Und nun ein Wort zur Frage: Wenn die Statistik in Ordnung ist und wenn die Statistik Alarmzeichen gibt, dass die Verfahrensdauern immer länger werden und dass die Sachen, die lange bei Gericht liegen, ständig prozentual zunehmen,
(Dr. Ulrich Born, CDU: Dann sagen die, das ist ein Softwarefehler. – Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU)
Auch ich bin der Auffassung, dass unsere Richter fleißig sind. Ich betreibe keine Richterschelte. Ich weiß bis heute nicht genau, wo der Fehler ist. Nur wer uns hier Richterschelte vorwirft und eventuell sagt, wir berücksichtigten nicht die Unabhängigkeit der Richter, der irrt.
Ich darf zitieren aus dem Urteil des Obersten Dienstgerichts vom 14.09.1990, „Deutsche Richterzeitung“, Januar 1991: „Die Unabhängigkeit des Richters wird nicht
beeinträchtigt, wenn die Dienstaufsichtsbehörde“ – Chefpräsident oder Justizminister oder beide – „von einem Richter eine Meldung der überjährigen Prozesse mit einer kurzen Angabe der Nichterledigungsgründe verlangt.“
Ich räume ein, dass zu meiner Zeit, als wir beim Aufbau der Gerichte waren, als wir die Gerichte neu organisierten, als wir noch keinen genauen Gerichtsablauf hatten, diese Dinge noch nicht funktionierten. Aber ich bin seit 1994 nicht mehr Justizminister. Seit 1995 waren es Herr Eggert, der Ministerpräsident und jetzt Herr Sellering. Und nun möchte ich wissen, wie oft in dieser Zeit die Statistik Anlass gegeben hat, eine solche Nachschau – so nennt man das im Juristenjargon – anzuordnen, auch was den Chefpräsidenten anbetrifft.
Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur, dass die Dienstaufsicht – mit aller Vorsicht sei das hier gesagt – nicht etwas Unübliches ist. Der Dienstgerichtshof hat weiter gesagt: „Die dienstaufsichtsführenden Stellen“ – und ich zitiere wieder – „sind im Rahmen der ihnen auch gegenüber Richtern zustehenden Beobachtungsfunktionen“ – dass das Richter nicht gerne hören, räume ich ein – „befugt, sich durch turnusmäßige oder aus besonderem Anlass erfolgende Geschäftsprüfungen Klarheit darüber zu verschaffen, ob organisatorische Entlastungsmaßnahmen“, zum Beispiel Einstellung von mehr Richtern, was wir fordern, „oder gezieltere dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen angezeigt sind.“
Ein Verfahren, das mit der Anklage 1995, soweit wir aus der Presse wissen, bei Gericht anhängig wurde, und das dann erst eröffnet wird im Jahre 2001, wäre wohl ein Anlass gewesen. Und wenn dann der Justizminister sagt, der frühere Generalstaatsanwalt Prechtl hätte es aus der Berichtspflicht herausgenommen, ja doch bitte schön nur bei der Staatsanwaltschaft. Machen Sie doch den Leuten hier nicht vor, dass da der Generalstaatsanwalt sozusagen noch das Anweisungsrecht hätte, etwas herauszunehmen. Der Generalstaatsanwalt könnte die Frage zwischen Anklageerhebung und der Eröffnung des Verfahrens bei Gericht nicht überprüfen. Das ist wohl nicht so ganz deutlich.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Man kann es ja mal versuchen. Man kann es ja mal ver- suchen. – Zurufe von Georg Nolte, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)
Aber wir werden Listen bekommen Jahr für Jahr, was mit diesem Verfahren passiert ist. Und dieser Justizminister steht in der Pflicht. „Die richterliche Unabhängigkeit“, heißt es in dem Urteil weiter, „ist kein Grundrecht im Sinne des Paragraphen 90 Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Die richterliche Unabhängigkeit ist kein Standesprivileg der Richter, sondern sie dient der Erfüllung der Justizgewährungspflicht durch den gewaltenteilenden Rechtsstaat.“ Und hier allerdings, wenn Sie alle harten Worte wegnehmen wollen, sind wir wahrscheinlich nach den Zitaten, die ich zu Anfang gesagt habe, einer Meinung, dass hier der gewaltenteilende Rechtsstaat seiner Justizgewährungspflicht nicht nachgekommen ist.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig. – Annegrit Koburger, PDS: War das jetzt selbstkritisch gemeint?)
Und die Öffentlichkeit hat Anspruch darauf zu erfahren, warum ein solches Verfahren neun Jahre dauert. Wir sprechen alle vom Skandal. Der Justizminister bedauert. Er nimmt das alles sehr ernst. Aber dann bitte wollen wir wissen, warum, so, wie es auch Herr Ritter hier erfragt hat.
(Wolfgang Riemann, CDU: Wir wollen wissen, ob Herr Ringstorff sich hat berichten lassen. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)
Nur dann, wenn solche Nachfragen, wie es im Juristenjargon heißt, warum überjährige Verfahren noch nicht erledigt sind, gestellt werden, nur dann werden wir hier auch die Antwort auf diese Frage erhalten. Dass es ein überjähriges Verfahren ist, darüber besteht Einigkeit, und nun wollen wir wissen, warum. Und wie das Urteil zeigt, aus besonderem Anlass oder turnusgemäß kann die aufsichtsführende Behörde, Chefpräsident oder Justizminister und/oder beide zusammen diese Anfragen richten, vielleicht nicht gerade jetzt während des laufenden Verfahrens, aber das soll ja noch vor Weihnachten zu Ende sein. Und dann wollen wir wissen, warum es neun Jahre gedauert hat. Nur so, sagt das Urteil des Bundesgerichtshofes des Obersten Dienstgerichtes weiter, ist eine „im Interesse aller Bürger geordnete Rechtspflege aufrechtzuerhalten“. Und wir werden weiter nachfragen, wie das mit der Statistik aussieht, die wir noch nicht haben. In der Statistik werden wir wiederum sehen, welche Verfahren länger als drei Jahre dauern. Vielleicht muss man die Statistik verbessern und jetzt nach diesem Erlebnis auch noch abfragen, welche Verfahren länger als fünf Jahre dauern in Mecklenburg-Vorpommern. Und zumindest bei denen werden solche Nachschauen, so sagt das Urteil, wohl erforderlich sein. Mehr verlangen wir nicht. Und das werden wir in weiteren Kleinen und Großen Anfragen hier in diesem Hause weiter erörtern, bis wir es wissen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sie haben es ja neulich schon versucht, die gestellten Anfragen nicht zu beantworten.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ärgerlich, dass dieses Verfahren dazu nun den Anlass geben musste, aber unsere Anfragen nach den statistischen Zahlen selbst sind miserabel beantwortet worden.
Ich habe das dem Justizminister und dem Herrn Staatssekretär im Ausschuss gesagt. Das ist nichts Neues. Nur wenn wir im Ausschuss damit nicht gehört werden, bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Dinge in der Öffentlichkeit zu verhandeln. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Meine Zeit ist noch nicht abgelaufen. Ich habe gesagt: Vielen Dank, meine Damen und Herren. Ich füge hinzu:
Wir bitten, unserem Antrag auf Aufstockung von Richterstellen zuzustimmen. Wir haben auch nach einem be
Der Herr Landwirtschaftsminister wird sich erinnern, dass wir im laufenden Haushalt, der schon verabschiedet war, Stellen für ihn eingerichtet haben, als er dringend BSE-Stellen brauchte. Im Ausschuss läuft alles geheim, das kriegt niemand mit. Und Sie haben uns im Ausschuss die Stellen abgelehnt. Wir fordern sie nun in öffentlicher Verhandlung erneut.
Wir wären dankbar, wenn die Zahlen, die ich vom Justizministerium bekommen habe, richtig sind. Wenn das, die schlechte Vor-Ort-Besetzung und die Überlastung der befassten Richter, richtig ist – und das ist das, was wir vom Gericht ja immer zu hören bekommen, und die paar Zahlen, die wir haben, sprechen dafür –, dann wären Sie gut beraten, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank.
Kannten Sie das Urteil damals noch nicht? Es ist doch selbstverständlich, dass jeder Justizminister dafür sorgt,
dass es eine Berichtspflicht über überjährige Verfahren gibt. Es ist doch selbstverständlich, dass jeder Justizminister Geschäftsprüfungen veranlasst, so, wie Sie das hier vorgetragen haben. Das ist doch das Einmaleins.
Es ist nur so, nach 1994 hat man in diesem Hause ja offensichtlich nichts dergleichen von Ihnen vorgefunden.
Da muss dann auch die zusätzliche Frage erlaubt sein speziell zu diesem Verfahren, an das Sie das jetzt alles anhängen: Haben Sie denn im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit Ihrem Nachfolger gesagt, ich habe da noch ein ganz besonders schwieriges, ein ganz besonders wichtiges und für dieses Land eminent politisch wichtiges Verfahren, bitte kümmern Sie sich darum?
(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Minister Till Backhaus: Das stimmt nicht. Das stimmt nicht. – Annegrit Koburger, PDS: Wir stellen das nur wieder vom Kopf auf die Füße.)
Herr Helmrich, diese besonderen Versäumnisse, die Sie da, was die Berichtspflicht angeht, offenbar im Hause hinterlassen haben, sind möglicherweise doch auch darauf zurückzuführen, dass Sie vielleicht die Rechtslage nicht so sehr gut kennen.