Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

Lassen Sie mich konkreter auf den CDU-Antrag eingehen. Wenn wir hier am heutigen Tage im Landtag beschließen würden, das Staatshaftungsgesetz der DDR außer Kraft zu setzen – so der CDU-Antrag, ich wiederhole das –, fielen wir ja nicht in einen rechtsfreien Raum zurück. Es würde dann sofort Paragraph 34 Grundgesetz in Verbindung mit Paragraph 839 Bürgerliches Gesetzbuch gelten. Und wenn man sich dann die dazu ergangene und selbst für Juristen kaum überschaubare und dem Bürger nicht mehr verständlich zu machende Rechtsprechung ansieht, dann kann man eben doch sehr gut verstehen, warum es eine bundesweite und jahrzehntelange Diskussion gibt, dieses Recht zu ändern. Und dann sollen wir hier beschließen, dass dieses Recht auch in Mecklenburg-Vorpommern gilt? Ich sage ein klares Nein dazu.

Und wenn sich die CDU-Fraktion jetzt in der Zweiten Lesung zu diesem Gesetzentwurf gegen die Fortgeltung des Staatshaftungsgesetzes ausspricht, so kann sie sicher für sich reklamieren, durch die Anhörung des Innenausschusses klüger geworden zu sein. Dagegen spricht zunächst mal gar nichts. Aber lassen Sie es mich doch so sagen: Überrascht war ich von dieser Kehrtwendung der CDU dann doch, so positiv sich Dr. Born noch in der Ersten Lesung gerade zum Staatshaftungsgesetz geäußert hat. Die Kehrtwendung wird aber noch überraschender, wenn wir uns die einstimmige Empfehlung des Rechtsausschusses vor Augen halten, wonach der Innenausschuss aufgefordert wurde zu prüfen, wie das in Mecklenburg-Vorpommern geltende Staatshaftungsgesetz auch auf die anderen Bundesländer ausgeweitet werden könnte.

Meine Damen und Herren, ich spreche mich hier namens meiner Fraktion für die Fortgeltung des Staatshaftungsgesetzes der DDR aus. Dafür nenne ich Ihnen folgende Gründe:

Erstens. Die bislang auf die öffentliche Hand entfallenden Prozesse aus dem Staatshaftungsgesetz sind nicht so, dass dieses Gesetz unbedingt außer Kraft gesetzt werden müsste.

Zweitens. Horrorszenarien an die Wand zu malen ersetzt keine Sachpolitik, zumal es dafür keine hinreichenden Belege in unserem Lande gibt.

Drittens. Es wird Aufgabe der Landesregierung und der Fraktionen dieses Landtages bleiben, die rechtspolitische Debatte um eine Neuregelung des Staatshaftungsrechts zu beobachten und zu begleiten.

Viertens. Wenn sich in den vor uns liegenden Monaten und Jahren die Zahlen- und Faktenlage zum Staatshaftungsgesetz gegenüber dem jetzigen Stand verändern sollte, sind wir als Landtag gefordert, dieses erneut zu prüfen und gegebenenfalls eine Gesetzesinitiative zu ergreifen.

Meine Damen und Herren, Herr Dr. Born sagte in der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes, dass es sich bei dem Staatshaftungsgesetz der DDR um ein in der Theorie gutes Gesetz gehandelt habe, die praktische Umsetzung des Gesetzes habe aber früher zu wünschen übrig gelassen. Ich stimme ihm darin zu. Das kann aber doch nicht dazu führen, dieses an sich gute Gesetz jetzt außer Kraft zu setzen. Deshalb will ich noch einmal für meine Fraktion zusammenfassen: Gesetze, die gut waren, können bleiben. Und wir werden dieses Gesetz in der Praxis mit Leben erfüllen. Deshalb spricht sich die SPD-Fraktion für

die Fortgeltung des Staatshaftungsgesetzes der DDR als Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern aus. Die SPD-Fraktion wird daher der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmen und den Änderungsantrag der CDU-Fraktion ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Herr Friese.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es hier mit einem Gesetzentwurf zu tun, von dem man sagen kann, dass er handwerklich ordentlich eingebracht worden ist, dass er ordentlich erläutert war und dass uns die Beratungen in den Ausschüssen dadurch erheblich erleichtert wurden. Und ich kann das, was Herr Kollege Friese gesagt hat, nur bestätigen. Es war eine sehr sachliche Diskussion, was sich zum Beispiel darin ausdrückt, dass bei einem Punkt, wo wir der Meinung waren, dass etwas übersehen worden ist, heute ein Gesetzentwurf zum Bienenwanderungsgesetz in der gleichen Sitzung zur Abstimmung steht – also eine durchaus saubere und lobenswerte Gesetzesarbeit sowohl auf der Seite der Regierung als auch, wie ich gemerkt habe, in den Ausschüssen.

Was uns trennt, ist in der Tat die Frage, die Sie, Herr Friese, auch in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen gestellt haben. Sie hatten da, das haben wir gemerkt, erheblichen Beratungsbedarf, es gab da unterschiedliche Sitzungen. Jedenfalls ist es im Endergebnis dann so gekommen, dass sich offenbar die eine Seite innerhalb der Koalition, nämlich die PDS-Fraktion, durchgesetzt hat. Sie haben es auch als die Meinung Ihrer Fraktion begründet, ich habe das so zur Kenntnis genommen.

Bei der Anhörung – und, Herr Friese, genau das ist ja der Sinn einer Anhörung, dass man dort auch klüger wird, und genau das ist in der Anhörung herausgekommen –, was Sie jetzt sagen, es hat ja noch gar nicht die immensen Summen gegeben, wenn Sie in unserem Protokoll, nämlich Ihr und mein Innenausschuss, nachlesen, dann war es so, dass die Vertreter des Kommunalen Schadensausgleichs ja erläutert haben, warum das so ist: Weil man sich vor Entscheidungen in der nächsten Instanz, ich sage mal vornehm, gedrückt hat, weil man verglichen hat, weil man nämlich weiß, dass die Summe so hoch wäre und die Präzedenzwirkung so schlimm, übrigens, Sie haben Recht, nicht nur für die Kommunen, aber im Wesentlichen dann doch, denn wer führt denn die gefahrträchtigen Gesetze, Schadensersatz, die gefahrträchtigen Gesetze wie das Baurecht aus. Das sind die Landkreise und die kreisfreien Städte, im Übrigen bei Bebauungsplänen auch die Gemeinden. Das wissen sie vor Ort ja auch.

Ja, warum sind wir denn gegen die Fortgeltung des Staatshaftungsrechts? Wir sind deshalb dagegen, weil hier ein Maßstab übernommen werden soll, der in das übrige Rechtssystem nicht passt. Wir haben die Haftung im Bürgerlichen Gesetzbuch nach Paragraph 249 BGB, die eine sehr umfassendende Haftung ist und insbesondere auch Gewinnerwartungen einschließt, und wir haben ein Institut, das verschuldensunabhängig zur Haftung

führt. Und da teile ich nicht Ihre Auffassung. Die Rechtsprechung ist beim enteignungsgleichen Eingriff sehr eindeutig. Das ist rechtssicher mittlerweile, das ist ein so gefestigtes Richterrecht, da hat es in den letzten Jahren keine Veränderungen mehr gegeben. Da haben Sie verschuldensunabhängig einen Haftungsanspruch des Staates, einen Entschädigungsanspruch, aber eben nicht auf entgangenen Gewinn.

Wir wissen, wo die Materie liegt, die besonders schadensträchtig ist, und wir wissen auch, wo die Unterschiede liegen, bei denen sich die beiden Haftungsgrundlagen tatsächlich unterschiedlich auswirken. Das ist im Regelfall die Entscheidung der Behörde oder einer Gemeinde im Bebauungsplanverfahren, die rechtlich ordentlich durchgeführt worden ist. Alle Formvorschriften sind beachtet, man hat alle Interessen gegeneinander abgewogen. Aber, Herr Justizminister, zwei Jahre, manchmal vier Jahre danach entscheidet ein Verwaltungsgericht, ihr habt zwar nicht schuldhaft gehandelt, es ist auch alles ordnungsgemäß abgelaufen, aber das Ergebnis eurer Abwägung, das sehen wir im Nachhinein als falsch an. Und nur in diesem Punkt unterscheiden sich die beiden Haftungsgrundlagen. Während in den Fällen nach dem geltenden Schadensersatzrecht nur bei Verschulden gehaftet wird, wird bei Fortgeltung des wie eine Gefährdungshaftung wirkenden DDR-Staatshaftungsrechts hier die gesamte Schadenssumme auf die Gemeinde, auf den Kreis, auf die Stadt herunterprasseln.

Und jetzt haben wir ein Problem damit. Wem nützt denn das eigentlich? Wem nützt die Fortgeltung des Staatshaftungsrechts?

(Götz Kreuzer, PDS: Dem Bürger.)

Ja genau. Vielen Dank für den Hinweis, Herr Kreuzer.

(Götz Kreuzer, PDS: Und das ist unser Adressat.)

Vielen Dank. Genau das ist die Ideologiefalle, in die Sie gerannt sind.

(Götz Kreuzer, PDS: Nein, das ist unser Adressat. Und darin unterscheiden wir uns.)

Wenn Sie die Fälle, in denen der Unterschied deutlich wird, sich mal vor Augen führen – und deswegen sind ja Anhörungen so gut, weil da Praktiker reden aus ihrer Erfahrung –, werden Sie feststellen, wen Sie hier begünstigen. Das sind im Wesentlichen Investmentfonds,

(Götz Kreuzer, PDS: Nein.)

das sind im Wesentlichen Bauträgergesellschaften,

(Götz Kreuzer, PDS: Nein.)

denn der tatsächliche Schaden, der wird auch von dem Haftungsprinzip mit Verschulden abgedeckt. Nur die Gewinnerwartung, also das, was nicht unter die Eigentumsgarantie des Artikels 14 fällt, wird vom entschädigungspflichtigen, enteignungsgleichen Eingriff eben nicht abgedeckt. Und, meine Damen und Herren, das halte ich schon für eine Ideologiefalle.

Es wird sehr deutlich, warum das nicht aufeinander passt. Im Rechtssystem der DDR war sicher nicht in besonderem Maße die Profiterwartung geschützt. Sie war ja eigentlich, die Profiterwartung, nicht vorgesehen. Deswegen konnte ein Staatshaftungsrecht auch an solche weiten Voraussetzungen geknüpft werden. Es reichte der Fehler, den die Behörde, den der Staat macht. In einem

System, das wir kennen, in dem Gewinnerwartung in hohem Maße die Frage des wirtschaftlichen Austausches ist, ist diese Haftungsbestimmung nicht mehr richtig zu Hause, ganz eindeutig ist sie nicht mehr zu Hause.

Und, meine Damen und Herren, Herr Friese, Sie haben gesagt, naja, da gibt es so eine Meinung des Rechtsausschusses. Ich bestreite die nicht, aber eins muss ich deutlich sagen: Wir haben festgestellt, Sie haben festgestellt, ich habe festgestellt – Sie haben das Papier gelesen, nehme ich an –, dass es in keinem der neuen Bundesländer das unveränderte Staatshaftungsrecht der DDR mehr gibt. Die Länder, die es nicht abgeschafft haben, haben eine Regelung getroffen, die deckungsgleich ist ausschließlich mit dem enteignungsgleichen Eingriff. Die anderen haben es abgeschafft. Das heißt, wir sollten dann auch die intellektuelle Ehrlichkeit haben und sagen, wenn wir heute, und Sie haben das mehrheitlich so angekündigt, wenn wir heute beschließen, wir setzen dieses Recht weiter fort, dann stehen wir mit dieser Rechtsmaterie alleine. Bei uns können Profitgeier, Entschuldigung, wenn ich den Ausdruck gebrauche, oder ich sage jetzt, Leute, die nur an schnellem Gewinn orientiert sind, damit rechnen, dass die Kommunen oder der Staat sie finanzieren, in den anderen Bundesländern nicht.

Nun ist das nicht meine Sache, das zu bewerten, aber unsere Sache als Abgeordnete ist es, dass wir damit den Kommunen diese Last aufbürden. Ich sage Ihnen, die Prozesse werden irgendwann mal beim OLG landen. Und wenn Sie eine Präzedenzentscheidung haben, dann kenne ich meine juristischen Kollegen sehr gut, das ist schon eine sehr interessante Sache, das dann durchzufechten. Diese Rechtsgrundlage sollte entfallen, weil wir hier den Kommunen etwas auflasten, was sie nicht tragen können. Und es ist sehr deutlich in der Anhörung – und ich möchte das hier auch noch mal deutlich sagen – vom Kommunalen Schadensausgleich und von den kommunalen Landesverbänden gesagt worden, es kann doch nicht richtig sein, dass unsere Kommunen dann anders als die in den anderen Ländern eine andere Umlage, nämlich eine erheblich höhere, nach Risiko bemessen oder nach Schadenssummen bemessen, zahlen müssen, in einem Land, in dem die Ausstattung der kommunalen Gebietskörperschaften, wie wir wissen, ziemlich schlecht ist. Ich will auf die FAG-Debatte hier nicht eingehen, aber darüber sind wir uns sicher einig.

Wir leisten uns also zugunsten von Profitstreben eine Regelung, die unsere Kommunen in erheblichem Maße belastet. Und ich sage noch mal, ich weiß, dass es jetzt nichts mehr hilft, aber versuchen Sie doch aus dieser Ideologiefalle herauszukommen. Sie begünstigen die Falschen, nicht den einzelnen Bürger. – Danke schön.

(Beifall Jürgen Seidel, CDU)

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Kreuzer von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die Unterzeichnung des Einigungsvertrages und der Akt der staatlichen Vereinigung bereits mehr als zehn Jahre hinter uns liegen, gibt der vorliegende Gesetzentwurf über die Bereinigung und Fortgeltung des zu Landesrecht gewordenen Rechts der ehemaligen DDR Anlass, wenn Sie so wollen, rechtstheo

retisch und rechtspraktisch zu reflektieren, wie das Recht in das eingespannt wird, was Gesellschaft und Politik mit Vergangenheit machen. Es hat sich ja inzwischen die Tatsache herumgesprochen, bewältigt werden kann das Vergangene nicht, auch nicht durch Recht. Es ist geschehen und wir müssen mit dem fertig werden. Aber, und das gilt auch für den vorliegenden Gesetzentwurf, das Recht kann dafür sorgen, dass das Vergangene um seine Fortwirkung gehindert oder gebracht oder dass ihm diese Fortwirkung auferlegt wird. Da inzwischen bewiesen wurde, dass die Mehrheit der letzten Volkskammer, die den Einigungsvertrag beschloss, wesentliche Inhalte dieses Vertrages gar nicht kannte, wenn man so will, also nicht recht wusste, was sie tat, können auch diesbezügliche Rückblicke nie schädlich sein.

Recht hat immer, und dessen sollte sich jedermann bewusst sein, meine Damen und Herren, einen weltanschaulichen Hintergrund. Jede Rechtsnorm beruht auf einer Wertvorstellung der Gesellschaft und ihres Gesetzgebers, so, wie übrigens auch die Neutralität der Rechtsprechung de jure von niemanden in Frage gestellt und de facto von niemanden angestrebt wird.

Das DDR-Recht nun, über dessen bereinigte Fortgeltung in ausgewählten Disziplinen heute zu reden ist, war durchaus nicht immer positiv, aber an einem in Normen festgeschriebenen und von den zuständigen Organen erlassenen Recht orientiert. Es war nicht übersinnlich, sondern sehr irdisch hergeleitet und, wenn man es von seiner fortwährenden ideologischen Überlast befreit, an diversen Stellen auch recht praktisch. Aber der Weg zu einem Bürger- oder Volksrecht wurde von der DDR nur sehr zögerlich beschritten. Die bundesrepublikanische Rechtsprechung behandelt dieses ihr zugefallene DDRRecht nun in einer Mischung aus naturrechtlicher Aberkennung der Geltung und Überstülpung rechtsstaatlicher Interpretation. Und dieses Gemisch hat nun teilweise der Landesgesetzgeber, also auch wir, auszulöffeln.

Meine Damen und Herren, bevor ich mich in einigen rechtspraktischen Überlegungen dann auch dem Thema Staatshaftung speziell zuwende, lassen Sie mich das benennen, was der vorliegende Gesetzentwurf nicht leisten soll beziehungsweise wahrscheinlich nicht zu leisten vermag. Natürlich wird all denen, die bisher das ehemalige DDR-Recht immer nur als DDR-Unrecht postuliert haben, ein Gesetz zur Fortgeltung des zu Landesrecht gewordenen DDR-Rechts wie ein Bumerangvolltreffer erscheinen müssen, denn das Gesetz entzieht tatsächlich der Propagandathese vom Unrechtsstaat DDR ein Stück ideologischer Unterfütterung – dieses Gesetz erfüllt damit auch den Kinkel’schen Delegitimierungsauftrag vom September 1991 nicht (Stichwort: 15. Deutscher Richtertag) –, und auch der, der im Publizieren und Studieren ausschließlich von Ächtungstexten seinen Lebensinhalt sieht, wird die bescheidene Fortgeltung von DDR-Recht wohl kaum verknusen können.

Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU hat nun erklärt, dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zuzustimmen wegen der darin festgeschriebenen Fortgeltung des DDR-Staatshaftungsrechtes, beziehungsweise das Staatshaftungsrecht nicht im vorliegenden Gesetz bewahrt zu wissen. Das ist akzeptabel, selbstverständlich. SPD- und PDS-Fraktion sprechen sich aber für eine Fortgeltung eben dieses Staatshaftungsrechtes aus und das ist genauso akzeptabel und das ist genauso respektabel. Das hat nichts, Herr Kollege Dr. Jäger, mit einer

Ideologiefalle zu tun, sondern hat tatsächlich damit etwas zu tun, dass unser Adressat unserer Gesetzlichkeit tatsächlich der Bürger sein soll und niemand anderes. Und das hat mit unterschiedlichen politischen Grundlagen und Grundlagen unserer Arbeit zu tun. In der Tat hat auch nur dieser Fortgeltungstatbestand in diversen Ausschussberatungen eine größere Rolle gespielt und uns kontroverse Diskussionen beschert.

Die Staatshaftungsregelung verdankte ihren Ruf der DDR-Zeit und hat ihn, so muss man wohl sagen, trotzdem wahren können. Die Regelung, wo das Recht seinen Standort im Widerspruch zwischen dem Einzelnen und dem Staat hat, erfolgte in diesem konkreten Fall, meine Damen und Herren, wohl unter dem selbstkritischen Blickwinkel eines nicht unfehlbaren Staatswesens. Die DDR-Staatshaftungsregelung und -praxis zwingt aber auch dazu, das DDR-Verwaltungs- und -Rechtssystem insgesamt auch als Dienstleistung zur Schlichtung von Familien-, Arbeits- und Verwaltungsangelegenheiten und -streitigkeiten und zur Aburteilung von gewöhnlichen Straftätern zu begreifen, indem Recht und Ungerechtigkeit also gleichermaßen zu den möglichen Betriebsergebnissen gehören konnten.

Und da sage ich: Und heute? Das Staatshaftungsgesetz der DDR vom 12.05.1969 ist per Einigungsvertrag als Landesrecht in den neuen Bundesländern übergeleitet worden. In einer Unterrichtung der Bundesregierung zum Einigungsvertrag vom 10.09.1990, das ist die Bundestagsdrucksache 11/7817, heißt es unter anderem: „Die Deutsche Demokratische Republik hat 1969 die unmittelbare und verschuldensunabhängige Staatshaftung für schädigende Folgen rechtswidrigen hoheitlichen Verhaltens gesetzlich eingeführt und damit anders als in der Bundesrepublik Deutschland die Staatshaftung als Verantwortlichkeit für eigenes Unrecht von der bisher geltenden zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des handelnden Amtswalters nach § 839 BGB gelöst. Dieser neue dogmatische Ansatz ist seit langem Ziel der Reformbemühungen um das Staatshaftungsrecht auch in der Bundesrepublik Deutschland. Er konnte jedoch trotz eines gesetzgeberischen Versuchs … bisher nicht verwirklicht werden … Der Wunsch der Deutschen Demokratischen Republik, das dort Erreichte, das auch aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland rechtspolitisch wünschenswert scheint, bis zu der angestrebten Reform … im geeinten Deutschland zu bewahren, ist zu respektieren.“

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenngleich die eingangs erwähnten Umstände des Zustandekommens des Einigungsvertrages auch bei dieser Wunschrespektierung helle Aufmerksamkeit statt blinder Dankbarkeit verlangen, lassen Sie mich abschließend auch fünf Punkte benennen, die für den vorliegenden Gesetzentwurf, speziell für die Staatshaftungsregelung sprechen.

Erstens. Die Staatshaftungsregelung, wie sie in unser Landesrecht überführt werden soll, gilt ja bereits, ohne dass sich bisher eine diesbezügliche Katastrophe ereignet hätte beziehungsweise auch in Sicht wäre. Insofern folge ich Ihrem Menetekel, Herr Dr. Jäger, nicht. Es sei denn, es wird provoziert.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Schaun wir mal!)

Zweitens. Die bisherige öffentliche Diskussion in der Bundesrepublik zu diesem Thema wird mit diesem Gesetz eben nicht für beendet erklärt, sondern, im Gegenteil, sie

sorgt hoffentlich für Zündstoff, dass diese Diskussion weitergeht.