Protokoll der Sitzung vom 17.10.2001

Lassen Sie mich kurz aus Sicht der PDS-Fraktion dazu Stellung nehmen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Viertens haben Sie noch vergessen. Sie sagten vier.)

Das Vierte habe ich versucht darzustellen in dem Baustellen- und Sitzprinzip, Herr Born.

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Ist klar, also jetzt können Sie mitzählen. Entschuldigen Sie bitte.

Zum Ersten. Wir teilen die rechtlichen Bedenken nicht, insbesondere nicht bezüglich der Frage der Europäischen Union. Diese Auffassung wird unterstützt durch eine Mitteilung der Europäischen Kommission vom 15.10.2001 mit dem Titel „Mitteilung der Kommission über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei Vergabe öffentlicher Mittel“. Hier wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die EU besonderen Wert auf die Berücksichtigung der sozialen Standards bei Vergabe der öffentlichen Mittel legt und dass die Entscheidung darüber in den einzelnen Mitgliedsländern herbeigeführt werden muss. Diese Standards betreffen insbesondere die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Arbeitsbedingungen, aber auch die Fragen der Chancengleichheit.

Begründet wird dieses Anliegen durch die Europäische Kommission damit, dass in der gesamten Europäischen Union jährlich öffentliche Aufträge in Höhe von 1.000 Milliarden Euro vergeben werden, die zu einer nachhaltigen Entwicklung sowie zur wirtschaftlichen und sozialen Erneuerung in der Union beitragen sollen. Und genau das, meine Damen und Herren, ist auch unsere Begründung. Es kann nicht sein, dass die Vergabe öffentlicher Mittel zukünftig weiterhin nicht an die Tarifgebundenheit geknüpft werden soll. Tarifgebundenheit heißt für mich nicht in erster Linie oder ausschließlich die Festschreibung des Lohnes, sondern auch die Festschreibung von Rechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die Kopplung an den Tarif heißt für mich auch, dass es nicht länger hinzunehmen ist, dass sich die öffentlichen Haushalte auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sanieren können.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das widerspricht doch diametral dem, was der Wirtschaftsminister ge- sagt hat. – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Ich mache es ja auch noch mal deutlich, das ist die Regierungs- und die PDS-Fraktionssicht.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, so wollen Sie das Land voranbringen. Der eine sagt hü und der andere sagt hott.)

Dabei ist mir die finanzielle Situation der Kommunen schon bewusst.

Zum zweiten Argument, dass mit der Festschreibung die Unternehmen im Osten ausgeschlossen werden, weil sie nicht mitbieten können, kann ich nur entgegnen: Die Tatsache, dass die Unternehmen in den neuen Bundesländern nicht tarifgebunden sind, hat ihnen bezüglich der Etablierung auf dem Markt nicht weitergeholfen, auch nicht in der Tatsache, dass in den Unternehmen niedrigere Löhne gezahlt werden. Ich denke, eher im Gegenteil,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Also was gilt denn jetzt? Mit Entschiedenheit jein.)

dieser angebliche Wettbewerbsvorteil wird immer mehr zum Nachteil, weil die Fachkräfte nicht bleiben.

Zur Frage des Baustellenprinzips beziehungsweise Sitzprinzips: Diese Frage ist, das will ich an dieser Stelle sagen, auch in der PDS-Fraktion umstritten gewesen. Die Mehrheit hat sich aber für die Anwendung des Baustellenprinzips ausgesprochen und ich denke, das ist richtig. Baustellenprinzip heißt für mich die gleichen Ausgangsbedingungen für alle Unternehmen. Es kann doch nicht ernsthaft gewollt sein, dass die Sieger beim Vergabeverfahren sich dadurch auszeichnen, dass sie sich durch Lohndumping am Markt halten.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Also gilt das jetzt, was der Wirtschaftsminister gesagt hat hinsicht- lich des Bundesratsverfahrens oder nicht?)

Die Regierung entscheidet, das ist das Verfahren. Und er hat deutlich gemacht, dass am Ende entschieden wird, was wieder rauskommt. Natürlich müssen wir auch weiter mit der Regierung über ihre Position diskutieren. Deswegen sage ich hier auch deutlich, dass es im Moment noch unterschiedliche Auffassungen gibt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So. Und so lösen Sie die Probleme der Bauwirtschaft.)

Darüber muss man streiten. Ich denke, unterschiedliche Auffassungen gab es auch in der großen Koalition von SPD und CDU und ich meine, die sind legitim.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So lösen Sie die Probleme der Bauwirtschaft in der dramatischen Situation! – Harry Glawe, CDU: Dann einigen Sie sich mal! Dann einigen wir uns mit Herrn Rehberg auch.)

Wir lassen uns nicht disziplinieren, auch wenn Sie es so haben wollen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Nein, das brauchen Sie uns doch gar nicht zu erzählen!)

Es kann doch nicht ernsthaft gewollt sein, dass die Sieger beim Vergabeverfahren sich dadurch auszeichnen,

(Harry Glawe, CDU: Herr Minister, was stimmt denn nun?! Ihre Meinung ist richtig.)

dass sich durch...

Herr Glawe, jetzt hat nicht der Minister das Wort, sondern die Abgeordnete,

(Harry Glawe, CDU: Ah ja.)

und ich bitte zuzuhören.

Das haben Sie auch noch nicht verstanden, aber wir kriegen es schon hin,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

und das nicht nur in Bezug auf die Konkurrenz mit den westdeutschen Unternehmen, sondern auch mit den hier ansässigen.

Und noch eins, wir reden als Politikerinnen und Politiker pausenlos über die Herstellung der inneren deutschen Einheit. Dazu gehört für mich auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit,

(Harry Glawe, CDU: Oi!)

und zwar nicht hinsichtlich des schlechteren Niveaus im Osten für die westdeutschen Arbeiternehmerinnen und Arbeiternehmer, sondern umgekehrt. Ob das alle wollen, darüber bin ich mir allerdings nicht mehr so recht im Klaren.

Zum Abschluss gestatten Sie mir eine Bemerkung: Es ist schon verwunderlich, dass diejenigen, die in diesem Zusammenhang eine völlige Deregulierung wollen, im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung eine Regulierung haben wollen. Ich meine dabei die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Auch darüber sollten wir gemeinsam nachdenken. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Skrzepski von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Frau Skrzepski.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wir nehmen als Politiker vollmundig zu jeder Gelegenheit das Wort „Demokratie“ in den Mund, im eigentlichen Sinne ja vom Griechischen übersetzt „Volksherrschaft“. Wir aber leben es zunehmend als Parteienherrschaft aus, und Sie, werte Abgeordnete von PDS und SPD, dienen eifrig Ihrem Koalitionspapier, aber nicht den Tausenden arbeitslosen Bauarbeitern im Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich zitiere aus der Halbzeitbilanz der SPD- und PDSKoalition

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

mit dem markigen Titel – Frau Gramkow, zu Ihnen kommen wir auch noch – „Es geht voran in Mecklenburg-Vorpommern“, ein guter Spruch.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Oh, wir fürchten uns. Wir sitzen unterm Tisch.)

Es heißt im Kapitel 2, es ist doch wohltuend zu hören: „Der beste Weg zur Schaffung von Arbeitsplätzen ist eine wachsende Wirtschaft,“ richtig, „denn nur im Unternehmen können wettbewerbsfähige Arbeitsplätze entstehen.“ Richtig.

(Reinhard Dankert, SPD: Ich habe das Gefühl, ein Bauminister Rehberg wäre das Beste für Sie.)

„Deshalb sorgen wir dafür, dass der Standort Mecklenburg-Vorpommern gestärkt wird.“

Richtig, Herr Dankert.

(Volker Schlotmann, SPD: Ha, das dürfen wir zitieren, ja?!)

„Dabei setzen wir klare Prioritäten.“, Herr Schlotmann.