Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Torsten Koplin, PDS – Siegfried Friese, SPD: Richtig.)

Wir haben schwierige Zeiten gehabt in der Aufbauphase und auch, Frau Borchardt, in den Jahren, in denen aus den verschiedensten Gründen nicht 100 Prozent unserer Justizangehörigen an Deck waren, sondern bedingt durch die Altersstruktur, die besondere Altersstruktur unserer Richterinnen und Richter, zeitweilig nur zwischen 80 und 90 Prozent. Da ist, das muss ich deutlich sagen, von vielen über Soll gearbeitet worden. Und ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich dafür bedanken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine Damen und Herren, das darf über so einem „Ausreißer“ wie er nie vorkommen darf, wie er aber leider in allen Lebensbereichen immer wieder vorkommt, nicht vergessen werden.

Meine Damen und Herren, ganz besonders bedauere ich auch die negative öffentliche Wirkung eines so späten Verfahrens. Mecklenburg-Vorpommern ist keine rechte Hochburg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Hier werden nicht mehr rechtsextreme Straftaten begangen als anderswo, aber seit Lichtenhagen müssen wir dagegen ankämpfen, dass wir diesen Ruf bekommen. Deshalb war für mich von Anfang an ein besonderer Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Justizminister, alles dafür zu tun, dass in unserem Land rechtsextreme Gewalttäter konsequent und schnell bestraft werden. Und die Bilanz ist sehr gut. Wir sind sehr schnell, was die Anklage und die Verurteilung angeht. 2,3 Monate brauchen wir im Durchschnitt von der Tat bis zur Anklage. Das ist Spitze in Deutschland.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Einzig Baden-Württemberg hat jetzt gleichgezogen. Und auch die Gerichte sind bei uns besonders schnell und ganz sicher nicht zimperlich. Diese gute Arbeit kann durch ein einziges Verfahren, wie jetzt das zu Lichtenhagen, zunichte gemacht werden. Sofort ist wieder das alte Vorurteil da von der rechtsextremen Hochburg, vielleicht sogar davon, dass bei uns Nachsicht herrschen könnte gegenüber rechtsextremen Schlägern und Krakeelern. Das ist in einem Maße schädlich und gefährlich für unser Land, da können wir gar nicht genug aufpassen und gegensteuern.

Umso verheerender, hier wende ich mich an Herrn Rehberg, der dieses Thema leider nicht ernst genug nimmt, um hier zu sein,

(Peter Ritter, PDS: Na, er muss ja wieder Schlagzeilen machen.)

finde ich deshalb den politischen Umgang des Oppositionsführers mit diesem Verfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Dann gucken Sie sich erst mal die Ministerriege an, wie viel da sind!)

Das war nicht nur unsensibel, darüber würde sich niemand wundern, das war destruktiv zerstörerisch.

(Wolfgang Riemann, CDU: Der Innenminister scheint das Thema auch nicht ernst zu nehmen. – Dr. Ulrich Born, CDU: Sie sind für den Zustand verantwortlich, nicht Herr Rehberg.)

In seiner Presseerklärung vom 26. Oktober 2001, erlauben Sie, dass ich Ihren Oppositionsführer zitiere, behauptet Herr Rehberg, niemand nehme mehr die Aussage ernst, dass in diesem Land hart und zügig gegen rechtsextreme Gewalttäter vorgegangen werde, am wenigsten die kriminellen Jugendlichen selbst. Weiter heißt es, ich zitiere wörtlich: „Im Gegenteil, in Mecklenburg-Vorpommern können sich anscheinend Gewalttäter darauf verlassen, nicht viel befürchten zu müssen.“

(Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Sozusagen als Beleg für das Desinteresse der Landesregierung gegenüber dem Problem Rechtsextremismus hat Herr Rehberg dann am 5. November 2001 in der SVZ behauptet, ein Viertel der Richterstellen des Landes seien unbesetzt.

Meine Damen und Herren von der CDU, in Ihrer Fraktion ist doch die Personalsituation an den Gerichten bekannt. Selbstverständlich sind nicht 100 Prozent der Richterinnen und Richter an Bord, das geht gar nicht. Wir liegen jetzt bei 96 Prozent. Das entspricht in etwa dem Durchschnitt der Altbundesländer – ein ausgezeichneter Wert. Bei uns sind damit vier Prozent nicht im Einsatz, und nicht ein Viertel, das kann wohl niemand verwechseln. Das ist böswilliges Wahlkampfgetrommel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Annegrit Koburger, PDS, und Torsten Koplin, PDS)

In Ihrer Fraktion sind doch selbstverständlich die besonderen Anstrengungen und die besonders guten Leistungen von Staatsanwaltschaften und Gerichten bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus bekannt. Wenn Sie dennoch allein aus wahltaktischen Gründen Erklärungen abgeben, die unser Land als rechtsextreme Hochburg erscheinen lassen, in der Rechtsextreme nichts befürchten müssen, dann ist das einfach unanständig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der CDU, wer so rücksichtslos Schaden für unser Land in Kauf nimmt, kommt hoffentlich nie in die Lage, offiziell für Mecklenburg-Vorpommern zu sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ritter von der Fraktion der PDS.

(Harry Glawe, CDU: Der letzte Satz war ernst gemeint, oder wie? – Dr. Ulrich Born, CDU: Na, hoffen kann er ja, hoffen kann er ja.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zieht man ein Fazit aus der Einbringungsrede von Herrn Thomas, müssen wir feststellen:

Erstens. Die Ausländerinnen und Ausländer, die sich 1992 in Rostock aufgehalten haben, sind schuld an der Situation, die in Rostock entstanden ist.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das hat er gar nicht gesagt. Nehmen Sie mal das Ohropax heraus!)

Zweitens. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Rostock protestierten gegen das Nichtstun der Behörden. Da frage ich mich allerdings, warum die Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt Rostock da nicht vor dem Rathaus protestiert, sondern ein Asylheim in Brand gesteckt haben.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident, wenn in Mecklenburg-Vorpommern diese Angeklagten neun Jahre auf den Prozess warten mussten, dann ist das ein Justizskandal. So liest man es in der Begründung des CDU-Antrages. Und in der Tat, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Skandal.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

Ich will aber gleich sagen, Herr Born, es ist keine besonders heldenhafte Leistung Ihrer Fraktion, diesen Skandal auf die Tagesordnung der Landtagssitzung zu setzen.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Angebracht wäre gewesen, Herr Born, im vorgelegten Antrag auf das eigene skandalöse Verhalten aufmerksam zu machen, denn bisher herrschte Schweigen im Walde. Kaum jemand in der Öffentlichkeit hat gewusst oder auch nur geahnt, dass bereits ermittelte und angeklagte Täter noch nicht abgeurteilt worden sind.

Herr Exgeneralstaatsanwalt Prechtl, der hier schon eine Rolle spielte beispielsweise, hat reichlich sieben Jahre lang geschwiegen oder abgewiegelt. Und auch von den zwei der CDU angehörenden Justizministern hat man nichts über dieses schwebende Verfahren gehört oder gelesen.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Und dieser Prozess, um den es jetzt geht, ist der vorläufige Endpunkt der, wie Sie so schön harmlos in Ihrem Antrag schreiben, Krawalle in Lichtenhagen. Die Formulierung des Antrages ist so gewählt, als ob es sich um Krawalle handelte, wie sie etwa im Fußballstadion oder auf öffentlichen Straßen und Plätzen gegenwärtig leider nur allzu oft an der Tagesordnung sind. Das Wort „Krawalle“ ist wirklich eine hübsche und verharmlosende Beschreibung dessen, was in Lichtenhagen geschehen ist,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

denn in Wahrheit hat doch wohl dort in Lichtenhagen eine extrem ausländerfeindliche, rassistisch und auch neofaschistisch inspirierte Generalprobe in einem östlichen Bundesland stattgefunden, die vielfach Fortsetzung finden sollte, nicht nur im Osten dieser Republik.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Es war, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Terroranschlag und ein Pogrom gegen Ausländerinnen und Ausländer. Und dieses Pogrom konnte auch deshalb in dieser Massivität stattfinden, weil CDU-Innenminister sträflich ihre Pflichten verletzten, und weil auch die Administration vor Ort versagte.

(Beifall Annegrit Koburger, PDS)

Dies wenigstens hat der damalige Untersuchungsausschuss festgestellt. Davon ist allerdings in Ihrem Antrag nichts zu lesen. Auch das, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, ist ein Skandal!

Also ein wesentlicher Teil der Verschleppung und Vertuschung begann doch wohl bereits 1992 an Ort und Stelle. Dies haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, bisher nicht gesagt und werden es auch mit Sicherheit nicht sagen,

(Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

denn Sie wollen wieder einmal die populistische Trommel hier im Landtag schlagen. Zwei ganze Sätze sollen wir also dem Antrag nach absegnen, zwei Sätze, deren Schlichtheit allerdings die Schlichtheit Ihrer Gedanken widerspiegeln.

Was soll man denn beispielsweise mit der Formel im ersten Satz anfangen, der Landtag möge bedauern, dass die Justiz erst nach neun Jahren dazu komme, Verbrechern – und es handelt sich der Anklage nach um Mörder und schwere Brandstifter – den Prozess zu machen?

(Reinhardt Thomas, CDU: Das hat der Minister schon getan.)