Protokoll der Sitzung vom 12.03.2003

Der Verlust von diesen 500 Dienstposten ist für Warnemünde, ist für die Region, aber auch für unser Land eine herbe Katastrophe. Praktisch wird das so aussehen, dass die zehn Boote der verbleibenden 143er-Alpha-Klasse sehr schnell die Aufgaben der ausgesonderten Boote mit übernehmen, gleichzeitig aber das Personal für die Korvetten stellen müssen. Statt des Einsatzes bis 2014 dürfte das – verbunden mit der höheren Belastung – mit Sicherheit die vorzeitige Außerdienststellung bis Ende 2008 zur Folge haben. Dann haben wir in Warnemünde Ende 2008 nur noch fünf Korvetten und einen Tender liegen. Das wiederum muss bei Leuten wie Hans Eichel und den unkalkulierbaren Verteidigungspolitikern in Berlin die Frage nach sich ziehen:

(Torsten Koplin, PDS: Die haben doch ihre Leute, Mensch!)

Ist der Flottenstützpunkt Warnemünde überhaupt noch ausgelastet? Damit aber wird nicht nur die Auslastung des Flottenstützpunktes Warnemünde in Frage gestellt, sondern die Existenzberechtigung dieses einzigen ostdeutschen Flottenstützpunktes.

Nach den Erfahrungen, die unser Land bisher machen musste, ist das sehr realistisch, um nicht zu sagen, genau das ist vielleicht schon heute von Peter Struck so gewollt und langfristig eingeplant. Wir haben hier in diesem Parlament auch in den vorhergehenden Anträgen garantiert unterschiedliche Auffassungen zur Bündnisfähigkeit unseres Landes in der NATO, aber ich glaube, darauf kommt es nun wirklich nicht mehr an. Niemand weiß, was nach dem gesicherten Bau der fünf Korvetten den Streichlisten noch zum Opfer fallen wird. Wir müssen uns vor dem Hintergrund der allseits negativen Folgen dieser Entscheidung und der drohenden Gefahr für den gesamten Flottenstützpunkt Warnemünde gemeinsam aus meiner Sicht dafür stark machen, dass erstens die Entscheidung zum vorgezogenen Aussondern der zehn Schnellboote der 143er-Klasse zurückgezogen wird und zweitens die bis zum 21. Februar 2003 bestehende Planung für die Indienststellung der fünf Korvetten der 130er-Klasse mit

Stützpunkt Warnemünde bei gleichzeitiger Aussonderung der zehn Schnellboote eingehalten wird. Das heißt zwei Korvetten 2007, drei Korvetten 2008. Die mit dieser Planung verbundene Ausbildung und Übernahme der Schnellbootbesatzungen für den Einsatz auf den fünf Korvetten soll ebenfalls eingehalten werden.

Der gestrige Artikel in der OZ „Schnellbootfahrer schieben Dienst in Bayern“ ist doch das letzte SOS der deutschen Marine, deren Handlungsunfähigkeit politisch mit den heutigen Entscheidungen, mit den Entscheidungen vom Februar eingeläutet wurde. Wer seine Marine – und ich sage das einmal so salopp – so absaufen lässt, riskiert nicht nur die Bündnisfähigkeit innerhalb der NATO, der riskiert die Sicherheit seiner eigenen Bevölkerung, der ist ein Risiko für die regionale Wirtschaftskraft, die an der Küste immer etwas mit der Marine zu tun hat und auch weiterhin zu tun haben wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich bitte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren der Koalition, wenigstens vor diesem Hintergrund der Gefahr für den Flottenstützpunkt Warnemünde, dem sicheren Verlust von 500 Dienstposten und wegen der äußerst negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft unserer Region, unseres Landes dieses Mal unserem Antrag zuzustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Nieszery von der Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider müssen wir uns heute zum wiederholten Male mit einem populistischen Antrag der CDU beschäftigen,

(Gesine Skrzepski, CDU: Oh!)

der unter dem Motto steht: Hauen wir mal kräftig drauf auf die Bundesregierung und verunsichern wir mal wieder unsere Bevölkerung! Unterstellen wir unserer Landesregierung mal wieder, sie würde nicht handeln und bräuchte erst die Aufforderung der Opposition!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Werter Herr Kollege Thomas, wenn Sie zum Wecken trompeten, sind wir schon längst bei der Arbeit, das sollten Sie doch inzwischen gemerkt haben,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Jörg Heydorn, SPD – Reinhardt Thomas, CDU: Aschermittwoch ist vorbei!)

so auch im Falle der Schnellboote, Herr Kollege.

(Reinhardt Thomas, CDU: Das ist doch nicht zu fassen nach den Pleiten, die wir erlebt haben!)

In der Tat hat der Verteidigungsminister die Außerdienststellung eines Schnellbootgeschwaders bis zum

Ende des Jahres 2005 angekündigt, während die ersten Korvetten erst ab 2007 zulaufen. Dass hier eine zeitliche Lücke klafft, die zu einem zeitweisen Abzug von Personal führen kann, ist allen Beteiligten klar. Sie haben die Pressemitteilung von Herrn Struck gelesen. Ich bezweifle sie nicht, denn er legt ausdrücklich fest: Wir werden versuchen, die Korvetten ein Jahr früher in Dienst zu stellen.

(Reinhardt Thomas, CDU: Was habe ich denn zu Eggesin gesagt?)

Wir haben inzwischen einen neuen Verteidigungsminister, Herr Kollege, falls Sie das noch nicht mitbekommen haben.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zurufe von Lorenz Caffier, CDU, und Reinhardt Thomas, CDU)

Hinsichtlich einer flexiblen Gestaltung des Überganges laufen derzeit intensive Gespräche zwischen der Landesregierung und dem Verteidigungsministerium. Ich denke, man wird hier zu einer für alle Seiten akzeptablen Lösung kommen. Das in Ihrer Antragsbegründung ausgemalte Szenario einer Gefährdung des Flottenstützpunktes Warnemünde, werter Kollege Thomas, ist jedoch nicht nur absurd, sondern geradezu eine vorsätzliche Irreführung der Öffentlichkeit.

(Gesine Skrzepski, CDU: Oh, oh!)

Die mittel- bis langfristige Planung der Bundeswehr, die mir übrigens von hohen Marineoffizieren vorgetragen wurde, sieht umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur des Standortes Warnemünde vor. Unter anderem ist eine Vertiefung des Hafens, der Bau eines neuen Piers und eines Munitionsumschlagplatzes geplant. Dies geschieht ausdrücklich vor dem Hintergrund, dass die Schnellbootflottille langfristig in eine Korvettenflottille umgebaut werden soll, die dann aus insgesamt 15 Korvetten besteht, aus 15 hochmodernen Korvetten. Das heißt, wenn aus jetzt 20 Schnellbooten mit insgesamt 8 0 0 Mann Besatzung langfristig 15 Korvetten mit dann 975 Mann Besatzung werden, gibt es in Warnemünde sogar einen Personalaufwuchs. Von einer Gefährdung des Standortes kann also überhaupt gar keine Rede sein!

(Gesine Skrzepski, CDU: Ich glaube das nicht.)

Im Sinne einer seriösen Debatte zu dem wichtigen Thema wäre es sicherlich sehr hilfreich, Herr Kollege Thomas, wenn Sie sich künftig um eine Vertiefung Ihrer Sachkenntnis bemühten, bevor Sie eine unsinnige und unverantwortliche Standortdiskussion lostreten. Die SPD-Fraktion wird den Antrag ablehnen, da sein Anliegen bereits Gegenstand des Regierungshandelns ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Ritter für die Fraktion der PDS.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein Ergebnis der Bundeswehrstrukturreform, über die wir vor zwei Jahren hier debattiert haben, dass am Ende mehr Dienstposten im Land Mecklenburg-Vorpommern übrig geblieben sind als zu Beginn dieser Reform. Ich habe das Gefühl, dass das

bei der jetzigen Etappe dieser Bundeswehrreform auch so sein wird, Kollege Nieszery hat ja die Zahlen genannt. Insofern habe ich natürlich auch meine Probleme mit der Beschreibung des Hintergrunds dieses Antrages, aber ich habe natürlich, das wird Sie nicht verwundern, auch noch einige andere Probleme mit dem Inhalt oder dem weitergehenden Inhalt dieses Anliegens.

Bundesverteidigungsminister Struck meint, dass die Sicherheit der Bundesrepublik künftig auch am Hindukusch verteidigt wird. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich dieser angeblichen Verteidigungslogik nun überhaupt nicht folgen kann. Und man kann dem auch nicht folgen, wenn man das Grundgesetz ernst nimmt. Dort heißt es im Artikel 87 a: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Und im Artikel 115 a heißt es: „Die Feststellung, daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungs- fall), trifft der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates.“ Also nichts mit deutschen Sicherheitsinteressen am Hindukusch oder anderswo. Und dann heißt es noch im Artikel 25 des Grundgesetzes: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes.“ Und ich glaube, auch das Völkerrecht orientiert am Frieden und dem Ausschluss von militärischer Gewalt.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: So ist es.)

Das alles zählt aber nicht, wenn man seine eigene Sicherheit weit weg von zu Hause, nämlich am Hindukusch, gefährdet sieht.

Wenn nun aber eine Umorientierung dieses Streitkräfteauftrages geplant wird, kommt man um eine Umstrukturierung der Streitkräfte selbst nicht umhin. Das heißt also, Mannschaften, Waffen und Standorte müssen den neuen Bedingungen angepasst werden, ob mir das nun passt oder nicht, aber das ist nun mal einfach Tatsache. Und wenn dann, wie jetzt auch noch, beim Bundesverteidigungsminister mächtig gespart werden muss, geht das natürlich nicht ohne Konsequenzen, das ist völlig klar. Und genau hier beginnt dann das Dilemma der CDU. Auch die CDU will überall auf der Welt deutsche Interessen verteidigen, besser gesagt, verteidigen lassen. Sie will dazu die modernsten Waffen, sie will aber offensichtlich die alten Standortstrukturen beibehalten. Und sie sagt nicht, wie das alles bezahlt werden soll. Und da kann man noch viel mehr Seiten Begründungstext schreiben und militärisches Pseudowissen vortäuschen, an diesen Tatsachen kommt auch die CDU hier im Land nicht vorbei.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, die PDS hat schon bei den Debatten um die Bundeswehrstrukturreform vor zwei Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass es sich erstens damals um die erste Stufe dieser Reform gehandelt hat, zweitens weitere Stufen wie die jetzige folgen werden und drittens die Landesregierung gut beraten ist, Vorsorge zu treffen. Vorsorge aus Sicht der PDS heißt aber nicht, um vermeintlich verloren gegangene Standorte zu trauern. Vorsorge heißt aus unserer Sicht, ein umfassendes Konversionskonzept zu erarbeiten und umzusetzen. Und auch hier sieht sich die PDS bestätigt.

Die Landesregierung ist also gut beraten, den Beschluss des Landtages vom Monat Januar diesen Jahres zur Erarbeitung der Konversionsleitlinien zügig umzusetzen und in ihren Anstrengungen gegenüber der Bundesregierung zur Einforderung umfassender Bundeshilfen

nicht nachzulassen. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer über den Sicherheitsinteressen am Hindukusch sein eigenes Hinterland vergisst, erleidet Schiffbruch. Deswegen lehnen wir den Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort noch einmal der Abgeordnete Thomas für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Thomas.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ging ja bei Ihnen alles sehr schnell: 500 Dienstposten werden mal eben in zwei Minuten abgehandelt.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Ich muss schon sagen, das ist ziemlich starker Tobak. Wer glaubt, dass die 15 Korvetten nicht mehr in Frage gestellt werden können, der ist nicht nur blauäugig, sondern im höchsten Grade naiv.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Und, Herr Kollege, ich muss Ihnen mal eines sagen: Von einem Herrn wie Ihnen muss ich mir nicht Vertiefung meiner Sachkenntnisse vorwerfen lassen, vor allen Dingen nicht nach so einer Rede, denn die war unter aller Würde,