Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Die Stärkung der öffentlichen Investitionsfähigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für mehr Wachstum und für die Schaffung selbsttragender Strukturen. Deswegen hat das kommunale Investitionsprogramm eine wichtige Signalwirkung für uns. Aufgrund des hohen Schuldenstandes vieler ostdeutscher Kommunen und den damit fehlenden

Möglichkeiten zur Erlangung von Krediten ist ein ergänzendes Zuschussprogramm in Form einer Investitionspauschale erforderlich.

Sechstens. Die Reformvorhaben der Bundesregierung werden aufgrund der strukturellen Probleme gerade in Ostdeutschland kurzfristig nicht zu einer durchgreifenden Entlastung des Arbeitsmarkts führen. Circa 190.000 Arbeitslosen – Frau Lück hatte die Zahlen auch in etwa genannt – stehen in Mecklenburg-Vorpommern lediglich 9.000 offene Stellen gegenüber. Das ändert sich von Monat zu Monat, meist aber nicht zum Positiven, deshalb reicht eine bessere Vermittlung alleine nicht aus. Sie würde reichen, um die fast 10.000 offenen Stellen wegzubekommen. Das wäre auch schon ein Schritt. Die Bundesanstalt ist aber noch nicht so weit, es muss dort weitere Reformen und auch Veränderungen geben. Die Aufstockung der gekürzten Mittel oder die Wiederaufstockung der Mittel für ABM, SAM und Qualifizierungsmaßnahmen ist weiterhin notwendig. Ein Wegbrechen dieser Instrumente – so viel und so oft darüber auch diskutiert wird, ich weiß keine bessere Lösung – muss erst einmal unterbleiben. Wir haben im Moment keine bessere Lösung für die Menschen, die seit längerer Zeit arbeitslos sind, in absehbarer Zeit in Arbeit zu kommen. Das macht erforderlich, dass die besonderen Konditionen über den 31.12.2003 hinaus gelten müssen. Mein Kollege Klaus Mohr wird sicherlich noch auf die spezielleren Dinge eingehen.

Punkt sieben. Das ist der Knackpunkt, worüber im Moment am meisten diskutiert wird, die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in das Arbeitslosengeld II. Bei dieser Zusammenführung muss gewährleistet sein, dass wir uns weiterhin für arbeitsmarktpolitische Zielgruppen mit besonderen Vermittlungshemmnissen einsetzen. Das sind zwar schöne Worte, aber das sind die Schwächsten der Schwachen. Wir haben bisher in „Arbeitstatt Sozialhilfeprogrammen“ mitgeholfen. Maßnahmen für diese Zielgruppen mit besonderen Schwächen müssen sichergestellt bleiben. Ansonsten kann es passieren, dass sich die so genannten Job-Center nur auf die Besten konzentrieren und der Rest bleibt übrig. Ich bitte Sie, das nicht böse zu nehmen, aber es ist manchmal schon ein bisschen makaber, wie wir da statistisch herangehen.

Unabhängig von der zukünftigen Trägerschaft des JobCenters muss klar sein, dass die Zuordnung zum Personenkreis der Erwerbsfähigen in der Person des Arbeitssuchenden begründet ist. Das Arbeitslosengeld II sollen alle im Sinne des Rentenrechts erwerbsfähigen Personen erhalten. Der durch die Reform erzielte Effizienzgewinn muss für beschäftigungswirksame Investitionen eingesetzt werden. Was heißt dieser so schöne und nett ausgedrückte Satz? Wenn ich schon streiche, wenn ich kürze, wenn ich Geld von Arbeitslosen wegnehme, dann muss es wenigstens dafür eingesetzt werden, dass ein Teil eine Perspektive bekommt. Deswegen soll es auch beschäftigungswirksam eingesetzt werden.

Wir sind auch nach wie vor der Meinung, das Arbeitslosengeld II muss deutlich höher sein als das Sozialhilfeniveau, was wir jetzt haben. Es kann nicht angehen, dass Arbeitslose nach dem Ende einer verkürzten Bezugsdauer, auch wenn es zeitliche Übergangsregelungen gibt, plötzlich auf ein Leistungsniveau herabfallen, das in der Höhe der Sozialhilfe liegt. Der hohe Anteil insbesondere von älteren Langzeitarbeitslosen, die gerade im Osten übermäßig vorhanden sind, macht dieses notwendig. Es

wird ihnen auch kaum vermittelt werden können, dass man so stark an der Stelle kürzt, zumal sie ja nichts dafür können.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich zumindest für diesen Teil sagen, bei allen Unterschieden in der Beurteilung der Lage, es ließe sich auch mit der PDS vortrefflich über bestimmte Dinge streiten, mit der CDU ohnehin, wer für die Lage die Verantwortung trägt. Aber bei allen unterschiedlichen Lösungsansätzen wollten und sollten wir versuchen, diesen Antrag gemeinsam zu beschließen. Er ist ein Teil und ergänzt, glaube ich, die gemeinsame Aktivität, die wir im Dezember bereits hingekriegt haben. Ich bitte deshalb auch die Regierungsfraktionen, aber auch die Opposition um Zustimmung. – Ich bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, Regine Lück, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Danke schön, Herr Dankert.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Strenz von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag „Aktive Arbeitsmarkpolitik ist notwendig“ zum ersten Mal las, fiel mir eigentlich eine Redewendung ein: „Erst rein in die Kartoffeln und dann wieder raus aus den Kartoffeln“. Denn Ende des letztern Jahres und auch Anfang des Jahres 2003 haben wir über Debatten in diesem Hause versucht – und mit wir meine ich die CDU-Fraktion –, Problemfelder aus den zu Jahresbeginn eingeführten Neuregelungen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik aufzuzeigen.

Rechtsänderungen zu Personal-Service-Agenturen und auch zu den Ich-AGs wurden thematisiert. Doch zum Ende des letzten Jahres hieß es immer: Diese Änderungen sind notwendig und Bedenken der CDU-Fraktion sind unangebracht! Und dann mussten wir in diesem Jahr immer wieder hören, dass die Reformen noch Zeit brauchen, um die richtigen Wirkungen am Arbeitsmarkt erzielen zu können. Da frage ich mich jetzt, was der Antrag soll, denn auch die Neuausrichtung der Weiterbildungsförderung wurde erst zu Jahresbeginn durch die Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt neu geregelt.

Da heißt es im Antrag: „Der Landtag begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, ein Sonderprogramm für 100.000 jugendliche Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger aufzulegen …“ Grundsätzlich könnte man ja eigentlich erst einmal bravo sagen, weil man begriffen hat, wenn Geld da ist für staatlich bezahltes Nichtstun, dann ist auch Geld da für Arbeit. Aber meiner Meinung nach greift diese Lobpreisung zu kurz, denn dieses Programm ist nur ein ganz kleiner Baustein der Ausbildungsoffensive 2003 „Ausbilden jetzt“ und „Erfolg braucht alle“. Daher fehlt mir auch in Ihrem Antrag, in Ihrem gemeinsamen Antrag ein Satz wie: Der Landtag begrüßt auch die breite Unterstützung durch Wirtschaft und Gewerkschaften, denn nur durch deren Beteiligung können Chancen zu strukturellen Verbesserungen wirkungsvoll genutzt werden. Der Fairness halber sollten wir daher aber auch die Initiativen der Wirtschaftsverbände begrüßen, wie den verstärkten Einsatz von Lehrstellenentwicklern, die Organisation von Ausbildungsverbünden oder auch die Steigerung des Angebots an Ausbildungsstellen innerhalb der Industrie- und Handelskammern selbst.

Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt steht doch die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen zu fördern und nicht ein Sofortprogramm nach dem anderen aufzulegen. Auch das Jugendsofortprogramm JUMP der Bundesregierung hat sich als Irrweg erwiesen, denn elf Prozent der Teilnehmer in eine Vollbeschäftigung zu bringen, kann bei einem Programm dieser Art nicht genügen. Mit viel Geld wird wenig Wirkung erreicht, das ist das Fazit! Daher stehe ich solchen Sonder- oder auch Sofortprogrammen äußerst kritisch gegenüber.

Lassen Sie uns zum Hauptanliegen des Ihnen vorliegenden Antrages kommen. Nach meiner Einschätzung ist es durchaus richtig, dass die Bundesanstalt für Arbeit derzeit in dem Bereich ihres Haushaltes spart, wo keine Pflichtaufgaben zu finden sind. Hierzu gehören – und das muss man sagen – neben ABM und SAM auch die Förderung der beruflichen Weiterbildung. Eingliederungszuschüsse, Mobilitätshilfen, berufliche Aus- und Weiterbildung, ABM und SAM. Diese Posten alleine sind im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit für Mecklenburg-Vorpommern in 2003 mit 796.700 Millionen Euro veranschlagt. In diesem Bereich muss effizienter gewirtschaftet und auch gespart werden, denn die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen entsprechend der Forderung der CDU-Fraktion langfristig auf unter fünf Prozent gesenkt werden.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Dazu ist es zwingend notwendig, die ineffizienten Bereiche der aktiven Arbeitsmarktpolitik stufenweise zu streichen. Es ist also aus der Sicht der CDU-Fraktion richtig, dass die Bundesanstalt für Arbeit ihre Ausgaben überprüft, um das langfristige Ziel, den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung zu senken, auch zu erreichen.

Meine Damen und Herren, besonders in der beruflichen Weiterbildung bestand in der Vergangenheit viel Wildwuchs und die Arbeitslosen wurden oftmals völlig unnützen Maßnahmen unterworfen. Insgesamt ist es also richtig, dass die Anbieter solcher Maßnahmen nun strengeren Erfolgskontrollen und Anforderungen unterworfen werden. Die Neuausrichtung der Geschäftspolitik der Bundesanstalt für Arbeit folgt dem Grundsatz: Wir sind den Beitragszahlern, also den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, verpflichtet! Daher halte ich die ersatzlose Abkehr von der Verbleibsquote von 70 Prozent für falsch!

Die Arbeitsämter wurden in der Vergangenheit für ihre Förderpolitik in puncto berufliche Weiterbildung immer wieder gescholten. Zu Jahresbeginn wurde der Bildungsgutschein mit einer festen Zielvereinbarung durch die Zertifizierungsverpflichtung von Bildungsträgern und Bildungsmaßnahmen eingeführt. Und da sind wir wieder bei dem Hin und Her Ihrer Politik, denn was im Januar noch richtig war, ist jetzt im Mai schon wieder für die Katz. Und im Übrigen, Ihr jetziges Zurückrudern

(Regine Lück, PDS: Wir rudern nicht zurück, Frau Strenz!)

lässt wie angekündigt spannende Debatten zur Agenda 2010 erwarten, wenn die Gesetzesvorschläge dann auf dem Tisch liegen.

(Regine Lück, PDS: Wir rudern nicht zurück, Frau Strenz.)

Wohin soll uns die von Ihnen eingeforderte ziellose Förderpolitik im Rahmen der Weiterbildung denn führen? Soll

der Maurer wieder zum Tischler und der Tischler wieder zum Maurer umgeschult werden oder die x-te Floristin über den Bedarf hinaus ausgebildet werden? Ich denke, nein! Ich glaube, Sie sehen es auch so!

(Beifall Reinhardt Thomas, CDU)

Im Übrigen ist der Bezug auf Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit im vorliegenden Antrag nicht korrekt. Es mag sein, dass der abrupte Übergang oder auch Paradigmenwechsel in Einzelfällen negativ bewertet wird, aber ein Übergang zur Förderung von Motivierten wird als Schritt nach vorne gesehen, denn es heißt „Bundesanstalt für Arbeit“ und nicht „Bundesanstalt für alles“!

Erst kürzlich waren wir mit unserem Arbeitskreis vor Ort im Arbeitsamt in Rostock. Und die Zahlen, die Sie in Ihrem Antrag vorgelegt haben, sind durchaus richtig. Die Verbleibquote liegt nach Bildungsmaßnahmen bei circa 48 Prozent.

Meine Damen und Herren, es kommt aber schlimmer, denn die Eingliederungsquote liegt bei nur 20 Prozent. Das bedeutet, dass nur 20 Prozent der Weitergebildeten eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt finden. Das heißt aber auch, dass 80 Prozent der Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ineffizient verwandt worden sind. Vor Ort wurde uns bestätigt, dass die Einführung des Bildungsgutscheines ein Schritt in die richtige Richtung war, denn so werden die Arbeitslosen nicht mehr wie früher zwangsweise in Maßnahmen eingewiesen und so werden nicht mehr wie früher gigantische Summen an Beitragsmitteln verschwenderisch ausgegeben. Im Übrigen heißt die Quote von 70 Prozent nicht – Frau Lück, das geht an Ihre Person, weil das, was Sie vorhin sagten, stimmt einfach nicht –, dass ein differenziertes Vorgehen in den Ämtern ausgeschlossen ist. Einzelfallförderungen sind durchaus an der Tagesordnung und das sagt man ihnen in jedem Arbeitsamt. Es wird also nicht alles platt gemacht, was in der Vergangenheit gefördert wurde.

(Regine Lück, PDS: Das habe ich auch so nicht formuliert!)

Im Zuge eines Mehr an Eigenverantwortung wird von den zu fördernden Personen lediglich eine plausible Erklärung von gewünschten Maßnahmen eingefordert, nicht mehr und nicht weniger.

Meine Damen und Herren, wir kommen also an einem generellen Umdenken nicht vorbei. Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung waren und sind leider selten eine Brücke in die reguläre Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt. Und genau das ist es doch, was uns hier in Mecklenburg-Vorpommern fehlt – Arbeitsplätze, in deren Richtung wir aus- und weiterbilden könnten, um die Überschrift „Aktive Arbeitsmarktpolitik“ überhaupt zu rechtfertigen. Also frage ich Sie: Welche Verbleibsquote halten Sie für angemessen? Denn aus Ihrem Vortrag und aus der Aussprache bislang ging dies nicht hervor. Und sprechen wir dann noch von aktiver Arbeitsmarktpolitik oder eher von Sozialpolitik?

Eines ist klar: Wir alle wissen, dass wir besonders in den neuen Bundesländern in Regionen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit spezielle Regelungen brauchen. Nur, dann nennen wir sie doch auch beim Namen, geben ihnen ein klares Ziel und gestalten sie, wie oft diskutiert, steuerfinanziert aus! Da gehe ich mit Herrn Dankert gar nicht so weit auseinander, denn Sie hatten ganz

spezielle Punkte, die ich für richtig halte. Aber dann müssen wir es im Ansatz auch vernünftig umsetzen, denn es muss sich in den Anträgen widerspiegeln, dass sie nicht nur aus parteipolitischen Gründen abgeschmettert oder durchgesetzt werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Vincent Kokert, CDU: Genau!)

Geben wir ihnen ein klares Ziel, gestalten wir sie aus, wie schon so oft diskutiert, und zwar steuerfinanziert, denn nur so schaffen wir eindeutige Konzepte für den Osten. Wir nehmen dann nicht den langen Umweg über den Bundeszuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit.

Meine Damen und Herren, wir brauchen echte Reformen, um die hohen Lohnnebenkosten zu senken, damit unsere Unternehmer hier im Lande konkurrenzfähig werden. Nur wenn die Wirtschaft wieder optimistisch in die Zukunft blickt, wird sie genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stellen können. Nur dann! Daher lehnen wir den vorliegenden Antrag, der einen eindeutigen Schritt zurück darstellt, ab!

Ich möchte aber abschließend noch einmal wiederholen, dass man Sonderregelungen Ost durchaus mit Ja beantworten kann, aber nur mit eindeutigen Konzepten und mit messbaren arbeitsmarktpolitischen Effekten. Ansonsten lassen Sie uns lieber über eine steuerfinanzierte Sozialpolitik diskutieren – auch das wäre ein Ansatz –, denn angesichts der dramatischen Arbeitsmarktsituation in unserem Land und der anhaltenden Ohnmacht der Bundesregierung sind weitere Vorschläge zur Verbesserung der Situation in Ostdeutschland und besonders hier in Mecklenburg-Vorpommern wichtig.

ABM, SAM und auch die berufliche Weiterbildung haben sich auf die Entstehung von privatwirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen bislang nicht sonderlich förderlich ausgewirkt. Dennoch sind sie nach wie vor unverzichtbar. Bei ihrer Ausgestaltung ist jedoch stärker als bisher darauf zu achten, dass sie sich nicht als staatlich geförderte Konkurrenz zum eigentlichen Arbeitsmarkt entwickeln und durch Ineffizienz und Ineffektivität die Spirale der Lohnnebenkosten weiter nach oben drängen. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Strenz.

Als Nächster hat ums Wort gebeten der Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung. Bitte schön, Herr Minister Holter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Fragen, die kann man nicht eindeutig mit Ja und mit Nein beantworten. So wurde ich vorhin von einem Journalisten gefragt, ob es denn Sinn mache, dass Jugendliche sich in 3-Monats-Maßnahmen befinden, nach drei Monaten dann der Umschlag erfolgt und neue Jugendliche aufgenommen werden. Sollte ich die Frage nun mit Nein beantworten oder mit Ja? Das ist eben solch eine Frage, die nicht eindeutig zu beantworten ist. Natürlich macht es Sinn, auch arbeitslose Jugendliche drei Monate in solchen Maßnahmen zu beschäftigen, aber unsinnig ist es, diesen schnellen Umschlag zu realisieren. Und deswegen will ich durchaus an das anknüpfen, was Frau Strenz eben ausführte, ein grundsätzliches Wort zur aktiven Arbeitsmarktpolitik sagen.

Wenn wir uns erinnern, in den letzten zwölf Jahren galt die aktive Arbeitsmarkpolitik immer als aktiver und unverzichtbarer Begleiter des strukturellen Wandels gerade hier in Ostdeutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern, egal, ob wir eine CDU-geführte Regierung oder eine SPD-geführte Regierung hatten. Es wäre nach meiner Auffassung in Ostdeutschland zum sozialen Kollaps gekommen, hätte es nicht diese aktive Arbeitsmarktpolitik gegeben, die vielen eine Chance gegeben hat.

(Beifall Regine Lück, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Nun kann man das als Strukturfehler bezeichnen und auch so betrachten. Aber Fakt ist eins, dass viele Menschen – Frauen und Männer, Ältere und Jüngere – in Ostdeutschland genau mit dieser aktiven Arbeitsmarkpolitik gute Erfahrungen gemacht haben und dies auch für sie die Motivation war, sich in diesen Prozess der Einheit Deutschlands einzubringen.

Arbeitsmarktförderung und Nutzen für Wirtschaft und Region sind kein Widerspruch. Es ging doch immer darum, das Potential des Einzelnen zu fördern, seine Qualifikation zu erhalten oder auch zu erhöhen, damit tatsächlich eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt gebaut wird. Nun haben wir hier in der Tat schon sehr viel – mich hat Ihre Rede heute sehr gefreut, Frau Strenz – über Analysen und Einschätzungen gesprochen,

(Karin Strenz, CDU: Das war ein Geburtstagsgeschenk.)

das will ich alles nicht tun, sondern ich will auch darüber sprechen, was denn eigentlich notwendig wäre, damit diese Brücke tatsächlich aufgebaut werden kann. Ich meine, dass wir in der Vergangenheit sehr wohl die aktive Arbeitsmarktpolitik in die örtliche Wirtschaft eingebunden haben, das sollte auch moderne Arbeitsmarktpolitik kennzeichnen und nicht ein Nebenher neben wirtschaftlichen Prozessen. Ich glaube, bei der Einschätzung gibt es bei uns allen Übereinstimmung. Wichtig ist, dass diese Maßnahmen, die aufgelegt werden, auch tatsächlich diesem Ziel dienen.

Gestern und auch heute tagen die Arbeitsamtdirektoren aus Deutschland hier in Schwerin. Das ist nicht wesentlich bekannt, aber ich weiß es. Auch Florian Gerster befindet sich hier mit seinem Vorstand in der Landeshauptstadt. Ich hoffe, dass das, was wir heute hier debattieren, auch bei ihnen ankommt, damit also deutlich wird, dass wir sehr wohl Vorstellungen haben über das, was im Osten anders gemacht werden kann.

Ich halte es in diesem Zusammenhang für kontraproduktiv, den Bundeshaushalt und den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit auf Kosten aktiver Arbeitsmarktpolitik sanieren zu wollen, über die Zahlen ist schon gesprochen worden. Nun stehen über den Haushalt der Bundesanstalt 124 Millionen weniger zur Verfügung. Und wenn dann noch aus dem Eingliederungstitel sowohl Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als auch Strukturanpassungsmaßnahmen als auch die Personal-Service-Agenturen finanziert werden sollen, kann jeder diese Milchmädchenrechnung aufmachen, dass mit weniger Geld mehr Maßnahmen zu finanzieren sind. Welche Folgen das hat, das ist uns allen hinlänglich bekannt.