Herr Glawe, Sie haben sich heute hier so was von dequalifiziert, besser konnten Sie es selber nicht machen.
Es ist wirklich absolut spitzenmäßig, was Sie hier von sich gegeben haben, in Anführungsstrichen, Entschuldigung. Aber das sage ich nachher noch im Detail.
Ich denke, ähnlich wie Frau Dr. Seemann, wie auch Frau Dr. Bunge zum Ausdruck gebracht haben, wir haben hier mit diesem Gesetz, was wir heute zu beschließen haben, einen großen Schritt getan für eine Reform,
(Wolfgang Riemann, CDU: Gestern standen wir vor dem Abgrund, heute haben wir einen großen Schritt getan. – Volker Schlotmann, SPD: Die CDU. – Dr. Margret Seemann, SPD: Die CDU ist am Abgrund.)
und die auch mit dazu beiträgt, dass wir die Hilfen effizienter in den Kommunen gestalten können, weil Hinderungsgründe, die das Modellprojekt „Sozialpsychiatrie“ herausgefunden hat, dem bisher entgegenstanden. Das Hauptanliegen, so die Beschlussempfehlung, ist, die Wahrnahme der Verantwortung für die Aufgabenerfüllung und die Kostentragung in eine Hand zu legen, und dies auf kommunaler Ebene.
Wie schon bei der Ersten Lesung zum Ausdruck gebracht, wird damit ein erster Schritt getan, um strukturelle Hindernisse für eine zielorientierte Hilfegewährung abzubauen. Das heißt nach unserem Verständnis personenzentrierte und lebensfeldorientierte Hilfegewährung für die Betroffenen. Nach unserer Auffassung entsprach der erste Entwurf noch nicht ganz dieser Zielstellung. Deshalb hat, wie die Vorsitzende des Sozialausschusses Frau Dr. Seemann in ihren Ausführungen bereits darlegte, der Entwurf einige wesentliche Änderungen erfahren. Maßgebend dafür waren und sind die Ergebnisse und Anregungen des Modellprojektes „Sozialpsychiatrie“ sowie die Anregungen der Verbände und Leistungserbringer während der Anhörung des Sozialausschusses zu diesem Gesetz. Übrigens, mit diesem Gesetz beweist das Land MecklenburgVorpommern, ähnlich wie bei den vorherigen Haushaltsdebatten beziehungsweise bei der Erarbeitung und Verabschiedung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, die Koalition von SPD und PDS kann konstruktiv mit Ergebnissen von Modellprojekten umgehen und befördert damit neue politische Ansätze.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)
Meine Damen und Herren, das hier vorliegende Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Natürlich ist nicht alles zu voller Zufriedenheit für alle in diesem Prozess Involvierten gelöst. Aber das ist bei Kompromisslösungen nun einmal so. Ich habe es nicht anders erwartet und ich denke, es ist auch nicht anders zu erreichen gewesen.
Meine Damen und Herren, bereits zur Ersten Lesung in der Junisitzung habe ich namens der PDS-Fraktion den Nachbesserungsbedarf benannt. Stichpunktartig möchte ich dies noch einmal in Erinnerung rufen:
Erstens. Als Voraussetzung für dieses Gesetz machten wir zur Bedingung, dass die Landesrahmenvereinbarung gemäß Paragraph 93 d BSHG für den teilstationären oder stationären Bereich – übrigens seit 1996 gesetzlich festgeschrieben
und sie sollte ursprünglich sogar schon bis 1999 Gültigkeit erlangen – vorliegen muss. Hauptanliegen dieser Rahmenvereinbarung ist die Sicherung qualitativer Standards bei der Hilfegewährung.
Wir können heute konstatieren, eine abgeschlossene und von Vertragspartnern unterschriebene Landesrahmenvereinbarung für den teilstationären und stationären Bereich liegt vor und an der für den ambulanten Bereich, Frau Dr. Seemann hat das schon erwähnt, wird gearbeitet. Deswegen wurde ergänzt in dem jetzt geltenden Gesetz, dass die Erarbeitung, Weiterentwicklung und der Abschluss der Landesrahmenvereinbarung für ambulante, teilstationäre und stationäre Einrichtungen eine Aufgabe des kommunalen Sozialverbandes ist, der neuer Träger der überörtlichen Sozialhilfe ist. Und das – ich habe das schon im Ausschuss zum Ausdruck gebracht – hat mit Zentralisierung überhaupt nichts zu tun. Sie müssten sich mal mit dem Grundgesetz und der Landesverfassung beschäftigen. Wir haben als Gesetzgeber mit dafür zu sorgen,
dass wir gleichwertige Lebensbedingungen in diesem Lande schaffen, und dem dient diese Landesrahmenvereinbarung.
Zweitens wollten wir innerhalb des Gesetzes sicherstellen, dass die notwendigen Hilfen personenzentriert und lebensfeldorientiert von den Leistungserbringern erbracht werden können und müssen. Demgemäß sind auch Änderungen im Artikel 2 Paragraph 3 und 4 eingeflossen. Diese Änderungen sind für uns die wesentlichsten in diesem Gesetz. Neben den vorhin erwähnten strukturellen Hindernissen für eine auf die einzelne Person bezogene Hilfegewährung ist der bisher praktizierte institutsbezogene Ansatz, eine Person macht den Hilfebedarf geltend und die Verantwortlichen sortieren diesen nach Auffassung der Verwaltung in eine passende Einrichtung. Das erweist sich oftmals nicht nur als inhuman, sondern steht der Zielsetzung des Bundessozialhilfegesetzes entgegen, nämlich mit der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen und in anderen schwierigen Lebenssituationen mehr Teilhabe in der Gesellschaft zu sichern und die Verbesserung der selbstbestimmten Lebensführung und -gestaltung zu ermöglichen.
Der seit etwa zehn Jahren in Fachkreisen entwickelte und debattierte sowie in vielen Bereichen erprobte personenzentrierte, lebensfeldorientierte Ansatz belegt, dass dieses Vorgehen die Hilfen zielgenauer und direkter an die Einzelnen heranbringt. Bei den Betroffenen ist ein größe
rer Realisierungsgrad hinsichtlich der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu verzeichnen und die Betroffenen können mit mehr Selbstbestimmung ihr eigenes Leben gestalten. Gleichzeitig werden die notwendigen Mittel effizienter im Interesse der Hilfeberechtigen eingesetzt und die vorhandene Infrastruktur, unabhängig davon, ob ambulant, teilstationär oder stationär, wird flexibler zur Hilfegewährung genutzt. Die Debatten um dieses Vorgehen sind selbstverständlich auch kontrovers geführt worden. Unter anderem: Was bedeutet personenzentriert und lebensfeldorientiert? Es bedeutet keinesfalls, dass alle Hilfeberechtigten in der eigenen Häuslichkeit verbleiben sollen oder können und die Leistungsgewährung im Umkreis von etwa zehn Metern zu erfolgen hat, sondern der tatsächliche Hilfebedarf des Einzelnen muss berücksichtigt und beachtet werden unter Einbeziehung des konkreten Lebensumfeldes.
Drittens. Meine Damen und Herren, zur Begleitung der Reform wollen wir ein demokratisches Gremium, keine Quasselbude, keinen plappernden Enten- oder Hühnerverein, wie Herr Glawe das sagte. Und ich denke, man braucht einen Beirat dazu nicht. Dazu gibt es Politikerinnen und Politiker auf den unterschiedlichen Ebenen und ich denke, wir haben in dem Beirat zur Sozialpsychiatrie zum Modellprojekt eindeutig bewiesen, wie man die Auffassungen, die Diskussionen, die dort gelaufen sind, die Entscheidungen, die dort gefällt wurden, in die Politik transportieren kann. Mit wir muss ich leider nur Frau Dr. Seemann und mich mit einbeziehen, weil Sie zwar bei den ersten Sitzungen mit dabei waren, sich dann aber verabschiedet haben, aus welchen Gründen auch immer.
Wir finden, dass dieser Beirat unbedingt notwendig ist, weil, wie eingangs schon erwähnt, wir am Anfang dieser Reform stehen. Und wir sind uns dessen bewusst, dass dieser Reformschritt begleitet werden muss. Ich denke, auch im Zusammenhang mit der kommunalen Selbstverwaltung ist es notwendig, den Mitgliedern von Sozialausschüssen, die jetzt wesentlich mehr Verantwortung für diesen Bereich tragen werden, auch Hilfe und Unterstützung zu geben und sie in die Begleitung mit einzubeziehen. Dem Rechnung tragend sind neben den Vertreterinnen und Vertretern der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege vor allem Mitglieder aus kommunalen Vertretungen für den beim Kommunalen Sozialverband fungierenden Beirat vorgesehen. Auch Landespolitikerinnen und Landespolitiker sollen hier mit involviert sein, weil wir uns natürlich nicht aus der Verantwortung stehlen können und wollen.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die kommunalen Spitzenverbände mit dieser Änderung nicht so glücklich sind. Doch wir vertreten die Meinung, solch ein umfassendes Vorhaben kann nicht ohne demokratische Begleitung und Kontrolle erfolgen. Ich sage in diesem Zusammenhang auch: Wer nichts zu verbergen hat, der braucht ein solches Gremium nicht zu beargwöhnen.
Viertens. Unsere Fraktion hatte sich das Ziel gesetzt, den Forderungen von Sozialdezernentinnen und Sozialdezernenten sowie den Verbänden nach der Zweckbindung der Mittel Rechnung zu tragen. Alle Gespräche mit denen, die diesen Gesetzentwurf ausgehandelt haben, führten zu keiner anderen Lösung. Daher haben wir uns auf eine Entschließung geeinigt, wohlwissend, dass diese
nicht bindend ist. Das ist unbefriedigend, derzeit dennoch nicht zu ändern. Auch aus diesem Grunde setzen wir auf die Begleitung des Vorhabens durch den Beirat. Einen weiteren Dissens will ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen. Das sind die als nicht ausreichend eingeschätzten veranschlagten Mittel. Hierzu hat es intensive Nachverhandlungen gegeben. Das Ergebnis finden Sie im Finanzierungsgesetz. Uns ist durchaus bewusst, die kommunalen Spitzenverbände sind damit nicht zufrieden. Nachbesserungen sind aber in der Überprüfung des Gesetzes nach zwei Jahren und der Öffnungsklausel durchaus möglich und, ich denke, auch schon vorprogrammiert.
Meine Damen und Herren, wie bereits gesagt, mit dem Gesetz kann Mecklenburg-Vorpommern erneut unter Beweis stellen, dass wir mit neuen politischen Ansätzen Reformen auf den Weg verhelfen können.
Sicher wird nicht alles von Beginn an ohne Komplikationen verlaufen. Wir sind daher gefordert, in einem ständigen Austausch mit den Betroffenen und den Verantwortlichen diesen Prozess zu analysieren und gegebenenfalls rechtzeitig entgegenzusteuern, wenn es sich als notwendig erweist. Ein bewährter Begleiter wird dabei sicher der Landesverband psychosozialer Hilfsvereine sein, der sich mit dieser Begleitung ebenfalls auf neue Wege begeben will und ein neues Modellprojekt zur Kommunalpsychiatrie initiiert hat. Ebenso wie bei dem Modellprojekt „Sozialpsychiatrie“ sollen nunmehr beispielhaft an den Hilfen für Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen sowie psychischen Behinderungen für alle betroffenen Gruppen Verfahren entwickelt und Wege aufgezeigt werden, wie wohnortnah, nein besser lebensfeldorientiert die erforderlichen Hilfen an die Betroffenen herangebracht werden können. Und ich denke, eine weitere Aufgabe könnte sein, zu testen und zu entwickeln, wie man zu Budgetbildungen in bestimmten Regionen kommen kann. Aus den Erfahrungen der Arbeit des eben zu Ende gegangenen Modellprojektes bin ich mir sicher, dass wir praktikable Lösungen und praxisnahe Ergebnisse erzielen können. Ich danke daher allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ihr Engagement, ihre Unnachgiebigkeit und Konstruktivität. Es war und ist für mich eine große Herausforderung, in diesem Prozess mitzuwirken.
Meine Damen und Herren, nach Beschlussfassung des Gesetzes geht die eigentliche Arbeit erst los, ich sagte es bereits. Wir alle sollten in unseren Landkreisen und kreisfreien Städten mit wachen Augen diese Arbeit begleiten und dieser Reform zum Erfolg verhelfen. Packen wir es an!
(Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: Nicht so viel, Herr Glawe! – Volker Schlotmann, SPD: Wenn wir zurücknehmen, was wir gesagt haben, setzt er sich dann wieder hin? Wir nehmen alles zurück, Harry. Wir nehmen alles zurück.)
Sie nehmen alles zurück?! Also ich hatte gerade mit dem Ministerpräsidenten ein kleines Gespräch, habe ihm versprochen, dass ich nicht alles vortragen werde, was ich vorbereitet habe.
(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Dr. Margret Seemann, SPD: Das haben Sie doch schon vorgetragen. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Sie sind vorhin meiner Rede nicht ganz gefolgt. Ich habe gesagt, dass wir vom Grundsatz diesem Gesetz durchaus positiv gegenüberstehen, dass wir im Detail Fragen haben. Und diese Fragen sind nun mal, denke ich, auch berechtigt, wenn man auf die Ausstattung der Kommunalfinanzen achtet. Und da Herr Müller diesbezüglich mit mir ja fast immer einer Meinung ist, außer in diesem Fall, denke ich, werden wir da auch eine vernünftige Lösung finden. Entscheidend ist, dass einige Landkreise jetzt schon Bedenken angemeldet haben, dass sie mit den Fallzahlsteigerungen, die jetzt festgestellt worden sind, und den Sozialhilfesteigerungen in diesem Jahr – immerhin 12,5 Prozent Mehrausgaben – wahrscheinlich in den nächsten beiden Jahren Schwierigkeiten haben werden, die Finanzen in den Landkreisen zu ordnen. Und das heißt, wenn man diese Klausel, die Sie ja alle loben,
richtig versteht, wenn ich einen Fehlbetrag von 1 Million habe, übernimmt das Land 50 Prozent und die anderen 50 Prozent der örtliche Träger der Sozialhilfe, sprich der jetzige Landkreis. Und dann muss er es aus der Portokasse zahlen. Das wird schwierig werden.
Das ist doch wohl eine berechtigte Forderung von der CDU, darauf hinzuweisen, dass diese Dinge schnellstmöglich in Angriff genommen werden und nachverhandelt werden können.