Herr Minister Holter, Ihre Wirklichkeitsferne ist – nicht nur, was das Ministerium angeht, sondern vielmehr, was viel schlimmer ist, die Bauwirtschaft, die Situation der Menschen in diesem Land –, Ihre Wirklichkeitsferne ist bestürzend, um nicht zu sagen, gespenstisch.
Die Fraktionsvorsitzende der PDS-Fraktion hat es auf den Punkt gebracht, als sie gesagt hat, die Lage ist dramatisch, während Sie versuchen, uns hier die ganze Sache schönzureden. Bei einer Umsatzentwicklung des Bauhauptgewerbes von minus 24,9 Prozent im ersten Halbjahr und einer Beschäftigungsentwicklung von minus 17,3 Prozent im gleichen Zeitraum kann nicht mehr von einer gesunden Konsolidierung aufgrund von Überkapazitäten gesprochen werden. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Zahlen bedeuten den freien Fall und den Kollaps einer gesamten und zudem noch bedeu
tenden Wirtschaftsbranche in Mecklenburg-Vorpommern. Ein darüber hinaus noch überdurchschnittlicher Rückgang bei den Auftragseingängen im Hochbau von minus 28,3 Prozent und drastischen Einbrüchen im Wohnungsbau von minus 29,4 Prozent untermauern diese These leider nachdrücklich.
Ich könnte noch etliche weitere Zahlen anführen, hinter denen jeweils natürlich – und das ist das Entscheidende – Schicksale von Menschen in diesem Land stehen, ich möchte jedoch die kurze Zeit, die mir im Rahmen einer Aktuellen Stunde bleibt, nutzen, um nach den Ursachen und Gründen dieser Entwicklung zu fragen.
Dieser Regierung – der Ministerpräsident und der Minister für Arbeit und Bau stehen hier exemplarisch für das Versagen auf der ganzen Linie – muss drastisch gesagt werden, Bau lebt vom Investieren und nicht etwa vom Lamentieren.
Und die Schnodderigkeit und Kaltschnäuzigkeit, die hier vom Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion den Problemen dieser Branche und vor allen Dingen den davon betroffenen Menschen entgegengebracht wird, die spricht leider für sich. Und ich kann nur sagen, das haben die Menschen hier im Land nicht verdient.
In Ihrer Politik, und das zeigen auch wieder die Zahlen der Mittelfristigen Finanzplanung, liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der konsumtiven Seite. Während sich im Jahre 1998 Konsum und Investitionen noch relativ die Waage hielten, werden nach Ihren Vorstellungen im Jahr 2005 die Personalausgaben um 50 Prozent über denen der Investitionen liegen. Diesen Kahlschlag kann keine Volkswirtschaft so einfach wegstecken, schon gar nicht Mecklenburg-Vorpommern, das sich noch am Anfang der Entwicklung zu einer gesunden und breit gefächerten wirtschaftlichen Basis befindet. Jeder Prozentpunkt für Investitionen weniger wird dabei die Lage in der Bauwirtschaft zunehmend verschlechtern. Nicht nur, dass immer weniger Mittel für baurelevante Bereiche vorgesehen sind, verschlimmernd kommt hinzu – und da können Sie sagen, was Sie wollen, Herr Holter, Ihren Versprechungen kann leider keiner in diesem Land mehr glauben –, dass die vorgesehenen Mittel auch im großen Umfang nicht verausgabt werden und sich als riesige Haushaltsreste in Einzelplänen der Ministerien auftürmen.
Noch einmal, wer an der falschen Seite bei den Investitionen spart, der kann ein Land auch kaputtsparen. Und Sie sind dabei auf dem besten Wege, dies zu tun. Gerade jetzt muss die öffentliche Hand verstärkt investieren. Durch öffentliche Aufträge steigen Umsatzvolumen und Gewinne der Unternehmen. Hierdurch erhöhen sich Steueraufkommen und Beschäftigungspotential. Mit anderen Worten, höhere Investitionen der öffentlichen Hand führen zu mehr Steuereinnahmen, verringern die Arbeitslosigkeit und damit auch die enormen finanziellen Lasten der Arbeitslosigkeit.
Wiederholt haben wir das Thema Zahlungsmoral angesprochen, sind dabei leider bei Ihnen auch auf taube Ohren gestoßen. Es geht hier vordergründig nicht um Fälle objektiver Zahlungsunfähigkeit, da ließe sich durch eine entsprechende Schwerpunktsetzung im Haushalt seitens der Landesregierung schon viel bewegen.
Frisches Geld in Form von Investitionen würde hier sicherlich zu einer nachhaltigen Verbesserung der häufig dünnen Kapitaldecke in den Unternehmen führen. Dies hätte mittel- und langfristig auch positive Effekte auf die Verbesserung der Zahlungsfähigkeit, davon bin ich überzeugt. Aber auch beim Thema Zahlungsunwilligkeit wäre die Landesregierung nicht ohne Handlungsspielraum, um so der zunehmend um sich greifenden Erpressermentalität den Garaus zu machen. Ich kann es nur immer wiederholen, die so genannte miserable Zahlungsmoral, also die bewusste Zahlungsverweigerung trotz bestehender Zahlungsfähigkeit und erbrachter Leistung ist nur wirksam zu bekämpfen, wenn dem schwachen Gläubiger ein starker Partner zur Seite gestellt wird. Deshalb muss das Land sich bei der Erstausstattung eines revolvierenden Selbsthilfefonds der Wirtschaft, einem Gläubigerschutzfonds, engagieren. Dabei kann die Inanspruchnahme des Fonds zum Beispiel von einer bei Vertragsschluss verbindlich vereinbarten Schiedsgerichtsklausel abhängig gemacht werden. Dadurch würde zugleich der überlangen Verfahrensdauer in der zudem fachlich häufig überforderten ordentlichen Gerichtsbarkeit der Kampf angesagt.
Mit der kürzlich seitens der Landesregierungen erteilten Zustimmung im Bundesrat zum Vergabegesetz haben Sie, Herr Ministerpräsident, dem Land und den Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern einen absoluten Bärendienst erwiesen.
Sie haben mit Ihrer Entscheidung Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern, den Beschäftigten, ja, dem Land insgesamt schweren Schaden zugefügt. Sie haben sich einmal mehr vom Chefsache-Ost-Kanzler für knallharte Westinteressen genauso wie beim Transrapid, wie beim Airbus A380
(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Angelika Peters, SPD)
Meine Damen und Herren, wer Arbeit, Arbeit, Arbeit plakatiert, der muss sich daran messen lassen, wenn die Arbeitslosenzahlen in diesem Land steigen, seit er die Regierungsverantwortung übernommen hat, der kann das nicht auf andere schieben. Er selbst trägt die Verantwortung und zu dieser Verantwortung müssen Sie hier stehen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Volker Schlotmann, SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bauwirtschaft ist in der Krise, sie ist in ganz Ostdeutschland in der Krise und sie ist seit Jahren in der Krise. In der Bauwirtschaft ging die Beschäftigung, einschließlich der Selbständigen jetzt gerechnet, von 128.000 im Jahre 1995 auf 96.000 Erwerbstätige im Jahr 2000 zurück, wobei, und darauf möchte ich mal hinweisen, der stärkste Rückgang 1998 war, ein Rückgang damals um 10.000.
Meine Damen und Herren, 1998 hat die CDU den Wirtschaftsminister gestellt, die CDU hat die Bauministerin gestellt, die CDU hat es aber damals nicht fertig gebracht, im Landtag hier einen Antrag zu dem Thema zu stellen.
Und von daher freue ich mich, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie jetzt endlich aufgewacht sind. Sie haben lange geschlafen, Sie haben das Thema lange nicht gründlich behandelt und deshalb ist es gut, dass wir heute mal die Gelegenheit haben, darüber zu debattieren.
(Volker Schlotmann, SPD: Aber sie schlafen immer noch. – Harry Glawe, CDU: Ach, hören Sie doch auf!)
Meine Damen und Herren, die schrumpfende Bauwirtschaft überlagert das Wachstum in anderen Bereichen. Das Bruttoinlandsprodukt in Mecklenburg-Vorpommern ist im ersten Halbjahr dieses Jahres nach den vorläufigen Zahlen gesunken. Die Bauwirtschaft hat bei uns immer noch einen enorm hohen Anteil an der Gesamtwirtschaft. Bauwirtschaft und verarbeitendes Gewerbe haben in Mecklenburg-Vorpommern jeweils einen Anteil von genau 9,4 Prozent an der Bruttowertschöpfung des Landes, also ein Verhältnis von 1 zu 1. Im Bundesdurchschnitt stehen Bau und Industrie dagegen ungefähr im Verhältnis 1 zu 4 bis 1 zu 5. Die Bauwirtschaft hat bundesweit einen Anteil von 4,9 Prozent, bei uns 9,4 Prozent, genau den Zahlendreher, und das verarbeitende Gewerbe hat bundesweit einen Anteil von 23,1 Prozent.
Meine Damen und Herren, die Zahlen sagen uns, dass bei uns eine negative Entwicklung in der Bauwirtschaft voll auf die gesamte Wirtschaft durchschlägt. Diese Vergleiche zeigen auch, in welche Richtung die Entwicklung gehen wird und auch nur gehen kann. Unsere Wachstumsbranchen, wie zum Beispiel das verarbeitende Gewerbe, das immerhin fast dreimal so viel zulegte wie im Bundesdurchschnitt, haben noch einen zu geringen Anteil an der gesamten Wirtschaft des Landes. Im verarbeitenden Gewerbe insgesamt arbeiten 78.000 Beschäftigte, das ist die Zahl aus dem Jahr 2000, und damit immer noch deutlich weniger als in der Bauwirtschaft.
Meine Damen und Herren der CDU, von daher wundere ich mich schon, wie Sie es fertig gebracht haben, zum Beispiel die Gründung der Gesellschaft BioCon Valley GmbH abzulehnen,
die gerade das Wachstum in einem der Bereiche befördern soll und auch befördern wird, die in Zukunft unsere Standbeine für die wirtschaftliche Entwicklung sein werden.
Meine Damen und Herren, in der Bauwirtschaft stehen Überkapazitäten einer rückläufigen Baunachfrage gegenüber. Es hat keinen Sinn, sich an der Realität vorbeizumogeln. In ganz Ostdeutschland, leider auch in Mecklenburg-Vorpommern ist der Wohnungsbau eingebrochen. Das kann uns nicht wundern, wenn wir uns die Leerstände auf dem Wohnungsmarkt ansehen. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern Leerstände von 90.000 Wohnungen. Das ist ungefähr genauso viel wie die gesamte Anzahl von Wohnungen, die seit 1991 hier neu gebaut worden sind, nämlich 94.000.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Deshalb fördert der Minister ja auch die Priva- tisierung der Platte, der Bauminister.)
Das lässt doch, Herr Born, die Frage aufkommen, ob diese Wohnungsbauförderung der 90er Jahre tatsächlich richtig war
und ob diese Wohnungsbauförderung der 90er Jahre, die ja mit vielen Milliarden vorgenommen wurde, die heutige Entwicklung nicht erst herbeigeführt hat, nämlich die Leerstände, die jetzt den Wohnungsneubau so stark behindern.
Meine Damen und Herren, solange die Leerstände nicht weg sind, werden doch auch keine zusätzlichen Wohnungen gebaut werden. Eine weitere Förderung von Überkapazitäten würde alles noch schlimmer machen. Noch mehr Leerstände würden dann zu noch weniger Baunachfrage führen. Die Abwärtsspirale würde nicht aufgehalten, sondern noch verstärkt, und deshalb ist alles, was Sie dazu vorgeschlagen haben, auch nicht die Lösung des Problems.
Meine Damen und Herren, es war im Großen und Ganzen auch nicht die öffentliche Hand, die die Baukrise verursacht hat. Die öffentliche Hand – Bund, Länder, Gemeinden – geben in Mecklenburg-Vorpommern seit 1998 ungefähr die gleiche Summe jährlich aus, etwa 1,7 Milliarden Mark. Aber wenn man genau hinsieht, ergibt sich doch eine deutliche Differenzierung. Der Bund hat deutlich zugelegt beim Straßenbau, die Ausgaben des Landes sind über die Jahre gesehen ziemlich konstant geblieben, aber die Ausgaben der Kommunen sind ganz deutlich zurückgegangen.