Und haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, wenn heute ein 53-Jähriger arbeitslos werden sollte, 18 Monate Bezugsdauer von Arbeitslosengeld, dann ist er 55, ob der noch eine Arbeit kriegt? Der wird sofort in die arbeitsmarktferne Gruppe eingestuft, die Last liegt bei der Kommune. Er erwirbt in den nächsten zehn Jahren keine Rentenanwartschaften mehr und dann muss er ergänzende Sozialhilfe beziehen beziehungsweise die Grundsicherung kommt komplett von den Kommunen. Das wird Ergebnis dieser Politik sein und diesen Punkt bekämpfen wir. Es kann doch auch nicht sozial gerecht sein, dass der 25-Jährige genauso lange Arbeitslosengeld bezieht wie der 48-Jährige.
Der 25-Jährige hat höchstens fünf Jahre eingezahlt, der 48-Jährige 30 Jahre. Das hat doch nichts mit Gerechtigkeit zu tun!
Und wir erwarten von Ihnen, dass Sie klipp und klar sagen – und ich habe das Edmund Stoiber öffentlich gesagt, ich wiederhole das hier –, 18 Monate sind schon schlimm genug, 12 Monate sind noch schlimmer. Es kann bei diesem Thema nur eine Regelung geben und insbesondere für unsere Älteren: Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes muss sich nach der Dauer der Jahre in der Arbeitslosenversicherung richten, ansonsten ist das ein enteignungsgleicher Tatbestand, was hier gemacht wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, junge Leute können vielleicht weggehen, woanders hin, aber die Älteren, die müssen hier bleiben.
Und noch eine Zahl, Herr Ministerpräsident, Sie hören ja Zahlen immer so gerne. Wir haben Ende März 197.000 Arbeitslose, wir haben 8.800 gemeldete offene Stellen. Dann muss doch unser Grundsatz sein, dass wir für unser Land, für die Menschen in unserem Land sagen, ich kann doch nicht Sozialhilfeempfängern – in Bayern mag das ja gerechtfertigt sein, in Nordrhein-Westfalen auch – sagen, wenn du keine Arbeit annimmst, dann kriegst du 25 Pro
zent weniger. Wenn wir 100.000 Arbeitslose hätten und 60.000 offene Stellen, würde ich sofort sagen, ja, das ist die richtige Politik. Aber wenn ich auf eine offene Stelle fast 400 Arbeitslose habe, dann kann das doch nicht Ansatz von richtiger Politik sein, Herr Ministerpräsident.
Und was haben Sie und auch Herr Dr. Backhaus am Samstag behauptet? Die CDU ist eine Partei des sozialen Kahlschlags.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Recht hat er.)
Ich hoffe, dass Sie jetzt noch genauso klatschen. Was haben Sie gemacht in den letzten fünf Jahren? Das Landeserziehungsgeld abgeschafft.
Sie haben es faktisch abgeschafft. Sie haben die Krankenhausförderung – und gehen Sie mal in Krankenhäuser rein und fragen Sie, wie das mit der Ersatzbeschaffung von Geräten aussieht – um fast 20 Millionen Euro in drei Jahren gekürzt. Das ist Ihre Politik. Das ist Ihre Politik! Das heißt, es ist wie zu tiefsten DDR-Zeiten: Je länger, desto schlimmer, aber Ersatz kann ich nicht beschaffen. Was glauben Sie, woraus heute die Investitionen teilweise finanziert werden? Aus dem Lohnverzicht der Beschäftigten! Gehen Sie nach draußen, fragen Sie die Krankenhäuser! Das ist die Tatsache.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme jetzt noch mal zu den Kommunen zurück. In Ihrer Regierungszeit, Herr Ministerpräsident, von 1999 bis 2001, sind die Ausgaben der Sozialleistungen der Komm u n e n , Landkreise und kreisfreien Städte um 63,3 Millionen Euro gestiegen. Das ist insbesondere Sozialhilfe, das ist Jugendhilfe. Und jetzt erzähl mir noch mal einer, dass es den Kommunen finanziell gut geht, wie es die Frau Ministerin Keler noch vor zwei Jahren gemacht hat! Die Kommunen sind bei uns im Land finanziell am Ende und wenn die Pläne von Schröder umgesetzt werden, kommen noch zusätzliche Lasten in diesem Bereich auf unsere Kommunen zu.
Meine sehr verehren Damen und Herren, weiter wird getrickst: Die über 58-Jährigen werden nach Parag r a p h 428 SGB III aus der Statistik der Bundesanstalt herausgenommen. Die Realitäten, die ich Ihnen eben genannt habe, die sehen deswegen noch viel schlimmer aus, die tauchen in gar keiner Statistik mehr auf. Und wenn Sie eine Erhöhung des Realeinkommens hier auf den Tisch legen, ich habe andere Zahlen. Ich will Ihnen mal sagen, was die Menschen – und das hat auch etwas damit zu tun, wie man Politik macht, Herr Ministerpräsident – die letzten Jahre empfunden haben: Steigerung der Steuer- und Abgabenbelastung, Ökosteuer.
Schon ganz vergessen, wozu die Ökosteuer da sein sollte? Zur Absenkung des Rentenbeitrages. Die Realität ist eine völlig andere.
Wir reden heute von 19,9 Prozent, zum Jahresende 19,5 aktuell. Tabaksteuer, Beitragserhöhungen bei der Kranken- und Rentenversicherung – alles Realität. Leis
tungseinschränkungen bei der Rentenversicherung im Zuge der Riester-Reform. Fragen Sie mal nach bei der Witwenrente! Fragen Sie nach bei der Absenkung der Anwartschaften für die Rente bei der Arbeitslosenversicherung und der Reduzierung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld! Herr Ministerpräsident, wir sind keine Partei des sozialen Kahlschlags. Wenn ich das hier zusammenzähle, dann ist die SPD sehr wohl in den letzten Jahren eine Partei gewesen, die massiv Sozialabbau betrieben hat. Das hat auch nichts mit Umbau der Sozialsysteme zu tun, das hat in hohem Maße mit Ungerechtigkeiten zu tun.
Fast 1 Milliarde DM Überschuss bei der Krankenversicherung. Was haben Sie in vier Jahren erreicht? 3 Milliarden Euro Defizit trotz einer Beitragssatzsteigerung von 13,5 auf 14,5 Prozent. Herr Ministerpräsident, ich hätte von Ihnen heute erwartet, dass Sie Stellung nehmen an dieser Stelle zu den Vorschlägen der Rürup-Kommission.
Sie haben doch genauso viel Zeit dazu gehabt wie ich, sich das anzukucken. Und ich sage Ihnen ganz klipp und klar, wozu ich Nein sage. Es kann nicht sein, dass man für einen Arztbesuch 15 Euro auf den Tisch packt, auf der anderen Seite aber gerade die ganze Pharmaindustrie von Rürup fast völlig rausgelassen wurde.
Wenn ich die Einsparpotentiale sehe von 24 Milliarden Euro, dann sind das 10 Milliarden Euro bei den Kranken. Und da müssen Sie doch Stellung dazu beziehen. Die Menschen wollen doch wissen, wie sich diese Landesregierung zu solchen Vorschlägen positioniert. Wir werden uns positionieren und ich habe mich eben positioniert, zumindest an einem Detail.
Was haben Sie mit der Pflegeversicherung gemacht? Überschuss 1998, heute 400 Millionen Euro an Defizit. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, soziale Gerechtigkeit haben Sie damit schon lange nicht geschaffen. Und was ich vermisst habe bei Ihnen am Wochenende, das ist, dass Sie gesagt haben, sozial gerecht ist das, was Arbeit schafft.
Und, Herr Ministerpräsident, ich begrüße noch einmal ausdrücklich, dass es keine zusätzlichen Belastungen für die Bürger gibt. Ich begrüße ausdrücklich, dass es keine zusätzlichen Steuerbelastungen für den Mittelstand gibt, denn auch Modifizierung von Abschreibung ist Kostenbelastung für Unternehmen. Und ich begrüße ausdrücklich, dass wir weiter die Eigenheimzulage haben, damit junge Familien entsprechend dem Einkommen auch ihr Eigentumshaus bauen können, kaufen können, sanieren können. Das begrüßen wir ausdrücklich, das ist Sozialpolitik für uns.
Das ist mir deswegen nicht klar, Frau Ministerin Keler, hören Sie endlich auf, nur rein buchhalterisch zu denken, sondern kucken Sie mal, was die Eigenheimzulage bei der Bauwirtschaft auslösen kann und wie dort die Mehrwertsteuer, die Einkommenssteuer und viele andere Dinge sprießen!
Und, Frau Keler, wo wollen Sie eigentlich Ihre 95 Millionen Euro an Steigerung der Einkommenssteuer im Jahr 2003 herkriegen, wenn Sie Nein zur Eigenheimzulage sagen? Also da fließt garantiert nichts rein in die Einkommenssteuer,
(Ministerin Sigrid Keler: Aber immer, Herr Rehberg! Genau da fließt sie rein. – Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)
(Zuruf von Ministerin Sigrid Keler – Angelika Gramkow, PDS: Davon werden sogar die Kommunen 15 Prozent partizipieren.)
Frau Ministerin Keler, 1 Euro Eigenheimzulage bringt zwischen 3 und 4 Euro an verschiedenen Steuern herein. So, wie Sie denken, das ist rein buchhalterisch. So, wie wir denken, das ist volkswirtschaftlich. Das ist der Unterschied.