Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

(Wolfgang Riemann, CDU: Kopfnoten.)

Weiterhin werden Rechtsfragen des Alltags verpflichtend in den Unterricht eingearbeitet wie das Kaufrecht. Das ist ja so eine schöne Geschichte mit der Verschuldung von Handys, wir wissen alle, dass man da erzieherisch einwirken muss. Es geht bis hin zu allgemeinen Geschäftsbedingungen, es geht um Reisevertragsrecht und so weiter. Alle Vorschriften werden in Auszügen behandelt und es gibt auch eine Fallbearbeitung. Ich denke mal, das dürfte sich doch absolut mit dem, was Sie gerne möchten, treffen. Darum verweise ich zur Ergänzung gleich noch mal auf den AWT-Bereich. Im AWT-Bereich – Arbeit, Wirtschaft, Technik –, diesen haben Sie vorhin selbst angesprochen, wird das Rechtsproblem in dieser speziellen Richtung auch aufgenommen. Es geht in diesem Bereich beispielsweise auch um Arbeitsverträge, die man für eine Lehre abschließt, es geht hin bis zum Steuerrecht. Schüler sollen im Unterricht sogar mal einen Jahressteuerausgleich probieren, wobei das natürlich in der Praxis sicherlich ganz, ganz schwierig ist, wie jeder Erwachsene, der sich damit schon abgeplagt hat, weiß.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: 1.000 Seiten umfasst das Steuerrecht.)

Dazu haben ja wohl auch alle beigetragen, damit das auf dieser Strecke immer interessanter wird. Sie merken also, Ihre Intention ist bereits erfüllt. Ich freue mich, dass Sie das auch so sehen, dann können wir auf dieser Strecke eigentlich wunderbar weitermachen.

Nun zu Ihrem zweiten Punkt: Sie möchten, dass dieser Unterricht durch Juristen oder durch Lehrer gestaltet wird, die eine spezielle Zusatzausbildung im Rechtsbereich haben. Ich fange mal mit dem Letzteren an.

Der Minister hat ausgeführt, dass wir gerade diese Weiterbildung – wenn sie natürlich schon in den Rahmenrichtlinien und in den Inhalten des Unterrichtes vorkommt – n i cht so ausrichten können, dass Sozialkundelehrer mit null Ahnung von Paragraphen in diese schwierigen Gewässer geworfen werden. Ich kann einfach nur aus persönlicher Erfahrung von Bekannten sagen, dass es eine sehr anspruchsvolle Fortbildung für Sozialkundelehrer ist, da der ganze Rechtsraum sehr viel Platz einnimmt und, unter uns gesagt, den armen Lehrern auch am meisten von allen Problemen zu schaffen macht. Aber da kämpfen sie sich durch. Ich denke, wer sich einmal gerade als Nichtjurist durch manchen Gesetzesdschungel gekämpft hat, der versteht ihn auch zu vermitteln, denn die Grundvoraussetzung ist, dass man selbst einen Sachverhalt verstanden hat. Ich kann sagen, dass wäre also auch erfüllt, wir brauchen es nicht mehr.

Kommen wir nun einmal zu dem einzig neuen Problem. Sie möchten gerne Juristen im Unterricht haben. Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie das mündlich

zurückgenommen haben, dass es Ihnen gar nicht darum geht, Lehrer im Unterricht zu ersetzen, sondern das Ganze als unterrichtsergänzendes und bereicherndes Projekt gestalten wollen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Genau!)

Wissen Sie, mündlich kann ich dazu nur sagen, es ist eine ganz prima Idee, wenn es vergleichsweise eine Initiative gibt, vielleicht auch aus dem Justizministerium, könnte ich mir vorstellen, dass es auch so eine Art Projektangebot gibt wie: Juristen in die Schulen! Ein Jugendrichter, der den Kindern sicherlich etwas Interessantes aus seinem Berufsalltag zu erzählen hat, der tut damit etwas anders, als in Ihrem Antrag formuliert ist. Darauf möchte ich noch einmal verweisen. Ich hatte ja aufgrund Ihres Antrages eine etwas andere Rede im Kopf,

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU)

die so in etwa hieß, wenn wir jetzt die Lehrer nicht mehr für Rechtskunde brauchen, dass da die Juristen reinmüssen, dekliniere ich das mal weiter: Wer ist qualifiziert genug, beispielsweise Umwelterziehung zu machen? Muss der im StAUN gearbeitet haben oder sechs Jahre Mitglied des BUND gewesen sein? Wie sieht es denn aus, wenn wir unbedingt die Fachleute für Gesundheitserziehung brauchen,

(Minister Dr. Gottfried Timm: Kriminalitätsbe- kämpfung. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

gehört da eine Doktorarbeit dazu? Das ist jetzt so eine interessante Sache, was muss man können, um Verkehrserziehung zu bewältigen? Ich meine jetzt den Straßenverkehr, zum anderen komme ich noch einmal. Das kann man ja auch mal fragen, denn sexuelle Aufklärung haben die Schüler auch in der Schule. Tja, was braucht man für eine Qualifikation?

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Beate Uhse im Unterricht!?)

Also noch einmal: Ich habe es ja selbst spaßeshalber gesagt, dass wir uns völlig einig sind, dass die Lehrer willens und in der Lage sind, egal welchen Unterrichtsstoff sie sich erarbeiten, ihn auch glaubwürdig vermitteln zu können. Und über die Frage, warum denn bei manchen so wenig ankommt, wie Sie es ja gerade anhand Ihrer Besuchergruppe dargelegt haben, denke ich, das kann man mit drei Sätzen nicht beantworten. Aber es hat nichts damit zu tun, dass diese Unterrichtsinhalte nicht qualifiziert vermittelt werden.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Wir wissen aber auch, dass es vom Absender bis zum Empfänger immer noch ein langer Weg ist. Ob ein Schüler motiviert solche Kenntnisse aufnimmt, ist nicht unbedingt in einem ganz kausalen Zusammenhang mit der Qualifikation …

(Angelika Gramkow, PDS: Beim Taschengeld funktioniert das bei uns zu Hause nicht. Komisch.)

Jaja, so ist es eben. Wie nennt man das? Das ist in diesen Fällen natürlich auch der Widerspruch zwischen Theorie und Praxis.

Ich möchte nun ganz gerne zum Ende kommen. Sie merken schon, wir haben in dieser Sache keinen Dissens.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Aber zu Ihrem Antrag muss ich mich einfach verhalten und das heißt: Der erste Punkt ist bereits erledigt, den brauchen wir nicht mehr. Der zweite Punkt ist zu einem Teil erledigt, da heißt es nämlich, dass die Sozialkundelehrer diese Ausbildung brauchen. Und der andere Teil – Unterricht wird durch Juristen erteilt –, den habe ich jetzt charmant versucht abzulehnen, weil ich der Meinung bin, dass der Unterricht durch Lehrer gemacht wird. Wir holen uns das Fachwissen zusätzlich herein und wir nutzen die Möglichkeiten. Im Übrigen tun das engagierte Schulen heute schon. Gucken Sie doch mal, wie oft Schulklassen in den Gerichten sind. Das hat auch etwas damit zu tun, dass man Jugendlichen Rechtswirklichkeit vermittelt.

Ich denke, das ist der richtige Ansatz, was aber nicht heißen soll, dass man jetzt ungeachtet dieses Antrages sagen soll: Da legen wir noch eine Kohle auf, da können wir noch etwas verbessern. Projekte sind in dem Sinne eine ganz interessante Geschichte. Ich glaube gar nicht, dass wir in der Sache weiterkommen, wenn wir den Antrag überweisen. Vielleicht überlegen wir noch einmal gemeinsam, wie kommen wir der Projektgeschichte näher, denn auch die Möwe Klara hat eine Geschichte bis zu ihrer Entstehung gehabt,

(Wolfgang Riemann, CDU: Wer ist die Möwe Klara?)

und wenn das in dem Falle erfolgen würde, könnten wir glatt einen fraktionsübergreifenden Antrag hinbekommen. Einfach aus Geschäftsordnungsgründen Ihren vorliegenden Antrag so zu ändern, dass er geschäftsordnungsmäßig noch zulässig ist, weil wir jetzt in eine andere Richtung kommen, das gelingt mir leider nicht. In dem Sinne gestatten Sie mir bitte, dass ich namens meiner Fraktion Ihren Antrag ablehne.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Frau Polzin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ankermann von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Wolfgang Riemann, CDU: Ein Plädoyer für unseren Antrag.)

Es ist ja eine erstaunliche Wahrheit, erstaunlich eigentlich nicht, eine besondere und vielleicht auch ein schöne Wahrheit, dass Angehörige der Regierung hier von dieser Stelle aus Wahrheiten dem Plenum vermitteln. Der Kollege Dr. Born hat eben die Worte des ersten Ministerpräsidenten Gomolka vorgetragen und ich erinnere mich an die letzte Sitzung, die wir hier hatten, als der Wirtschaftsminister eine von ihm neu gewonnene Erkenntnis verkündete. Er hatte erkannt, dass Zitronenfalter keine Zitronen falten. Das fand ich schon beeindruckend.

(Holger Friedrich, SPD: Richtig. Genau.)

Der Justizminister hat an dieser Stelle gesagt: Ja, meine Damen und Herren, es ist ja auch nicht so, dass der Justizminister Rechtskunde unterrichtet. Auch das ist eine wahre Aussage, obwohl der Justizminister hier offensichtlich einem Lapsus Linguae unterlag, denn Rechtskunde, wie wir wissen, wird ja in diesem Sinne an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht unterrichtet. Das ist

bedauerlich, denn wir haben einen Auftrag in unserem Schulgesetz.

(Andreas Bluhm, PDS: Da haben Sie aber eben nicht zugehört, Herr Ankermann.)

Im Schulgesetz heißt es im Paragraphen 2 Absatz 2 sinngemäß – Sie finden das auf der Rückseite des Antrages abgedruckt –, ich verkürze entsprechend, um Sie nicht zu l a n g w e i l e n : Die Schule soll die Entfaltung der Persönlichkeit und die Selbständigkeit so fördern, dass die Schüler befähigt werden, aktiv und verantwortungsvoll am sozialen, wirtschaften, kulturellen und politischen Leben teilzuhaben. Das ist der Schulauftrag! Ob dieser Auftrag dadurch erreicht werden kann, dass ein so komplizierter Bereich wie die Rechtsmaterie einzig und allein im Sozialkundeunterricht in einer bestimmten marginalen Stundenzahl von Sozialkundelehrern unterrichtet wird, das erscheint doch zumindest zweifelhaft, wenn man berücksichtigt, dass Juristen hierfür ein relativ langes und relativ intensives Studium brauchen, um diese Materie zu begreifen, sogar versehen mit zwei nicht ganz einfachen Staatsexamina.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU – Andreas Bluhm, PDS: Das geht Lehrern aber auch so! – Glocke der Vizepräsidentin)

Das Ziel des Antrages, der eigentlich seinen Ursprung darin gefunden hat, dass wir im Richterrat des Amtsgerichtes und Landgerichtes Schwerin erfahren haben, dass man sich an Schulen gewandt hat, weil man erkannt hat, dass es hier Bildungslücken gibt und man gesagt hat, wir könnten ja möglicherweise mal Richter und Staatsanwälte und möglicherweise auch Rechtsanwälte in die Schulklassen entsenden, um hier einen Einblick in diese Rechtsmaterie zu geben, das Ziel des Antrages ist die Umsetzung dieses Auftrages des Schulgesetzes, das wir ja selbst in den einzelnen Klassen so gestaltet haben, und zwar flächendeckend für jeden Schüler ab Klasse 9 darzustellen. Und ich finde es im Hinblick auf PISA eigentlich schade, dass ich, nach dem, was Sie, Frau Polzin, eben gesagt haben, den Eindruck haben muss, dass Sie sich in diesem Punkt mehr vor die Lehrer stellen, weil Sie meinen, dass denen etwas weggenommen würde, als hinter die Schüler.

(Heike Polzin, SPD: Ich stelle mich immer vor die Lehrer! Das sollte man mal ganz objektiv diskutieren.)

Wir haben in unserem Land wirklich wenig Ressourcen. Aber eine Ressource haben wir ganz bestimmt, das sind die jungen Menschen in unserem Lande. Wir sollten uns doch große Mühe geben,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

aus dieser Ressource und aus dieser Chance, die wir haben, etwas ganz Besonderes, etwas ganz Bedeutsames zu machen, nicht durch Juristen, sondern durch juristische Ausbildung. Sie wissen doch selbst, Herr Kollege, wenn ein Schüler die Schule verlässt, muss er noch nicht volljährig sein, aber trotzdem kommt er mit diesem Schritt in das Rechtsleben hinein. Und das Bürgerliche Gesetzbuch sagt, Sie kennen das möglicherweise, in den Paragraphen 104 fortfolgende, dass auch schon Jugendliche, die noch nicht 18 sind, beispielsweise rechtlich wirksame Geschäfte abschließen können.

(Angelika Gramkow, PDS: Na den Paragraphen kennen sie alle!)

Das ist prima!

Warum sollten wir die Jugendlichen denn nicht auf dieses Leben vorbereiten?

(Angelika Gramkow, PDS: Das tun wir doch!)

Und das nicht nur im zivilrechtlichen Bereich, sondern natürlich auch im strafrechtlichen und auch im öffentlichrechtlichen Bereich.

(Angelika Gramkow, PDS: Mein Sohn hat den Unterricht! Ich weiß nicht, wo Ihr Kind zur Schule geht!)

Sie wissen alle, dass ab dem 14. Lebensjahr die Strafmündigkeit eintritt, und insofern sind die Schüler auch 14, 15 Jahre, wenn sie die Klasse 9 erreichen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brodkorb?