Innenpolitisch ist uns völlig klar, welche Verantwortung wir tragen, und üben sie auch aus, auch in diesem Parlament. Wir haben eine Polizei, wir haben eine Justiz, wir bauen neue Gefängnisse und werden damit unserer parlamentarischen Verantwortung, die wir unseren Mitbürgern gegenüber haben, gerecht.
(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Unsere Polizei führt keinen Krieg. – Zurufe von einzelnen Abgeordneten der CDU)
Außerhalb unseres Landes – ich gehe darauf gar nicht ein – habe ich den Eindruck, dass einige gerade dabei sind, sich so zu verhalten, wie diese drei berühmten Affen: Sie hören nichts, sie sehen nichts und sie sagen auch nichts.
Und ich will Ihnen auch sagen, warum. Dieses Parlament gibt es seit zwölf Jahren. Ich kenne wirklich nicht alle Anträge, aber ich habe mich ein bisschen umgesehen und bemüht, möglichst viele Anträge in einen Überblick zu bekommen. Ich habe vergeblich Ihre Resolutionsanträge gesucht, mit denen Sie Bundes- oder Landesregierung auffordern, der Ermordung von 10.000 Menschen entgegenzutreten, die Saddam nach dem ersten Golfkrieg 1991 angeordnet hat.
Ich habe vergeblich Ihre Resolutionen gesucht, mit denen Sie vorgehen wollen und sich aussprechen gegen Terror, Ermordungen, Hinrichtungen, Gewalt, Folterungen in Gefängnissen im Irak.
Ebenso vermisse ich Resolutionen über das Abschlachten von etwa – entschuldigen Sie bitte diesen Ausdruck, aber anders kann man es kaum nennen –
Sie sind nicht da, sie sind auch nicht zu finden. Vielleicht können Sie mir das Gegenteil beweisen, ich wäre darüber sogar froh.
Und vergeblich suche ich auch – dieses ist heute bereits angesprochen worden – Resolutionen gegen das mutwillige, von Saddam angeordnete In-Brand-Setzen von 727 Ölquellen im Februar 1991. Die damit verbundene Umweltkatastrophe ist Ihnen sicher noch vor Augen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Andreas Bluhm, PDS: Von der CDU haben wir solche Anträge auch nicht gehabt.)
Selbst in dem einen Fall, der Ihnen vielleicht aus der Berichterstattung des Fernsehens noch vor Augen ist, als eine männliche Person versucht hat, offenbar mit Akten sich in ein Fahrzeug der UN-Inspekteure zu begeben und dann von irgendwelchen Sicherheitsleuten – nicht von UN-Sicherheitsleuten, offenbar von Irakern – zurückgedrängt wurde, festgehalten wurde, vermisse ich Ihr Engagement für diese eine Person, denn auch hier geht es um ein Leben auf dieser Welt und auch da könnte man sich natürlich einsetzen.
Aber ich habe den Eindruck – dieser Eindruck muss sich aufdrängen –, dass hier offensichtlich die falsche Zielperson im Auge ist.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heike Polzin, SPD: Mein Gott, sind Sie arm dran, wenn Sie solche Umwege gehen müssen! Das sind ja überhaupt keine Argu- mente. – Zuruf von Karsten Neumann, PDS – Glocke der Vizepräsidentin)
Meine Damen und Herren, warum rufen Sie denn die Menschen nicht auf, gegen Terrorisierung und Ermordung von Menschen im Irak zu demonstrieren? Denn glaubhaften Berichten der Menschenrechtsorganisation zufolge gibt es im Irak – und das muss man sich einmal vorstellen –
kaum eine Familie, die nicht den Tod oder das Foltern oder das Verschwinden und Verschleppen eines Angehörigen zu beklagen hat.
Das können wir uns hier in unserem geordneten zivilisierten Zusammenleben doch überhaupt nicht vorstellen. Aber dagegen unternimmt keiner etwas.
(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das kann doch wohl nicht wahr sein! – Kerstin Fiedler, CDU: Das ist aber wahr.)
Ohne jeden Zynismus – und das sage ich hier auch ganz deutlich – können wir doch eins hier bei uns erfreulicherweise feststellen: Es ist erlaubt zu demonstrieren und es wird auch davon Gebrauch gemacht. Das ist gut und richtig so, es ist Teil unserer
demokratischen Möglichkeiten, uns zu äußern. Was glauben Sie denn, was passieren würde, wenn im Irak beispielsweise Demonstrationen, wie sie hier gang und gäbe sind, durchgeführt würden?
(Dr. Margret Seemann, SPD: Das berechtigt niemanden, da einzumarschieren und Frauen und Kinder umzubringen!)
Glauben Sie denn, dass Sie dort hingehen würden beziehungsweise dass Ihre Angehörigen zurückkommen würden?
(Lorenz Caffier, CDU: Hören Sie doch uns auch zu! – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Aber nicht solchen Zumutungen!)
Ihr Protest richtet sich gegen die Ultima Ratio der UN-Resolution 1441, sie richtet sich gegen diese so genannte zweite Resolution. Und hier bin ich an dem Punkt, den ich am Anfang angesprochen habe. Es wird meistens übersehen – und das ist auch bei den Redebeiträgen vorher übersehen worden –, es ist ja nicht die erste Resolution. Die 1441 ist ja bereits die zweite, denn im April 1991 haben die Vereinten Nationen in der Resolution 687 Saddam 15 Tage Zeit gegeben, Rechenschaft über seine Massenvernichtungswaffen, A-, B- und C-Waffen, über die Entwicklung derselben abzulegen, diese zu zerstören und die Zerstörung den UN-Kontrolleuren nachzuweisen beziehungsweise ihnen zu ermöglichen, dieses zu beobachten. Diese Resolution wurde nach Maßgabe des Kapitels 7 der Charta der UN aufgenommen und das bedeutet, dass sie unter der Androhung militärischer Mittel im Nichtbefolgungsfalle bereits steht – 1991. Elf Jahre warten wir darauf, dass diese Resolution erfüllt wird.
Da kann man nun unbedingt nicht den Eindruck haben, dass irgendwelche Hasardeure am Werke sind, die unbedingt einen Krieg wollen. Elf Jahre sind ins Land gegangen, in denen Saddam die Resolution nicht befolgt hat, in denen er immer nur dann, wenn der Druck von außen zunahm – und hier war es im Wesentlichen der militärische Druck –, reagiert hat.
Ich will noch einen anderen Punkt anführen. Natürlich will niemand einen Krieg. Natürlich will auch niemand, dass deutsche Soldaten sich an einem Krieg beteiligen oder in den Krieg geschickt werden müssen, wie auch immer. Aber Sie wissen auch, meine Damen und Herren, dass Bundeskanzler Schröder seit der Regierungsübernahme mehr Soldaten in Auslandseinsätze geschickt
hat, als je einer seiner Vorgänger vorher. 1998 waren 2.800 Soldaten außerhalb des Bündnisgebietes eingesetzt, heute sind es über 10.000 Soldaten. 1998 kosteten diese Auslandseinsätze etwa 178 Millionen Euro im Jahr, heute sind es rund 1,7 Milliarden Euro im Jahr, das ist der zehnfache Betrag.
Die Vereinten Nationen und die vereinte internationale Gemeinschaft hat Saddam vor langer Zeit die Möglichkeit eingeräumt, auf friedlichem Wege und ohne einen einzigen Tropfen Blut zu vergießen, die Welt von dieser bedrohlichen Gefahr zu befreien. Wir wissen aus den vergangenen Jahren, dass sich Saddam ohne Drohpotential nicht bewegt. Das ist hier auch eingeräumt worden, insoweit sind wir uns, glaube ich, einig.
Ich halte es aber für fatal, dass der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland aus wahltaktischen Motiven heraus –
(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Heike Polzin, SPD: Das ist, glaube ich, Ihr Problem. Es geht nur um Wahltaktik.)
im vergangenen Jahr eine Erklärung abgegeben hat, die so lautete, wie ich das vorhin angeführt habe. Ich stelle mir da das Bild eines Staudammes vor, ein Staudamm, der einen riesigen See, eine Wassermenge hält. Und nun kommt einer und nimmt einen Stein aus diesem Staudamm heraus, zu welchem Zweck auch immer. Wir wissen alle, was passiert. Andere werden sich auch Steine nehmen, das Loch wird immer größer und irgendwann rutscht die ganze Geschichte zusammen. Ich habe den Eindruck, dass genau dieses jetzt auch passiert beziehungsweise passieren kann.
Dadurch wird natürlich die Bedrohung durch Saddam, die Sie sicherlich nicht bestreiten werden, auch wenn sie uns hier weit entfernt so direkt möglicherweise nicht trifft, doch immer größer, weil er nicht dumm ist und die Zerstrittenheit der westlichen Welt und innerhalb Europas, der Europäischen Union natürlich erkennt. Die Vereinten Nationen werden Autorität einbüßen …