Protokoll der Sitzung vom 12.03.2003

desebene, insbesondere aber auch auf Bundesebene, den Handlungsauftrag, der sich uns stellt, angenommen haben und dabei sind, unsere Hausaufgaben zu machen.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Das nennen Sie Hausaufgaben?! 4,7 Millionen Arbeitslose?! Das sind tolle Überlegungen von Hausaufgaben.)

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Herr Clement hat in dem Zusammenhang ein großes wirtschaftspolitisches Reformprogramm unter Einschluss einer umfassenden Offensive für den Mittelstand – Kollegin Schildt hatte referiert über den Masterplan Bürokratieabbau,

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Oh nee!)

also über diese große Offensive ist gesprochen worden – auf den Weg gebracht. Die Umsetzung des HartzKonzeptes wird selbstverständlich weitergeführt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das klingt doch wie Radio Jerewan. Das hat doch mit dem Thema nichts zu tun!)

Stichworte sind hier unter anderem Umbau der Bundesanstalt für Arbeit und die Neuregelung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe

(Kerstin Fiedler, CDU: Substanz haben Sie gefordert. Von Ihnen hab ich nichts gehört, substanzlos!)

sowie die Einrichtung von Jobcentern zum 01.01.2004. Darüber hinaus ist eine Gesundheitsreform in Arbeit.

(Kerstin Fiedler, CDU: Alles Bundesgeschichte! Was wollen Sie in diesem Land machen?)

Hier werden wir die Ergebnisse im Sommer vorliegen haben.

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Ebenso ist eine Reform der Gemeindefinanzen in Arbeit.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ah ja!)

Und ich verstehe jetzt ehrlich gesagt Ihre Aufregung nicht.

(Kerstin Fiedler, CDU: Sie werfen uns Substanzlosigkeit vor!)

Fakt ist doch – die Reformen habe ich Ihnen gerade vorgetragen –, wenn Sie so toll sind, meine Damen und Herren, wie Sie hier immer tun, dann frage ich mich, warum müssen wir dann solche tiefgreifenden, umfassenden Reformen auf den Weg bringen in Berlin, diese Arbeit hier machen in Schwerin mit der rot-roten Landesregierung, wenn Sie so tolle Wirtschaftsfachleute und Arbeitsmarktfachleute sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckhardt Rehberg, CDU: Sie tragen die Ver- antwortung! Sie müssen sie wahrnehmen! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Sie haben jahrelang geschlafen, wir müssen die Arbeit machen. Das ist die Wahrheit!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie haben die Gemeinden in die Pleite geführt, so ist das!)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch zwei letzte Worte. Wenn wir weiter an zukunftsweisenden Poli

tikmodellen arbeiten, müssen wir unbedingt, denke ich, darauf achten, dass diese nicht so ausgerichtet sind,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

dass sie in erster Linie zu Lasten der sozial Schwachen, der Klein- und Geringverdiener, der Arbeitslosen und Kranken gehen. Was die Arbeitsmarktpolitik betrifft, habe ich bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass wir ohne eine Umverteilung der Arbeit in diesem Land und ohne intelligente Zeitarbeitsmodelle nicht erfolgreich sein werden, wenn wir die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpfen wollen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Der erzählt einen Schnee! So einen Schnee habe ich lange nicht mehr gehört.)

Das ist meine feste Überzeugung.

Wenn wir diesbezüglich in eine offene und konstruktive Sachdiskussion eintreten, würde mich das sehr freuen, Herr Rehberg, Frau Strenz und Kollegen. Nichts anderes, denke ich, erwartet im Übrigen auch die Bevölkerung dieses Landes von uns, aber auch von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Und zu guter Letzt denke ich, dass Ihr wirklich herausragender Debattenantrag nunmehr gegenstandslos geworden sein dürfte. – Insofern bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit. Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Regine Lück, PDS)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Lück für die Fraktion der PDS.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gar kein Geheimnis daraus machen: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist grauenhaft schlecht. Es ließen sich auch andere Beschreibungen finden. Nur, Schuldzuweisungen helfen nicht. Wer aber vorschlägt, die Arbeitslosen zu schikanieren, indem man ihnen die Zuwendungen streicht, der schafft keine Arbeitsplätze.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Wer meint, dass mehr Leute arbeiten gehen, wenn man die Arbeitslosen durch ständige Repressionen demütigt, der verkennt, dass es einfach nicht genügend Arbeitsplätze gibt.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Und wer die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik kürzt, dafür aber die Anzahl der Aufgaben erhöht, der darf sich nicht wundern, wenn die Zahl der Arbeitslosen sprunghaft in die Höhe geht.

(Beifall Karsten Neumann, PDS – Reinhardt Thomas, CDU: Wem erzählen Sie das eigentlich?)

Unterschiedlicher Meinung sind wir in der Einschätzung der Gründe, die zu dieser Situation geführt haben, und in der Vorstellung über die Wege, die aus dieser gesellschaftlichen Katastrophe führen könnten. Die Situation am Arbeitsmarkt wird vor allem auch durch die regressive Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung verschärft.

(Beifall Torsten Renz, CDU)

Dabei wird vollkommen außer Acht gelassen, dass es insbesondere in den neuen Bundesländern und in einigen Regionen im Westen nicht nur konjunkturelle, sondern auch strukturelle Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit gibt.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Das zeigt sich nicht nur an der Höhe der Arbeitslosenzahlen selbst, sondern auch an der zunehmenden Anzahl der Langzeitarbeitslosen.

Der Handlungsspielraum, den das Land bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat, ist gering. Die Koalitionspartner und die Landesregierung haben diesen Raum in der vergangenen Legislaturperiode genutzt und sind mit erfolgreichen Projekten und Ansätzen neue Wege gegangen.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Ich denke dabei an das Arbeits- und Strukturentwicklungsprogramm und an die damit verbundene Regionalisierung sowie an die größere Transparenz. Ich denke aber auch an die Landesinitiative Jugend- und Schulsozialarbeit, an die gemeinwohlorientierten Arbeitsförderprojekte und an die guten Erfahrungen mit dem Initiativfonds des Landes. Alle drei Programme sind auf großen Zuspruch im Land gestoßen und erfüllen wichtige Funktionen. Darüber hinaus wurden durch das Land in den zurückliegenden vier Jahren alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die der Bund und die EU geboten haben.

Das Fatale ist nun, dass sich die Bundesregierung aus der Verantwortung zieht, ohne ernsthafte Alternativen anzubieten. Jahrelang wurde versäumt, alternative Programme zu entwickeln. Wer glaubt denn wirklich, dass allein durch die Wirtschaft – so, wie sie im Moment funktioniert, richtiger, nicht funktioniert – oder durch eine Konjunkturbelebung fünf Millionen existenzsichernde Arbeitsplätze geschaffen werden? Die langjährige Tendenz ist doch genau gegenläufig. Arbeitsintensive Arbeit wird ausgelagert oder durch Maschinen ersetzt. Investives Kapital wird durch Spekulationen in Milliardenhöhe vernichtet

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

und öffentliche Einnahmen werden durch eine ungerechte und falsche Steuerpolitik kontinuierlich minimiert. Es hat sich herausgestellt – und das sage ich hier ganz selbstkritisch –, dass unsere Zustimmung zur Steuerreform ein Fehler war.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Das darf nicht wahr sein!)

Sie hat ihren Anteil an der Finanznot der Länder und auch der Gemeinden. Die Konsequenzen dokumentieren sich nun in Zahlen, vor allem aber in vielen Einzelschicksalen. Dass sich die Menschen nun auch auf der Straße Luft machen und die Politik an ihre Verantwortung erinnern, das halte ich für legitim und für richtig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist schon heftig, was hier abläuft.)