Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

(Lutz Brauer, CDU: Das werden ja immer weniger.)

Weitere Vorhaben sind unter anderem in der so genannten Ausschließlichen Wirtschaftszone, also 12 bis 30 Seemeilen vor der Küste des Landes, angedacht. So ist beabsichtigt, im Adlergrund nordöstlich von Rügen 6 2 Windkraftanlagen mit je 5 Megawatt zu errichten, im Arkonabecken sollen 172 Anlagen errichtet werden und – last, but not least – das alles überragende und bereits von meinem Kollegen Lutz Brauer in seinen gigantischen Ausmaßen beschriebene Großprojekt nordöstlich der Oderbank.

Meine Damen und Herren, Investitionen bilden das Fundament für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung, insbesondere in Wirtschaftszweigen, die, wie es die regenerativen Energien ohne Zweifel darstellen, einer wirklichen Zukunftsbranche zuzurechnen sind. Allerdings sehe ich auch die Gefahr, dass durch überstürztes Handeln mehr Schaden als Nutzen am Ende herauskommt. Um das zu vermeiden, muss sich die Landesregierung aktiv in den laufenden Entscheidungsprozess einbringen. Der Arbeitsminister hat uns das ja seinerseits auch zugesichert.

Die aktuell bestehende Unsicherheit über den Planungsstand wird besonders deutlich am Beispiel der Fischereiwirtschaft. Hier werden teilweise massive Bedenken angebracht. Zumindest zum Teil halte ich diese für mehr als berechtigt. So werden Fanggebietsverluste befürchtet, da in einem Umkreis von 500 Metern um eine Seeanlage aus Sicherheitsgründen das Befahren mit Schiffen und damit die Fischerei verboten sind. Ausnahmen gibt es nur für das Befahren mit Schiffen, die Arbeiten an den Windkraftanlagen ausführen müssen. Dadurch bedingt tritt die Windkraft als eine neue Nutzung auf, die eine vorhandene traditionelle Nutzung in den Hintergrund drängt. Verschärft wird die Tatsache durch die in den letzten Jahren bereits verloren gegangenen Fanggebiete aufgrund von Baggern und Verklappen im Zuge der Unterhaltung von Schifffahrtswegen, Kiesabbau, Verlegung von Seekabeln und so weiter. Die fischereiwirtschaftlichen Konsequenzen liegen auf der Hand.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein weiterer Punkt, der mir am Herzen mit Off-Shore-Anlagen liegt, ist die Frage der Schiffssicherheit. Ich denke, das Land und der Bund müssen alles dafür tun, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der letzten Ölkatastrophe, bei der Verwirklichung solcher Projekte für ein höchstmögliches Maß an Sicherheit zu sorgen. Auch hier sind noch viele Fragen offen. So ist noch kein aussagekräftiges Szenario dargestellt worden, was denn passiert, wenn ein Schiff in Seenot gerät und in einen Windpark hineingetrieben würde. Wie können Personen und Gefahrengüter geborgen werden? Wie können die negativen Folgen solcher Unglücksfälle vermieden werden? Darauf gibt es bisher noch keine überzeugenden Antworten. Die Marine, die für den Einsatz der SAR-Hubschrauber zuständig ist, hat schon zu Protokoll gegeben, dass kein Pilot bei Orkan oder schlechter Sicht den Befehl erhalten wird, in einen Off-Shore-Park hineinzufliegen und Personen zu retten. Vielleicht hat die Sicherheitslage auch dazu beigetragen, dass bisher noch keine Versicherung gefunden wurde, die die Anlagen versichern würde.

Angebracht sind aus meiner Sicht auch energiewirtschaftliche Zweifel, denn eins ist klar, wer bezüglich der Windenergie einen regenerativen Tunnelblick an den Tag legt, ist schlecht beraten. Bedingt durch das von der rotgrünen Bundesregierung verabschiedete Einspeisegesetz, das EEG, müssen die Energieversorgungsunternehmen stark überhöhte Preise für regenerativ erzeugte Energien bezahlen. Um auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben, steigt zumindest der Anreiz, quasi als Ausgleich vermehrt Billigstrom aus osteuropäischen AKWs zu beziehen.

(Lutz Brauer, CDU: Was schon praktiziert wird.)

Richtig. Ich denke kaum, dass das im Sinne des Erfinders gemeint sein kann.

(Peter Ritter, PDS: Wenn wir keine Windräder installieren, kommt noch mehr Billigstrom.)

Ich denke, das alles sind berechtigte Punkte der Kritik. Diese sollten seitens der Landesregierung in angemessener Weise in den laufenden Entscheidungsprozess eingebracht werden. Wenn dazu in einem ersten Schritt zunächst die aus Sicht des Landes günstigsten Standorte für Messplattform- und Testfeldkonzepte ausgewiesen würden, wären wir heute schon einen Schritt weiter. Die Ergebnisse dieser Tests sollen dann Grundlage weiterer Entscheidungen sein.

(Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Zusammengefasst sollten also die Forschung, Entwicklung und Nutzung regenerativer Energieträger im Land Mecklenburg-Vorpommern gefördert werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die im Speziellen bei der Nutzung des Windes auftretenden Zielkonflikte im Umweltund Landschaftsschutz unter allen Umständen zu minimieren sind. Dazu wird die Landesregierung aufgefordert, in die Offensive zu gehen und sich mit eigenen Vorschlägen in den Prozess einzumischen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Vierkant.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als energiepolitischer Sprecher meiner Fraktion nehme ich hoffnungsvoll zur Kenntnis, dass sich das Parlament unseres Landes und damit auch die CDU-Fraktion immer häufiger mit der Erforschung und Anwendung regenerativer Energien beschäftigen.

(Lutz Brauer, CDU: Das ist doch nicht verboten, oder?)

Ich gehe aber davon aus, dass wir es nicht machen, weil es gegenwärtig modern ist, dieses Thema zu besetzen. Vielmehr hoffe ich, dass wir alle erkannt haben, dass es sich bei der Anwendung regenerativer Energien um eine zukunftsweisende Notwendigkeit handelt, um auch die viel zitierten billigen und schlechten Atomkraftwerke in Osteuropa abschalten zu können, denn Energie- und Klimaschutzprobleme können nur so bewältigt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Insofern ist auch der Punkt 1 Ihres Antrages nicht ganz schlüssig, Herr Brauer, als er den Eindruck erweckt, das Parlament solle sich jetzt endlich auch zu dieser Problematik bekennen. Da sage ich Ihnen ganz deutlich, die Landesregierung hat vor einiger Zeit das Innovationsprogramm „Nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien“ vorgestellt. Vielleicht ist es Ihnen nicht zugegangen. Dieses Innovationsprogramm basiert auf der Grundlage eines Parlamentsbeschlusses dieses Hauses.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: So ist es.)

Wir haben auch einen Landtagsbeschluss zur Umsetzung des EU-Weißbuches zur Förderung der regenerativen Energien.

(Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Ich meine, das macht wohl deutlich, dass wir bei dieser Frage nicht beim Punkte null anfangen, so, wie es aus Ihrem Antrag offensichtlich hervorgehen soll.

(Beifall Dr. Henning Klostermann, SPD: Jawohl.)

Gerade die Windenergienutzung stellt in unserem Land den Schwerpunkt regenerativer Energieerzeugung dar – Minister Holter hat darauf schon verwiesen – und das ist im Bundesvergleich erstklassig trotz der vielen Bedenken und Diskussionen, die es dazu gibt. Die guten Voraussetzungen, die unser Land gerade für diese Variante alternativer Energien bietet, brachte geradezu zwangsläufig auch die Idee von der Nutzung von Windenergie auf See mit sich. So genannte Off-Shore-Windkraftanlagen sind in der Diskussion und erzeugen auf der einen Seite die Hoffnung auf die Erschließung effektiver und ergiebiger Energiequellen, auf der anderen Seite – auch das wurde schon in der Debatte deutlich – werden natürlich auch Befürchtungen laut, dass die Errichtung gewaltiger Windparks in der Ostsee erhebliche negative Auswirkungen für das Ökosystem mit sich bringen kann. Beide Seiten sind nach unserem Verständnis ernst zu nehmen.

Ich meine, der Bericht des Ministers hat deutlich gemacht, dass auch die Landesregierung beide Seiten bereits ernst nimmt und beide Seiten auch mit gebührlichem Respekt in die Diskussion einbezieht. Die Bedingungen für einen ausführlichen Dialog sind auch deshalb gut, weil wir nicht in Eile sind und damit nicht genötigt sind, unausgereifte Entscheidungen zu treffen, …

(Lutz Brauer, CDU: Das sehen wir eben anders.)

Ja gut, das ist ja Ihr gutes Recht, dass Sie das anders sehen. Ich sehe es eben so, wie ich es beschrieben habe.

… vor allem deshalb, weil auch in den Medien mitunter von vermeintlichen Investoren oder wie heute von der CDU der Eindruck erweckt wird, dass die ersten Windräder in Kürze aufgestellt werden. Aber die Wirklichkeit ist etwas anders, Herr Brauer. Ja, es gibt Planungen für konkrete Projekte. Alle Vorredner sind auf diese Projekte bereits eingegangen, so dass ich an dieser Stelle darauf verzichten kann.

Was aber den Stand der Realisierung derartiger Megaprojekte betrifft, da tritt allerdings schon eine gewisse Ernüchterung ein, angesichts der Tatsache, Herr Brauer, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gar keine Windkraftanlagen auf dem Markt gibt, die hier Verwendung finden sollen für diese Projekte.

(Lutz Brauer, CDU: Es sollen aber schon die Claims abgesteckt werden.)

Die Wikra GmbH führt bereits seit 1998 intensive Gespräche mit der Industrie zur Entwicklung derartiger Maschinen. Die verschiedenen Hersteller aber gehen davon aus, dass solche technisch und wirtschaftlich marktfähigen Anlagen frühestens 2004 zur Verfügung stehen.

(Lutz Brauer, CDU: Wir schreiben aber bereits 2001.)

Die Wikra GmbH selber hält die Verwirklichung ihrer Windparkprojekte für 2005 bis 2006 für möglich.

(Lutz Brauer, CDU: Was sind zwei oder drei Jahre?!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will damit nicht die Probleme kleinreden. Ich will damit nur darauf aufmerksam machen, dass wir uns die nötige Zeit nehmen können, die Vorhaben aus wirtschaftlicher wie aus umweltverträglicher Sicht gründlich zu bewerten,

(Lutz Brauer, CDU: Diese Windräder zu bauen setzt auch voraus, dass ich einen Standort habe.)

denn dass beispielsweise Vorhaben, die Windparks in der sensiblen Oderbank planen, gerade aus ökologischer Sicht nicht unproblematisch sind, brauche ich an dieser Stelle sicher nicht weiter auszuführen. Im Übrigen hat sich auch die Wikra GmbH von einem Vorhaben Oderbank verabschiedet, weil sie selbst dieses Ökosystem für zu empfindlich und damit als untauglich bewertet. Was wir also brauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wissenschaftliche Untersuchungen und handfeste Daten und keine Vermutungen zu möglichen Auswirkungen von Off-Shore-Windkraftanlagen in der Ostsee.

(Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Und dass sich die Landesregierung auch ohne diesen Antrag schon diesem Vorhaben widmet, ist, denke ich, auch in den Ausführungen von Minister Holter deutlich geworden. Es ist auch hervorgehoben worden, dass die Landesregierung sich in diesem Zusammenhang bereits mehrfach als Partner für ein entsprechendes Pilotprojekt angeboten hat. In der Vergangenheit ist in kritischer Diskussion ein Eignungsrahmen gefunden worden – auch das wurde bereits dargestellt –, eine Förderung ist im Zukunftsinvestitionsprogramm der Bundesregierung angemeldet. An unserer Unterstützung und an den Aktivitäten der Landesregierung wird es also ganz sicher nicht

mangeln. Das ist hier heute deutlich geworden. Wir halten dieses Pilotprojekt für eine wichtige Voraussetzung, erstmals zu aussagekräftigen Erkenntnissen über die Windenergienutzung auf der Ostsee zu kommen. Wir werden diesen Prozess ebenso kritisch wie konstruktiv begleiten.

Und deshalb, Herr Brauer, danke ich Ihnen für die Möglichkeit, dazu hier heute eine Debatte zu Ihrem Antrag zu führen. Aber wie mein Kollege Klostermann bereits ausführte, werden wir aufgrund der hier getätigten Äußerungen diesen Antrag ablehnen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Ritter.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2060. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2060 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, bei einer Stimmenthaltung, und den Stimmen der Fraktion der PDS sowie bei Zustimmung der Fraktion der CDU abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir treten nun in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 12.50 Uhr fortgesetzt.

Unterbrechung: 11.52 Uhr __________

Wiederbeginn: 12.55 Uhr

Meine Damen und Herren! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Wohnungsleerstand in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/2059.