Protokoll der Sitzung vom 30.01.2002

Frau Schulz, …

Ich komme zum letzten Satz.

… dass hier zum Thema Kommunalfinanzen nicht Wahlpopulismus erfolgt, denn mit Wahlpopulismus können Kommunen ihre Situation keineswegs verbessern. Die Erde ist eben keine Scheibe, Herr Rehberg, sondern sie ist rund!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Lorenz Caffier, CDU: Das waren drei Sätze.)

So, das waren nach meiner Kommazählung zwei sehr lange Sätze.

Das Wort hat Herr Borchert von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Borchert.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist völlig unstrittig, die Finanzprobleme der meisten Städte und Gemeinden Deutschlands haben sich im vergangenen Jahr zum Teil dramatisch verschlechtert und werden sich voraussichtlich auch in den folgenden Jahren nicht entscheidend verbessern. Dies trifft auch auf die Kommunen in unserem Land zu. Als langjähriges Mitglied des Kreistages Müritz weiß ich, wovon ich spreche. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Ergebnisse der Novembersteuerschätzung vom vergangenen Jahr, die für die Jahre 2002/03 jeweils ein Minus von 68,5 Millionen Euro für die Haushalte der Kommunen erwarten lassen, allerdings mit großen Differenzierungen. Das ist heute auch schon mehrfach angesprochen worden.

Besonders gravierend schlägt die Gewerbesteuerentwicklung zu Buche. Nach Berechnungen des Deutschen Städte- und Gemeindetages sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer im vergangenen Jahr um ein Zehntel auf 24,4 Milliarden Euro geschrumpft. Rückgänge bei der gewinnabhängigen Gewerbesteuer bei großen Unternehmen, die ihren Sitz in den alten Bundesländern haben, schlagen sich auch über die Zerlegungen in MecklenburgVorpommern nieder. Es ist allerdings viel zu einfach zu behaupten, die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung wäre die Ursache für diese Steuerausfälle in den meisten Städten und Gemeinden. Vielmehr sind eine Reihe von Ursachen zu beleuchten wie zum Beispiel – und hier aus Zeitgründen nur einige Stichworte – branchenspezifische Ursachen, lokale Ursachen, Unternehmensumstrukturierungen unter Nutzung seit langem bestehender Regelungen oder auch die neuen Möglichkeiten spartenübergreifender Verlustrechnungen im Versicherungsgewerbe. Aber – und das ist die entscheidende Ursache aus meiner Sicht – die anhaltende Konjunkturschwäche hat entscheidend zu diesen großen Steuerausfällen geführt. Jeder, der Vorschläge zur Bekämpfung der kommunalen Steuerausfälle einbringt, muss logischerweise diese Ursachenvielfalt auch berücksichtigen. In besonderer Verantwortung sind dabei der Bund, die Kommunen selbst und natürlich die Länder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In unserem Land hat es die SPD/PDS-Koalition bisher geschafft, entsprechend den Möglichkeiten für eine gute kommunale Finanzausstattung zu sorgen, und ist somit ihrer Verantwortung voll gerecht geworden. Ich möchte dieses mit sieben Beispielen kurz belegen:

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das haut nicht hin mit der Redezeit.)

Erstens. Mit dem Finanzausgleichsgesetz ist für die Kommunen eine Mindestfinanzausgleichsleistung von 1,278 Milliarden Euro garantiert.

Zweitens. Die kommunale Investpauschale wurde auf 87,9 Millionen Euro für 2002 und 83,6 Millionen Euro für 2003 erhöht.

Drittens. Ab 2002 erhalten die Kommunen nach dem Solidarpaktfortführungsgesetz ihre Mittelzuweisungen nicht mehr zweckgebunden, sondern zur freien Verwendung, das heißt, diese Mittel können auch zur Komplementärfinanzierung eingesetzt werden.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das nützt aber nichts, wenn die Gesamtausstattung zu gering ist.)

Viertens. Im Sinne der Kommunen haben wir die Aufnahme des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes in das FAG beschlossen.

Fünftens. Bürokratische Hürden für die Kommunen haben wir mit dem Standardöffnungsgesetz abgebaut.

Sechstens. Meine Damen und Herren, wir haben den Eigenanteil der Kommunen für Infrastrukturförderung im Rahmen der GA von 20 auf 10 Prozent abgesenkt. Dies bringt den Kommunen zukünftig eine Kostenersparnis von circa 20 Millionen Euro pro Jahr.

Siebtens. Damit die Kommunen nicht mit zusätzlichen Ausgaben durch Übertragung neuer Aufgaben, Ausweitung vorhandener Aufgaben und die Erweiterung von Standards belastet werden, haben wir das strikte Konnexitätsprinzip in der Landes- und Kommunalverfassung festgeschrieben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die rot-grüne Bundesregierung teilt natürlich die Sorgen der Kommunen und ihrer Spitzenverbände über die zum Teil dramatische Entwicklung der kommunalen Finanzsituation und hat gerade deshalb im Rahmen des Unternehmenssteuerfortführungsgesetzes bereits Ende vergangenen Jahres durch eine Reihe von unmittelbar wirksamen Maßnahmen für eine Verbesserung des kommunalen Steueraufkommens gesorgt. Das wird in den Jahren 2002 und folgenden dann auch greifen und zu zusätzlichen Steuereinnahmen von circa 700 Millionen Euro führen.

Aus Zeitgründen verzichte ich darauf, diese einzelnen Punkte noch mal aufzuführen, möchte aber begrüßen, dass sich der Deutsche Bundestag in der vergangenen Woche mit dem Antrag der Regierungskoalition zur Reform der Gemeindefinanzen befasst hat. Dem Antrag ist auch zu entnehmen, dass noch im Frühjahr diesen Jahres eine Expertenkommission eingesetzt wird, die sich mit den grundsätzlichen Problemen des kommunalen Finanzsystems befassen soll. Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen, aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Gewerkschaften haben dann die Aufgabe, Lösungsvorschläge zu den zentralen Strukturproblemen zu unterbreiten. Hierbei werden die Verstetigungen der kommunalen Steuereinnahmen sowie die Überprüfung der Ausgabenseite besondere Schwerpunkte sein.

Meine Damen und Herren von der CDU, Ihre immer wieder geäußerte Kritik an der Bundes- und Landesebene im Hinblick auf die Entwicklung der kommunalen Finanzen ist,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ist berechtigt.)

das muss ich klar sagen, überhaupt nicht stichhaltig und entbehrt jeglicher Grundlage. Denn gerade die CDU/CSU war es, die gemeinsam mit dem damaligen Koalitionspartner FDP die Gewerbesteuer immer mehr ausgehöhlt hat und sich zum anderen vehement für noch höhere Steuersenkungen mit dem Erfolg erheblicher kommunaler Steuerausfälle eingesetzt hat und sich auch weiter einsetzt.

Herr Borchert, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Der letzte Satz.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Herr Rehberg ist ja nun Berater von Herrn Stoiber

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das war der letzte Satz.)

und ich kann Herrn Rehberg nur dringend auffordern, Herrn Stoiber zu erklären, was es bedeutet, wenn die nächsten Stufen der Steuerreform von 2005 auf 2003 vorgezogen werden,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das weiß er selbst ja noch nicht. – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

nämlich eine abenteuerliche Steuerpolitik, …

Das war der dritte Satz.

… die zu riesigen Steuerausfällen führen wird. Herr Rehberg, nutzen Sie die Chance, erklären Sie das Herrn Stoiber! – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich habe jetzt allen Rednern etwas mehr Zeit gelassen. Eben waren es nach meiner Rechnung sechs Sätze. Wir sollten aber versuchen, die fünf Minuten einzuhalten. Wir sind schon über die Zeit und es hat keinen Zweck, bei der Aktuellen Stunde endlos zu reden.

Das Wort hat Herr Jäger. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal beißen den Letzten die Hunde. Ich werde es nicht schaffen, die Zeit aufzuholen. Herr Müller, ich nehme meine Zeit und dann …

(Angelika Gramkow, PDS: Sie sind noch nicht der Letzte. – Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Ich glaube, dass in den letzten Minuten unsere Finanzministerin richtig Glücksgefühle hatte, weil sie hat es geschafft seit 1998, den Kommunen 120 Millionen jährlich aus der Tasche zu ziehen. Hier vorne standen fast nur Redner, die gesagt haben, das ist alles prima, wir haben eine Garantiesumme, 2,5 Milliarden, das sind jetzt also in Euro 1,278 Milliarden. Die Kommunen haben 120 Millionen weniger, Frau Finanzministerin.

(Minister Dr. Gottfried Timm: Quatsch. – Ministerin Sigrid Keler: Sie erzählen jedes Mal den gleichen Unfug.)

Herr Minister Timm, schütteln Sie nicht den Kopf! Diese Zahl entstammt Ihrem Bericht vom 09.01.2002, nämlich auf eine Kleine Anfrage. Lesen Sie ihn nach! Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten alle vorher nachgelesen, weil dieses Geseire – das sage ich mal, und ich hoffe, das ist nicht unparlamentarisch,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist ganz übel unparlamentarisch.)

das sage ich als Kommunalpolitiker –, das Geseire, es geht den Kommunen gar nicht so schlecht,

(Barbara Borchardt, PDS: Das haben Sie doch selber erzählt.)

das mag ich einfach nicht mehr hören als Kommunaler, als einer, der in einer Stadt, hier in dieser Landeshauptstadt erlebt, was Ihre Finanzpolitik für Folgen hat. 8 Millionen Mark weniger Schlüsselzuweisungen jedes Jahr. Kollege Böttger ist schon hinausgegangen, der weiß es nämlich,

(Angelika Gramkow, PDS: Herr Jäger, das sind doch unsere Hausaufgaben in der Stadt, die wir nicht gemacht haben, wenn uns Einwohner weggelaufen sind.)

der kann es nämlich auch nicht mehr ertragen. Und Sie wissen es doch genauso!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Entschuldigung, natürlich ist das Land dafür zuständig.

(Angelika Gramkow, PDS: Dass uns die Einwohner weggelaufen sind in Schwerin? – Lorenz Caffier, CDU: Sie sind nicht aufgerufen, Frau Gramkow. Dann müssen Sie sich melden.)

Das, Frau Gramkow, hat mit dem Weglaufen der Einwohner nur ganz wenig zu tun.