diesen Bereich, auch den Bereich der Kirchen, ganz gerne ausspioniert hat. Ich mache Ihnen das ja gar nicht zum Vorwurf.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, wir wollen das ja annehmen.)

Ich warne bloß davor, das parteipolitisch und aktuell sozusagen auszunutzen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Uns geht es nur um den sauberen öffentlichen Dienst.)

Na ja, ein sauberer öffentlicher Dienst, hören Sie mir damit auf! Wir brauchen eine Lösung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Und das hatten wir ja. – Zuruf von Siegfried Friese, SPD – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Nun noch ein Wort zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Also ich fand es sehr mutig, dass Kollege Friese das Thema angesprochen hat.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Der stellvertretende Parteivorsitzende hat ihn ja unterstützt. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ich sage aber auch, ich habe Verständnis dafür, wenn einige Mitglieder oder sogar eine Mehrzahl der Fraktion, wie ich der Zeitung entnehmen konnte, durchaus eine andere Meinung dazu hat. Wir haben von Anfang an unsere Meinung ziemlich klar gesagt. Bei der SPD gibt es zum Teil ganz andere Biographien und ich weiß, dass einige, auch derer, die hier sitzen, natürlich mit der Staatssicherheit keine guten Erfahrungen gemacht haben. Ich formuliere es mal so ein bisschen in diese Richtung.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Und deshalb habe ich auch Verständnis dafür und ich weiß auch, dass die Wählerschaft natürlich eine andere ist, aber ich sage, wir müssen trotzdem über dieses Thema weiterreden. Ob wir jetzt eine Lösung hinkriegen, scheint mir ziemlich kompliziert zu sein, aber wir sollten über dieses Thema weiterreden, was Herr Friese hier in Bewegung gebracht hat. Wir sollten sachlich darüber reden und uns gegenseitig zuhören sowie unsere Standpunkte akzeptieren, denn dieses Thema holt uns immer wieder ein. Und deshalb sage ich, ich habe Verständnis dafür, dass einige das im Moment so nicht wollen, aber ich bin der Meinung, lassen Sie uns darüber reden. Vielleicht ist dieses Gesetz auch dazu angetan, weiter darüber zu sprechen.

Ansonsten sind wir der Meinung: Lassen Sie es uns in den Innenausschuss überweisen! Lassen Sie uns die Probleme erklären, die damit zusammenhängen! Ich bin gespannt auf die Debatten, die wir dazu führen. Und ich sage noch einmal: Herr Friese, Respekt vor dem, was Sie getan haben. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Böttger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der SPD.