(Wolfgang Riemann, CDU: Weil wir auch an die tausend Sozialdemokraten denken, die nach 1945 ums Leben gekommen sind. – Zuruf von Götz Kreuzer, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: 1946, ich korrigiere mich.)
Ich möchte es dennoch versuchen. Vielleicht gelingt es mir mit den Worten von Richard von Weizsäcker, der am 8. Mai 1985 als Bundespräsident im Deutschen Bundestag vortrug, ich zitiere den damaligen ersten Mann der Bundesrepublik Deutschland: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen. Aber“, so Richard von Weizsäcker weiter, „wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. Wir dürfen“, so Richard von Weizsäcker, „den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen.“ So weit Richard von Weizsäcker.
Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten vergessen nicht, dass der 8. Mai in der DDR von der SED und dem Staat als Jubel- und Huldigungstag missbraucht wurde. Dahin führt mit uns kein Weg zurück. Aber unser Respekt und unser Gedenken gehören an diesem Tag auch den russischen Soldaten und allen Angehörigen der Roten Armee, die ihr Leben für unsere Befreiung vom Faschismus verloren haben.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Von den russischen?)
Meine Damen und Herren! In Mecklenburg-Vorpommern werden auch nach der Verabschiedung dieses Gesetzes am 8. Mai künftig keine Siegesfeiern stattfinden. Aber wir werden an diesem Tag aufgefordert, innezuhalten und uns der Worte von Richard von Weizsäcker zu erinnern, die er sprach in der genannten Rede: „... wir
haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.“ So weit Richard von Weizsäcker.
Meine Damen und Herren! Ich sage abschließend an die zahlreichen Verfassungspatrioten in diesem Hause, zu denen auch ich mich zähle: Der 8. Mai 1945 machte erst den 8. Mai 1949 möglich. Vier Jahre nach Kriegsende, 1949 am 8. Mai, beschloss der Parlamentarische Rat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Darum sage ich für die SPD: Den 8. Mai künftig als Gedenktag in Mecklenburg-Vorpommern zu begehen ist gut begründet und setzt einen neuen Akzent im Gedenktagekalender der Länder der Bundesrepublik Deutschland und das ist gut so! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sinn und Zweck des von der CDU-Fraktion eingebrachten Gesetzentwurfes zur Änderung des Gesetzes über Sonn- und Feiertage ist eine teilweise Rechtsangleichung an bundesweit geltende Regelungen zur Feiertagsruhe.
Mecklenburg-Vorpommern war bisher das einzige Bundesland, in welchem am Volkstrauertag und am Totensonntag von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr sämtliche Sport-, Tanz- und sonstige Veranstaltungen verboten waren. In benachbarten Bundesländern ist es möglich, an den Samstagen vor den Gedenk- und Trauertagen bis 3.00 Uhr, 4.00 Uhr oder 5.00 Uhr am Sonntagmorgen in Diskotheken oder auf sonstigen Veranstaltungen zu feiern, und diese Gelegenheit wird auch von jungen Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern genutzt.
An diesem Punkt mussten wir uns fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, in Mecklenburg-Vorpommern einen Sonderweg zu gehen, denn unsere restriktive Regelung führt letztlich nicht dazu, dass gerade junge Menschen Zeit für Rückblicke und Besinnung finden, sondern führt nur zu einer örtlichen Verlagerung der Veranstaltungen und zur Umgehung der Verbote. Es führt nicht nur zur Umgehung der Verbote, sondern auch zur Rechtsunsicherheit im Land Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere hervorgerufen durch den Erlass des Innenministers vom Herbst 1999.
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, na, das Gesetz stammt doch wohl ausschließlich von Ihnen! – Andreas Bluhm, PDS: Das hat er vergessen.)
Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund haben wir eine Angleichung an die Regelungen der Nachbarländer vorgeschlagen. Wir haben uns die Entscheidung für einen derartigen Gesetzesantrag nicht leicht gemacht. Natürlich mussten wir abwägen zwischen dem Bedürfnis nach würdiger und angemessener Begehung der Sonn- und Feiertage sowie der stillen Gedenk- und Trauertage und dem Bedürfnis von Wirtschaftsbetrieben und auch Besuchern von Veranstaltungen dieser Betriebe, die eine Einschränkung der Sperrzeit mit wirtschaftlichen Einbußen bezahlen. Jedes Gesetz beinhaltet letztendlich einen Kompromiss zwischen widerstreitenden Interessen.
Wir haben die Schutzvorschriften für christliche und gesetzliche Feiertage unberührt gelassen und uns in Angleichung an bundesweite Regelungen darauf beschränkt, die Sperrzeit am Totensonntag und am Volkstrauertag von 0.00 Uhr auf 4.00 Uhr anzuheben. Damit befinden wir uns nicht an der Spitze der bundesweiten Regelung. In Hamburg und Hessen beginnt die Ruhezeit erst um 6.00 Uhr morgens. Allerdings wollten wir auch deutlich machen, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt und haben daher an den beiden Gedenkund Trauertagen eine eigene Sperrzeit, nämlich 4.00 Uhr morgens, einführen wollen. Damit sollte zum einen deutlich gemacht werden, dass hier nicht die allgemeine Sperrzeit 5.00 Uhr morgens gelten soll, und zum anderen sollte Mecklenburg-Vorpommern nicht vom Schlusslicht zum Spitzenreiter bei der Regelung der Sperrzeit gemacht werden. Einen Mittelplatz würde Mecklenburg-Vorpommern auch im Vergleich mit den anderen neuen Bundesländern einnehmen, die wie Mecklenburg-Vorpommern erst seit 1990 eine Feiertagskultur nach 40 Jahren atheistischer Politik in der DDR im Bewusstsein der Bevölkerung verankern. Sachsen und Thüringen haben den Beginn der Sperrzeit um 3.00 Uhr, Brandenburg um 4.00 Uhr festgelegt. Lediglich in Sachsen-Anhalt beginnt die Feiertagsruhe erst um 5.00 Uhr. Meine Damen und Herren, wir hätten es daher gern bei der in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung belassen.
In diesem Zusammenhang frage ich mich natürlich, Herr Friese, warum sich die SPD gegenüber der PDS nicht durchsetzen konnte. Sie sagten doch bei der Einbringung des Gesetzentwurfes, ich zitiere Sie: „Öffnungszeiten am Totensonntag und Volkstrauertag über 4 Uhr hinaus kann und darf es nicht geben!“ Und auch der Innenminister fand lobende Worte für die beabsichtigte Regelung. So viel zu dem gesprochenen Wort von vor einigen Wochen.
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber auch Herrn Friese ist es nicht verboten, immer schlauer zu werden.)
Meine Damen und Herren, wir könnten notfalls mit dieser Änderung leben, allerdings müsste dann durch Erlass des Innenministers deutlich gemacht werden, dass Ausnahmen von diesen Sperrzeiten nach Paragraph 8 Absatz 2 nicht zugelassen werden sollen.
Nicht recht nachvollziehen kann ich, warum Sie eine Erhöhung des Bußgeldes für vorsätzliche Verstöße gegen die Verbotsvorschriften des Feiertagsgesetzes ablehnen.
Meine Damen und Herren! Überhaupt nicht akzeptieren können wir jedoch die beabsichtigte Einführung eines dritten Gedenk- und Trauertages, nämlich die Einfügung des 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Und ich weiß nicht, Herr Friese, warum es einen Alleinvertretungsanspruch des konservativen Deutschlands für Gedenk- und Trauertage geben soll.
Ist es ein konservativer Alleinvertretungsanspruch, wenn Roman Herzog 1996 vorgeschlagen hat, den 27. Januar 1945, den Tag, als die Rote Armee das KZ Auschwitz befreite, zum nationalen Gedenktag zu nehmen? Das ist für Sie konservativer Alleinvertretungsanspruch? Herr Friese, wissen Sie, ich würde mir gut überlegen, was ich sage, gerade zu solchen Punkten.
Man kann über den 8. Mai diskutieren. Aber warum, Herr Friese, haben Sie sich dann einer derartigen Diskussion unter Beteiligung der Öffentlichkeit entzogen? Warum haben Sie klammheimlich am 4. Oktober – am letzten Beratungstag – gemeinsam mit der PDS diesen Änderungsantrag auf den Tisch gelegt?
Und warum haben Sie nicht schon bei der Einbringung des Gesetzes beziehungsweise spätestens zur öffentlichen Anhörung Ihren Vorschlag der Öffentlichkeit transparent gemacht? Ist das in einer so wichtigen politischen Frage guter Stil?
Nein, Sie haben die Debatte dazu vermieden. Sie haben am 4. Oktober klammheimlich den 8. Mai zum Gedenkund Trauertag im Sinne des Paragraphen 2 Absatz 2 gemacht.
(Irene Müller, PDS: Das ist doch gar nicht wahr. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das machen wir doch erst heute. Heute passiert das, und zwar in aller Öffentlichkeit.)
Herr Friese, warum haben Sie dann nicht den Gedenkund Trauertag 8. Mai auch den Paragraphen 3 bis 6 unterworfen?
Was ist das für ein Gedenk- und Trauertag, für den die Restriktionen wie beim Totensonntag und Volkstrauertag nicht zutreffen? Dieser Tag ist ein gewöhnlicher Arbeitstag, nicht mehr und nicht weniger. Warum haben Sie, wenn Sie es ernst meinen mit dem, was Sie hier gesagt haben, neben dem Totensonntag und dem Volkstrauertag nicht auch den 8. Mai in die Paragraphen 3 bis 6 eingereiht? Warum? Diese Frage haben Sie hier nicht beantwortet. Nein, Sie packen diesen Vorschlag plötzlich auf den Tisch.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der 8. Mai wirklich der Tag in der deutschen Geschichte, der geeignet ist, für alle als Gedenk- und Trauertag zu gelten? Haben Sie sich das einmal gefragt? Und übrigens, Herr Friese, welch einseitige Sicht haben Sie eigentlich zum 8. Mai? Es waren nicht nur die russischen Soldaten, es war die Anti-Hitler-Koalition, die insgesamt den Zweiten Weltkrieg beendet hat. Da brauchen Sie jetzt nicht zu nicken, dann sagen Sie es hier. Sie haben es anders gesagt.
Wenn ich den 8. Mai wirklich nehme, so, wie Sie ihn in der Begründung beschrieben haben, dann doch nicht nur mit Blick auf die Rote Armee. Dann gehört doch ein bisschen mehr Geschichtsverständnis dazu.
(Rudolf Borchert, SPD: Na, dann stimmen Sie doch zu! Dann ist doch alles klar. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Was mäkeln Sie hier herum?)
Wissen Sie, Herr Schoenenburg, wer so einen Tag hintenrum aus der Tasche zieht und dann das Wort „mäkeln“ in den Mund nimmt, das hat doch nichts mit Mäkeln zu tun.
(Peter Ritter, PDS: Sie mäkeln doch hier! Frau Schulz hat in der Ersten Lesung dazu gesprochen. Sie hätten nur zuhören müssen! – Zuruf von Irene Müller, PDS)
Und, meine Damen und Herren, was verbindet man noch mit dem 8. Mai, nicht nur ich? Was sagen Sie den Bewohnern in Demmin, die Anfang Mai zu Hunderten in den Tod gegangen sind? Was sagen Sie den Toten von Katyn? Was sagen Sie den Hunderten, den Tausenden deportierten Kindern und Jugendlichen aus Deutschland in den Gulag nach dem 8. Mai 1945? Was sagen Sie denjenigen, die im Zuge der so genannten Bodenreform willkürlich enteignet, geschlagen und ermordet worden sind? Was sagen Sie Hunderten, Tausenden Christen, Sozialdemokraten, Kommunisten, die ohne Übergang in Buchenwald, in Sachsenhausen, in Fünfeichen eingesperrt worden sind? Was sagen Sie denen zum 8. Mai 1945?
Ist der 8. Mai wirklich der Beginn einer demokratischen Entwicklung nicht nur im Osten Deutschlands, sondern auch in Ost- und Mitteleuropa, oder ist er nicht eher der Beginn von Unfreiheit, von Willkürherrschaft?
Ist der 8. Mai nicht auch in Verbindung zu bringen mit dem 17. Juni 1953, mit dem Ungarn-Aufstand 1956, mit dem Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968?
Haben Sie, die Ja gesagt haben zum 8. Mai und die jetzt noch Ja sagen wollen, sich diese Fragen einmal gestellt? Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, der 8. Mai ist aus meiner Sicht, ist aus unserer Sicht kein geeigneter Tag. Der 27. Januar, der wäre es. Das wäre ein geeigneter Tag.
(Siegfried Friese, SPD: Und den durchbrechen wir. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)