(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Ist das peinlich, Frau Bretschneider. – Sylvia Bretschneider, SPD: Sie sind peinlich.)
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Eckhardt Rehberg, CDU: Peinlich, peinlich! Diese Landesregierung ist einfach peinlich, deutschlandweit peinlich!)
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Verkehrskonzept für Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 3/2318.
Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Verkehrskonzept für MecklenburgVorpommern – Drucksache 3/2318 –
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Ritter von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Ritter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich nicht leicht, nach dieser Befragung zur Tagesordnung überzugehen,
Verkehrskonzept für Mecklenburg-Vorpommern, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer in diesen Tagen mit dem Auto durchs Land fährt, dem kann es passieren, dass er kilometerweit hinter einem mit Zuckerrüben schwer beladenen Lkw herfährt.
Nein, nein, es ist nicht schlimm, Herr Minister Backhaus, aber er wird sich besorgt die Frage stellen, warum es nicht möglich ist, diese Transporte nach Güstrow oder nach Anklam mit der Bahn durchzuführen.
Und wer im Sommer, Herr Rehberg, einmal eine Wochenendreise mit dem Interregioersatz nach Berlin oder Rostock unternahm, hat sich im überfüllten Zug stehenderweise sicherlich die Frage gestellt, warum das Land für diesen „Service“ auch noch Geld ausgibt. Die Betreiber des Flughafens Neubrandenburg-Trollenhagen fragen, warum das Land eine Fluglinie von Rostock nach München finanziell unterstützt, eine Anbindung Neubrandenburgs aber nicht. Ich frage, ob es ökologisch überhaupt sinnvoll ist, auf dem Weg ins Ozonloch Inlandsflüge auch noch finanziell zu unterstützen. Touristen, die unser Land besuchen, fragen zum Beispiel, warum die stillgelegte Eisenbahnstrecke Waren-Malchin-Dargun nicht zumindest für die touristische Nutzung reaktiviert werden kann. Konzepte von Kommunalpolitikern gibt es dafür ausreichend.
Die Osterweiterung der EU nimmt konkrete Formen an. Die Zusammenarbeit unseres Landes mit den skandinavischen Ländern bietet große Chancen. Die Wirtschaft des Landes stellt zu Recht die Frage, wie die Verkehrspolitik des Landes auf diese Anforderungen vorbereitet ist.
Fragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die es zu beantworten gilt. Es müssen aber auch Antworten auf folgende Probleme gegeben werden. Nach einer Studie des Wuppertal-Instituts wachsen die Lkw-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 38 Prozent. Der Flugverkehr wird so zunehmen, dass er dann das Klima so belastet wie der gesamte heutige Pkw-Verkehr. Allein das Verkehrswachstum könnte bis zum Jahr 2020 sämtliche Einsparungen von Klimagasen in anderen Bereichen zunichte machen, falls keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Diese Gegenmaßnahmen aber sind nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Bahn wird weiter in der Fläche zerschlagen, Anreize zum Gütertransport auf der Schiene entfallen, der Neubau von Autobahnen und Flughäfen geht munter weiter. Die Entwicklung eines attraktiven ÖPNV als Alternative zum motorisierten Individualverkehr wird vernachlässigt. Den Auswirkungen der Liberalisierung im europäischen ÖPNV wird zu wenig entgegengesteuert.
Notwendig, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind also zukunftsfähige Strategien, die eine die Wirtschaft fördernde und die Umwelt schonende Verkehrspolitik ermöglichen. Die bisher im Land nebeneinander existierenden, nicht aufeinander abgestimmten Konzepte zur Entwicklung des Schienen-, Straßen- und Luftverkehrs sowie der See- und Binnenschifffahrt sind daher zu überprüfen und miteinander zu verknüpfen. Dazu gehören aber genauso Rad- und Reitwegekonzepte, Vorstellungen einer modernen Raumordnung und Städteplanung mit dem Ziel der Stadt der kurzen Wege, ein überarbeiteter ÖPNV-Landesplan zum Ausbau eines flächendeckenden und sozial gestalteten öffentlichen Personennahverkehrs.
Gerade für ein Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern sind das entscheidende Fragen. Zur Erfüllung der Grundfunktionen Wohnen, Arbeit, Erholung, Ver- und Entsorgung, Bildung und vieles andere mehr sind Bewegungen im Raum erforderlich. Doch gerade der ländliche Raum ist oft infrastrukturell unterversorgt oder wurde unterversorgt gemacht. Noch vor nicht allzu langer Zeit gab es in fast jedem Dorf unseres Landes einen Laden, eine Poststelle, einen Frisör, einen Kindergarten. Viele Fahrten mit dem Auto waren so erst gar nicht erforderlich. Wir sind also auch und vor allem aus sozialer und ökologischer Sicht gefordert, moderne Verkehrskonzepte zu entwickeln. „Der ÖPNV“ – so Professor Mohnheim, einer der anerkanntesten Verkehrsplaner Deutschlands – „muss den Menschen viel weiter entgegenkommen, durch viel mehr Haltestellen und kurze Wege und durch die Vermittlung des Gefühls, überall sei gleich um die Ecke ein Bus oder eine Bahn oder ein Taxi oder ein Rufbus... erreichbar.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Bundesland wird mehr und mehr zur Drehscheibe internationaler Verkehrsströme. Aus Sicht der Wirtschaft formulierte die Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern Mecklenburg-Vorpommerns im Februar diesen Jahres Zielstellungen für die Verkehrspolitik. In dem Forderungskatalog, der bei der Erarbeitung des Verkehrskonzeptes und damit der Umsetzung des Antrages eine wichtige Rolle spielen sollte, heißt es unter anderem: „Für die Wirtschaftsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern ist ein leistungsfähiges Verkehrsinfrastrukturnetz, welches in das Transeuropäische Netz integriert ist, unverzichtbar.“ Gefordert wird unter anderem: „Von allen Wirtschaftsstandorten, insbesondere den Oberzentren, müssen die Verkehrsknoten und Metropolregionen Berlin und Hamburg sowie die mitteldeutsche Industrieregion um Magdeburg und Leipzig schnell und wirtschaftlich auf den Verkehrsträgern Straße und Schiene erreicht werden können. Gleichermaßen ist die Erreichbarkeit der polnischen Wirtschaftsregionen sicherzustellen.“
Vorgeschlagen werden Maßnahmen für die Entwicklung überregionaler und regionaler Verkehre – Angebote, die in unsere Debatte aufgenommen werden müssen. Ich verhehle jedoch dabei nicht, dass ich entgegen manch anderer Vorschläge dem Ausbau der Schieneninfrastruktur Priorität einräume. Liest man diesen Forderungskatalog aufmerksam, wird man übrigens einen Hinweis auf den Transrapid, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht finden. Man findet dagegen zum Beispiel die Forderung, die Stadt- und Umlandlinien des ÖPNV an die Fahrpläne des Eisenbahnfernverkehrs anzupassen. Man findet die Forderung nach attraktiven Zubringerverkehren von Oberzentren des Landes zu Fernreiseknotenpunkten. Man findet die Forderung nach dem Ausbau der Hinterlandanbindung der Häfen per Straße und Schiene. Man findet die Forderung nach einem Verkehrswegeausbauprogramm für Mecklenburg-Vorpommern auf der Grundlage einer aktuellen Zustandsanalyse. Ähnliche Vorschläge und Forderungen finden sich auch in dem „Maßnahmekatalog zur Verbesserung der Erreichbarkeit der Region Mecklenburgische Seenplatte“, zusammengestellt vom zuständigen Regionalen Planungsverband.
Zahlreiche Vorschläge liegen also auf dem Tisch. Vieles mehr gebe es zu bedenken, so zum Beispiel die Auswirkungen möglicher internationaler Großflughäfen in BerlinSchönefeld oder Stendal auf das Luftverkehrskonzept des Landes Mecklenburg-Vorpommern oder die Frage, ob
sich die Verkehrsminister der Länder gegenüber dem Bund mit ihrer Forderung nach Erhöhung der Regionalisierungsmittel wirklich durchsetzen können, oder die Auswirkungen weiterer Übertragungen von Strecken im Schienenpersonennahverkehr an private Anbieter auch hinsichtlich der Einhaltung von tariflichen und arbeitsrechtlichen Standards und vieles andere mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag bietet also die Möglichkeit, für unser Land ein modernes Verkehrskonzept zu erarbeiten, das erstens ein ökonomisches Ziel verfolgt, nämlich Voraussetzungen für eine aktive Wirtschaftspolitik schafft, zweitens ein soziales Ziel verfolgt, nämlich Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen sichert, und drittens ein ökologisches Ziel verfolgt, nämlich Möglichkeiten schafft, den motorisierten Individualverkehr zu verringern und trotzdem Mobilität zu sichern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Vorfeld der Landtagssitzung wurde auch die Frage gestellt, ob angesichts des drohenden Wahlkampfes eine Erarbeitung eines solchen Konzeptes bis zum Juni 2002 überhaupt noch möglich erscheint, auch angesichts der Tatsache, dass ressortübergreifendes Handeln gefragt ist. Ich meine, es liegt an uns selbst, dafür zu sorgen, dass dieser Antrag nicht der Diskontinuität anheim fällt, schließlich braucht unser Land auch nach dem September 2002 ein modernes Verkehrskonzept. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein unbekannter Autor hat mal gesagt: Von Jahr zu Jahr braucht man weniger Zeit, um über den Ozean, aber mehr Zeit, um ins Büro zu kommen.
(Angelika Gramkow, PDS: Richtig. – Barbara Borchardt, PDS: Manche sind gar nicht so traurig darüber.)
Jetzt ist das woanders schlimmer als in MecklenburgVorpommern und ich glaube, glücklicherweise ist bei uns die Situation nicht so dramatisch wie in manch anderen Ballungsgebieten.
Und bei uns tut sich auch was. Die Verkehrsbedingungen verbessern sich von Jahr zu Jahr und die Fahrzeiten durch das Land reduzieren sich spürbar. Wer von Schwerin nach Rostock fährt, der merkt das ganz deutlich.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns einig, wir brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur für die Menschen im Land, für die Touristen, die wir nicht vergessen dürfen, und für die Wirtschaft. Und wir alle wissen, Infrastruktur ist nicht nur ein wichtiger Standortfaktor für unsere hier ansässige Wirtschaft, sondern wir wollen schließlich auch potentielle Investoren überzeugen, dass sie zu uns kommen und Arbeitsplätze schaffen. Und wenn wir das wollen, dann müssen wir eins beachten: Wir müs
sen den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht werden. Die Wirtschaft ist hier darauf angewiesen, dass sie konkurrenzfähig bleibt. Wenn sie nicht konkurrenzfähig bleibt aufgrund der Verkehrsbedingungen, dann geht sie oder sie geht unter oder sie kommt gar nicht erst zu uns. Und all das kostet Arbeitsplätze, die wir schließlich erhalten beziehungsweise bekommen wollen.
Und weil das so ist, brauchen wir gut ausgebaute Verkehrswege und wir brauchen eine Verbesserung der überregionalen Verkehrsanbindung unseres Standorts Mecklenburg-Vorpommern. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet. Überall im Land kann man das sehen. Bis 2005 sind die größeren Autobahnprojekte im Land fertig: die A 20, die Rügenanbindung, die Strelasundquerung und die Strecke bis Bergen auf Rügen, die Verlängerung der A 241 von Schwerin nach Wismar. Unsere neuen Autobahnen erhalten überdurchschnittlich viele Anschlussstellen und das dient der guten Erreichbarkeit aller Landesteile.
Meine Damen und Herren, doch nicht nur bei den Autobahnen geht es voran. Die Bundes- und Landesstraßen werden weiterhin erneuert und ausgebaut. Viele neue Ortsumgehungen entstehen. Eine Reihe von Ortsumgehungen im Zuge von Bundesstraßen konnten wir bei der Bundesregierung zusätzlich – und ich sage, zusätzlich, die waren vorher nicht so geplant – durchsetzen: die sechs Ortsumgehungen Alt-Strelitz, Stralsund fünfter Bauabschnitt, Crivitz, Ribnitz, Greifswald und Anklam. Sie sehen also, hier liegt ein eindeutiger Schwerpunkt auf Vorpommern.
Meine Damen und Herren, der Bund hat für den Straßenbau in Mecklenburg-Vorpommern noch nie so viel Geld ausgegeben und zur Verfügung gestellt wie jetzt und in den nächsten Jahren.
Und das gilt nicht nur für die Straße, das gilt auch für die Schiene. Auch auf der Schiene kommen wir voran. Die Strecke Schwerin – Stralsund wird abschnittsweise auf eine Geschwindigkeit von 160 Kilometer in der Stunde weiter ausgebaut. Und auch bei der Bahnverbindung R o s t o ck –Berlin hat sich nach einigen Irritationen in den letzten Monaten doch einiges bewegt und wir werden auch nicht locker lassen. Wir haben die verbindliche Zusage von Bundesregierung und Bahn, dass die Strecke von Berlin Außenring nach Rostock bis 2006 für eine Geschwindigkeit bis zu 160 Stundenkilometern ausgebaut wird.
Und Herr Mehdorn, der Bahnchef, hat zugesagt, dass noch in diesem Jahr mit den Vorbereitungsarbeiten für die erste Baumaßnahme begonnen wird, und Baubeginn ist nach dieser Zusage im April 2002.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Glauben Sie, dass Herr Ritter das gut findet?)
Herr Mehdorn hat weiter zugesagt, dass die Bahn nach der Ertüchtigung für diese Strecke wieder die Bedienung mit Fernverkehr vorsehen wird mit einer Fahrzeit unter zwei Stunden. Und dabei bin ich mit Herrn Mehdorn einig, dass dann auch der Einsatz eines ICE der neuen Generation doch das Wünschenswerte wäre.