Meine Damen und Herren, wir treten nun in die Mittagspause. Die Sitzung wird fortgesetzt um 13.45 Uhr.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Steuerschätzung Mai 2002, auf der Drucksache 3/2909.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Riemann für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Riemann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte beginnen: „Herzlich willkommen zur erweiterten Sitzung des Finanzausschusses“, angesichts der Mitgliederzahl, die sich hier für Haushaltsund Finanzfragen interessiert nach der Mittagspause, aber ich denke, das ist vielleicht auch der Mittagspause geschuldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im 6-MonatsRhythmus spielt sich seit geraumer Zeit ein Drama ab, welches alle Haushaltspolitiker, egal vom Bund, den Ländern oder den Kommunen, nur noch mit Schaudern erfüllen kann. Ich meine hiermit die jeweiligen Steuerschätzungen im November und Mai eines jeden Jahres. Und so war es auch dieses Mal wieder so, dass vor dem Hintergrund einer angeblich doch so erfolgreichen Finanzpolitik der Arbeitskreis Steuerschätzung am 16. Mai 2002 Folgendes verkünden musste: Im Vergleich zur Steuerschätzung vom November 2001 werden die erwarteten Einnahmen der Länder – und ich beziehe mich hier nur auf die Länder – in 2002 um 4,2 Milliarden Euro, in 2003 um 2,9 Milliarden Euro, in 2004 um 2,3 Milliarden Euro und in 2005 um 2,7 Milliarden Euro unter den Erwartungen liegen. Und nimmt man nun alle staatlichen Ebenen zusammen und kumuliert die Ausfälle über den oben genannten Zeitraum, so ergeben sich sogar Ausfälle in Höhe von 65 Milliarden Euro.
Erst gestern hat die Landesregierung die konkreten Daten für Mecklenburg-Vorpommern vorgelegt. Ich begrüße das nachdrücklich, damit wir hier auch über konkrete Zahlen sprechen. Nach den bisherigen Erfahrungen kann man aber nun wohl begründet davon ausgehen, dass unser Land jährlich wenigstens mit 115 Million e n Euro betroffen sein wird, und da sind die Folgen für die Kommunen unseres Landes noch nicht einmal berücksichtigt.
Und wenn dann unser Landesrechnungshof, und das ist keine Kritik am Landesrechnungshof, feststellt, dass alle Kunst der Landesregierung und der Landesverwaltung auf entsetzlich schwierige Rahmenbedingungen treffe, dann mag das ja den Tatsachen entsprechen. Aber, meine Damen und Herren, hat diese Landesregierung nicht im Bundesrat diesen Rahmenbedingungen zugestimmt?
Frau Finanzministerin, ich frage Sie, wenn Sie schon dieses Zitat in Ihrer Pressemitteilung vom 16. Mai 2002 verwenden: „Wer, wenn nicht die Politiker, wer, wenn nicht auch diese Landesregierung, ist denn für die Schaffung von Rahmenbedingungen, von günstigen oder ungünstigen … verantwortlich? Es sind doch wohl sozialdemokratische Finanzminister in Berlin und in Schwerin, die dafür nicht unmaßgeblich zuständig sind.“
(Zurufe von Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS: Oh! – Heiterkeit bei Ministerin Sigrid Keler)
Geschickt bei Ihnen ist allenfalls, dass Sie das Sparen und Konsolidieren als Synonym verwenden, obwohl es zwei Paar Schuhe sind. Nur, meine Damen und Herren, ein Haushalt besteht auch immer aus zwei Seiten. Da reicht es nicht, nur auf die Ausgabenseite zu gucken, sondern man muss sich auch auf die Einnahmen konzentrieren.
Bestes Beispiel ist der verspätete Eingang der 100 Millionen Euro aus dem EU-Förderprogramm und 21 Millionen haben wir gar nicht in Anspruch genommen. Und wenn dann Mecklenburg-Vorpommern auf Landesebene bis 2005 mit über einer halben Milliarde Euro weniger auskommen muss, dann weiß ich nicht, ob man das als seriöse Finanzpolitik, als erfolgreiche Finanzpolitik verkaufen kann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist ja nicht so, dass diese Einnahmeausfälle mit einer wirklichen Entlastung in den Taschen von Unternehmern und Bürgern verbunden wären, denn die gesamtwirtschaftliche Steuer
quote wird im Jahre 2005 mit circa 22,5 Prozent kaum unter der des Jahres 1998 liegen und die nominale Entlastung der Bürger wird weitgehend durch die kalte Progression wieder aufgehoben, so dass real nichts übrig bleibt. Insofern erscheint die im Bericht dargestellte Hoffnung, dass nun auch die Binnennachfrage real merklich ansteigen werde, reichlich naiv.
Ich rate Ihnen, Frau Finanzministerin, ich rate Ihnen, meine Damen und Herren hier in diesem Landtag, sprechen Sie einmal mit dem Einzelhandel, ob der von der Entlastung, die versprochen worden ist, etwas mitbekommen hat! Vielmehr ist es doch so, dass volkswirtschaftlich relevante Stellschrauben in Bund und Land nicht stimmen. In keinem Land der OECD muss so viel reales Wachstum, nämlich 2,5 Prozent generiert werden, damit der Arbeitsmarkt im Saldo aus Zu- und Abgängen wenigstens konstant bleibt. Und das wirkt sich unmittelbar dann natürlich auf die Höhe der tatsächlichen und potentiellen Steuereinnahmen aus. Und, Frau Keler, auch in der Unterrichtung der Landesregierung auf der Drucksache 3/2948 vom 29.05.2002 richten Sie Ihre Hoffnungen wieder allein auf konjunkturelle Impulse und Wendepunkte. Ich denke, das allein genügt nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, vielmehr müssen strukturelle Defizite gerade auf dem Arbeitsmarkt beseitigt werden, Verkrustungen aufgebrochen werden, so dass die Beschäftigungsschwelle in Deutschland abgebaut wird, mehr Menschen in Beschäftigung kommen und so wieder höhere Steuereinnahmen zu verzeichnen sein werden. Ansonsten, Frau Ministerin, werden wir uns auch in Zukunft, in welcher Funktion dann nach dem 22. September auch immer, wieder und wieder über wegbrechende Einnahmen beklagen
Das kann nicht im Interesse des Landes und seiner Bürger sein. Unabhängig von der parteipolitischen Zusammensetzung der Landesregierung müssen hier Impulse kommen.
Zudem, Frau Finanzministerin, fordere ich Sie von hier aus auf, ab Juni diesen Jahres dem Finanzausschuss monatlich eine titelbezogene Unterrichtung über die haushaltspolitische Umsetzung, die sich aus den Folgen der Einnahmeausfälle ergibt, vorzulegen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Zuerst erhält das Wort die Finanzministerin des Landes Frau Keler. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Herr Riemann, der Antrag kommt von der CDU-Fraktion und wenn ich mir Ihre Reihen ansehe, dann stelle ich fest, dass bei Ihnen wahrscheinlich am wenigsten Interesse an Finanz- und Haushaltspolitik besteht. Das mal vorneweg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Heidemarie Beyer, SPD: Das ist sein Steckenpferd.)
Und als Zweites, Herr Riemann, die Steuerquote, die volkswirtschaftliche, hat sich auch geändert mit der neuen Steuerschätzung. Die liegt nicht mehr bei 22,5, sondern sie liegt jetzt bei 21,38 Prozent, und sie lag 1998 bei über 24 Prozent. Also das, was in den letzten Jahren geleistet worden ist, ist deutlich zu spüren. Und wenn Sie immer behaupten, das merkt keiner im Portemonnaie, dann kann ich nur sagen, das stimmt nicht. Wenn Sie mit den Menschen reden und sie direkt darauf ansprechen, dann werden die Ihnen auch sagen, natürlich haben wir mehr im Portemonnaie.
Diese gefühlte Teuerungsrate, wir haben uns das vorhin mal angesehen, auch das ist nicht ganz richtig. Und hier nur mal zur Information: Das Steueraufkommen bei der Umsatzsteuer im Land ist um 7,3 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres gestiegen.
Also ist hier durchaus etwas, was in der Wahrnehmung anders funktioniert, als es in der Wirklichkeit ist.
Aber lassen Sie mich doch jetzt zu Ihrem Antrag kommen, um den es ja geht. Ihnen liegt bereits auf Drucksache 3/2948 der Bericht der Landesregierung zur Maisteuerschätzung 2002 vor. Und jetzt möchte ich ein paar kurze Bemerkungen dazu machen.
In meiner nunmehr gut sechsjährigen Amtszeit als Finanzministerin habe ich es regelmäßig erlebt, dass die neuen Steuerschätzungen immer schlechter als die vorhergehenden waren. Das gilt auch für die Steuerschätzungen der Jahre 1996, 1997, 1998, in denen Bundesfinanzminister Theo Waigel und die Politik der CDU dafür verantwortlich waren. Es hat uns jedes Mal Kopfzerbrechen gekostet, die Mindereinnahmen abzufangen, und so ist es auch dieses Mal.
In 2002 ist für Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt 115 Millionen Euro Steuermindereinnahmen zu rechnen. Dies wirkt in den nächsten Jahren als Basiseffekt mit jeweils über 100 Millionen fort, auch das ist nichts Neues. Das haben wir bisher auch immer so erlebt. Allerdings hat uns alle das Ausmaß der Mindereinnahmen bei der Körperschaftssteuer überrascht. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit der Reform der Körperschaftssteuer, die unabweisbar war, um ausländische Investoren anzulocken.
Es handelt sich im Übrigen um vorgezogene Effekte, die sich später wieder ausgleichen werden. So hoffen wir es alle.