Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Was soll das?)

Also, meine Damen und Herren, bleiben wir bei der Wahrheit.

(Irene Müller, PDS: Schön wär’s ja.)

Es geht bei dieser Klage nicht um die Infragestellung der Solidarität mit den ostdeutschen Ländern,

(Angelika Gramkow, PDS: Ach nein, worum denn? – Torsten Koplin, PDS: Genau darum geht’s.)

sondern es geht darum, Überkompensationen, die durch die Novellierung des Risikostrukturausgleichs vor zwei Jahren

(Barbara Borchardt, PDS: So drückt man das jetzt aus.)

durch die rot-grüne Bundesregierung vorgenommen worden sind, abzubauen.

Übrigens, ich bin der Kollegin Gramkow dankbar,

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

dass sie darauf hingewiesen hat, dass ein Bayer, Horst Seehofer, 1998 dafür gesorgt hat, dass es einen Finanzausgleich zwischen den Kassen West und den Kassen Ost gegeben hat.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es. – Harry Glawe, CDU: Ja. – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin auch froh, dass Horst Seehofer wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen in Gang gekommen ist und es eben nicht mehr so ist, wie seit hundert Jahren in Deutschland üblich, dass ich verpflichtet bin,

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

mich als Arbeiter in der AOK versichern zu müssen, dass ich als Angestellter in die Ersatzkrankenkasse gehen musste oder ich mich eben entsprechend, wenn der Arbeitgeber bei der BKK versichert war, auch als Arbeitnehmer in dieser BKK versichern lassen musste.

(Zuruf von Irene Müller, PDS)

Nein, heute ist es so, dass jeder die Chance hat, die gesetzlichen Krankenkassen zu wechseln. Es ist ein Gesetz, eine Möglichkeit, was es bisher nicht so gab, und es ist gut, dass es einen Wettbewerb um Versicherte gibt.

(Zuruf von Hannelore Monegel, SPD)

Meine Damen und Herren, der Risikostrukturausgleich ist ein Ausgleich von unterschiedlichen Risiken. Statt jedoch ausschließlich die unterschiedlichen Risiken der Versicherten auszugleichen, zum Beispiel Altersstruktur, Geschlecht und so weiter, führt dieser Ausgleichsmechanismus zunehmend dazu, dass es zu einer Überkompensation kommt. Und, Herr Ministerpräsident, wer hier Solidarität, wer hier wirklich ehrliche Solidarität der Beitragszahler West für den Beitragszahler Ost einfordert, der muss sachlich argumentieren

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig, richtig.)

und nicht eine Sozialneidkampagne auf Kosten der Beitragszahler West führen, wie Sie das tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wer so wie Sie argumentiert, der stellt wirklich die Solidarität, die innere Haltung zur Solidarität in zunehmendem Maße in Frage.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig. – Heiterkeit bei Heike Polzin, SPD – Angelika Gramkow, PDS: Das ist ja wohl frech.)

Und, Herr Ministerpräsident, Sie haben sich einen völlig falschen Zeitpunkt ausgesucht. Wie ist es denn zu erklären, und darauf sind Sie mit keinem Satz eingegangen, dass vergangene Woche die Allgemeine Ortskrankenkasse Sachsen den Beitragssatz von 13,4 Prozent auf 12,9 Prozent senken musste, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet ist? Sie ist deswegen gesetzlich dazu verpflichtet, weil die Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen nicht größer als einen Ausgabebetrag eines Monats

anwachsen dürfen. Das heißt ganz einfach, dass in Bayern, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass in Hamburg, dass im Saarland, dass in Hessen 14,8 Prozent, dass in Baden-Württemberg 14,2 Prozent, in den anderen Ländern 14,9 Prozent bezahlt werden. Herr Ministerpräsident, wie wollen Sie einem Arbeitnehmer in Bayern, in BadenWürttemberg, in Hamburg, in dem westlichen Teil von Berlin erklären, dass er ein Prozent mehr an Kassenbeitrag bezahlen muss als eine Nehmerkasse wie Sachsen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Das kriegen Sie doch niemandem mehr klargemacht und um diesen Punkt geht es.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Nein, es geht auch um Mecklenburg-Vorpommern und nicht um Sachsen. – Reinhard Dankert, SPD: Sachsen gehörte nie zu den großen Nehmerkassen. Das wissen Sie auch ganz genau.)

Und übrigens, meine sehr verehrten Damen und Herren, worüber reden wir eigentlich?

(Reinhard Dankert, SPD: Zu den Nehmerkassen gehört der Norden. Wir haben einen Beitragssatz von 14,3.)

Das haben Sie völlig vergessen zu sagen.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Sie reden über einen insgesamten Finanzausgleich der Kassen, der Ersatzkassen, der BKKs, der IKKs und der AOKs von fast 24 Milliarden DM. Diese Summe ist größer als der Länderfinanzausgleich. Und dann reden wir von einem Teil, dass in den Osten Deutschlands etwa gut 4 Milliarden DM zusätzlich fließen. In dieser Situation senkt eine Kasse wie die sächsische AOK um 0,5 Prozentpunkte ihren Beitrag?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Überkompensationen müssen abgebaut werden

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

und wenn wir diese Überkompensationen nicht abbauen, dann können wir nicht die Solidarität der Beitragszahler im Westen Deutschlands einfordern. Dies wird unmöglich sein, weil es dort keiner versteht. Die fragen sich doch, warum geben wir Milliarden in den Osten, aber die bezahlen dort weniger Beitrag.

(Angelika Gramkow, PDS: Es geht doch aber für Mecklenburg-Vorpommern nicht.)

Das kann doch nicht der Ansatz von Politik in Gesamtdeutschland sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Volker Schlotmann, SPD: Dann lassen Sie sich doch in Sachsen oder Bayern wählen! – Glocke des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer mit solchen Zwischenrufen wie Sie, Herr Schlotmann: „Dann lassen Sie sich doch in Sachsen oder Bayern wählen!“ Politik für Gesamtdeutschland machen will,

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

wer weiter darauf besteht, dass Solidarität geübt wird zwischen den alten und neuen Bundesländern, der darf nicht so argumentieren.

Meine Damen und Herren, ich bitte, dem Redner die Möglichkeit zu geben, hier zu reden.

Also, Herr Präsident, ich habe eine herzliche Bitte, dass die Zwischenrufe aus dem Rücken von der Regierungsbank unterbleiben. Ich bin ja sehr gern bereit, dem Herrn Ministerpräsidenten auf seine Zwischenrufe als Abgeordneter zu antworten, aber aus dem Rücken heraus ist das etwas schwierig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich bitte wirklich die Zwischenrufe von der Regierungsbank zu unterlassen, das ist unsere Verabredung.

Und wer hier solche kräftigen Worte gebraucht, Herr Ministerpräsident, wie Sie, wer sein Recht in Anspruch nimmt zu klagen, und wenn es vor dem Bundesverfassungsgericht ist, dass der an den Wurzeln der Verfassung sägt,

(Nils Albrecht, CDU: Ja.)

das, Herr Ministerpräsident Ringstorff, haben nicht Sie zu entscheiden.