Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Trotzdem, darauf möchte ich auch hinweisen, möchte ein nicht geringer Teil nicht in der Wohnung bleiben. Sie suchen nach wie vor Schutz und Hilfe in Frauenhäusern. Diese Frauen befürchten eine Verschlechterung ihrer Situation und nach einer Wegweisung haben sie weiterhin Angst vor dem Täter. Die Frauen, die den Schutz im Frauenhaus suchen, tun dies in vielen Fällen von sich aus, meistens ohne Inanspruchnahme der Polizei. Oftmals haben sie diesen Schritt länger geplant und vorbereitet und kommen nicht aus der akuten Situation heraus in das

Frauenhaus. In Mecklenburg-Vorpommern suchten allein im Jahre 2002 nahezu 1.000 Frauen und Kinder Schutz in Frauenhäusern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss deshalb allen widersprechen, die meinen, Frauenhäuser seien demnächst überflüssig. Das wird noch lange nicht so sein, leider. Wir brauchen eine geschlossene Interventionskette, bestehend aus Interventionsstellen, Frauenhäusern, Beratungsstellen gegen sexualisierte Gewalt und häusliche Gewalt. Und diese müssen in unserem Flächenland so verteilt sein, dass diese auch von den Opfern erreichbar sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Land hat trotz der prekären Haushaltslage in den vergangenen Jahren ständig mehr Mittel, jährlich zwischen 1,5 und 1,6 Millionen Euro, zur Bekämpfung häuslicher Gewalt zur Verfügung gestellt. Damit wird deutlich, dass dieses Thema sowohl in der Landesregierung als auch im Landtag eine hohe Priorität hat. Ich danke an dieser Stelle allen, die uns hierbei unterstützt haben, dem Finanzministerium, aber vor allem auch den Kolleginnen und Kollegen im Finanzausschuss und im Sozialausschuss.

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen akzeptieren, dass die Entwicklung auch in diesem Bereich nicht stehen geblieben ist. Im Mittelpunkt muss für uns der individuelle Hilfebedarf für die Opfer stehen. Und hierfür brauchen wir die Vielfalt der Hilfeangebote, die Interventionsstellen, die ambulanten Beratungsstellen, aber auch die Frauenhäuser. Nicht jede Frau will in ein Frauenhaus, sie braucht eventuell ambulante Beratung, andere wiederum benötigen den Schutz des Frauenhauses. Deshalb ist es mein Ziel, die verschiedenen Hilfeangebote auch weiterhin in der Fläche vorzuhalten. Das geht aber nur über noch stärkere Vernetzung und Kooperation.

(Beifall Torsten Koplin, PDS, und Regine Lück, PDS)

Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Trägern und kommunalen Gebietskörperschaften sowie den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten haben wir in einigen Regionen mit Blick auf den individuellen Hilfebedarf erste Schritte zur stärkeren Vernetzung vollzogen. Das dürfte im Interesse der Opfer der richtige Weg für eine zukunftsfähige Struktur sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Kindesalter erlebte und miterlebte Gewalt, emotionale Vernachlässigung, insbesondere im häuslichen Bereich, ist nach gesicherten kriminologischen Erkenntnissen verhaltensprägend für das spätere Leben und häufig Auslöser für spätere Jugend- und Erwachsenenkriminalität. Der Schutz vor Gewalt, insbesondere in der frühen Kindheit, ist die wichtigste Prävention. Durch konsequente Maßnahmen der Polizei in Fällen der häuslichen Gewalt gegen den Verursacher wird Kindern und Jugendlichen, die häusliche Gewalt miterleben, anschaulich vermittelt, dass der Gewalttäter und nicht das Opfer entsprechende Konsequenzen zu tragen hat. In unserem Land setzt die Polizei dies im Rahmen ihrer Gefahrenabwehr um.

Die Verknüpfung von strafrechtlichen Sanktionen und Wegweisung ist ein entscheidender Meilenstein. In allen vier Staatsanwaltschaften des Landes sind Sonderzuständigkeiten für häusliche Gewalt eingerichtet worden. Seit diesem Jahr wird auch bei allen Staatsanwaltschaften und Familiengerichten eine Statistik zu häuslicher Gewalt

und zum Gewaltschutzgesetz geführt. Ich denke, spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass die Umsetzung unseres Konzeptes nur in engem Schulterschluss zwischen Justizministerium, Innenministerium und Frauenund Gleichstellungsbeauftragter erfolgen kann. Ich möchte sowohl dem Innenminister als auch dem Justizminister mit den jeweils zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die konstruktive und flexible Zusammenarbeit danken.

Insgesamt hat sich in Mecklenburg-Vorpommern eine sehr gute Kooperation zwischen allen Beteiligten, den Interventionsstellen, der Polizei, den zuständigen Beratungsstellen, der Täterarbeit und den Frauenhäusern, der Staatsanwaltschaften und den Gerichten entwickelt. Für die Täter stehen derzeit drei Beratungsstellen zur Verfügung. Dort können Männer, die Gewalt gegen Frauen und Kinder ausgeübt haben, sich selbst melden und um Beratung bitten. Diese Beratungsstellen sind aber auch für jene Männer gedacht, die von den Staatsanwaltschaften die Bewährungsauflage bekommen haben, einen Täterkurs zu absolvieren. Das Konzept der Männerberatungsstellen ist allen Staatsanwaltschaften bekannt.

Der Landesaktionsplan beinhaltet zudem auch verstärkte Fortbildung betroffener Berufsgruppen in diesem Bereich. Im Bildungsinstitut der Polizei werden kontinuierlich Polizeibeamte auf diesem Gebiet geschult. Die Hochschule für öffentliches Recht und Verwaltung bietet Fortbildungen für Jugend-, Sozial- und Gesundheitsämter, Ausländerbehörden und soziale Einrichtungen an. Diese Angebote sind in diesem Jahr für Angehörige im Gesundheits- und Bildungswesen erweitert worden. Gemeinsam werden Justizminister Sellering und ich in der nächsten Woche eine Fachtagung für Richterinnen und Richter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte durchführen.

Der Landesrat für Kriminalitätsprävention hat eine Sonderausgabe des Informationsblattes „impulse“ zum Thema „Häusliche Gewalt“ als Handlungsempfehlung für die kommunale Präventionsarbeit in Mecklenburg-Vorpommern herausgegeben. Diese Handlungsempfehlung richtet sich sowohl an haupt- als auch an ehrenamtlich in diesem Bereich Tätige. Das Landesjugendamt fördert zudem Projekte zur Stärkung des Selbstbildes von Mädchen in Kindereinrichtungen und Schulen und Projekte in der Jugendarbeit, in denen tradierte Rollenbilder hinterfragt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mit den Wünschen zweier Frauen nach opferbezogener Hilfe in Fällen häuslicher Gewalt begonnen. Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, dass die Opfer die notwendige Hilfe erhalten. Doch erst mit der Umsetzung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder sind Voraussetzungen geschaffen worden, um diese berechtigten Wünsche der Frauen erfüllen zu können. Der Aktionsplan ist weitgehend umgesetzt worden. Es gilt nun, ihn fortzuschreiben und zu konkretisieren. Mit den geschaffenen Voraussetzungen ist nun der Weg frei für weitere Überlegungen zur Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen überhaupt. Es ist notwendig, differenzierte und geschlechtsspezifische Präventionsangebote für Kinder, Jugendliche und Frauen, die häusliche Gewalt erlebt haben, zu erarbeiten und anzubieten. Nur so wird langfristig eine Eindämmung der häuslichen Gewalt bewirkt. Ein weiterer Schwerpunkt muss die Sensibilisierung von Ärzten und medizinischem Fachpersonal für dieses Thema sein. Auch um Migrantinnen und

den Frauenhandel muss es bei der weiteren Bearbeitung dieser Problematik gehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Mecklenburg-Vorpommern braucht sich hinsichtlich der Bekämpfung häuslicher Gewalt nicht zu verstecken. Auch das, denke ich, haben meine Ausführungen deutlich gemacht, wir haben auch in Zukunft auf diesem Gebiet eine Menge zu tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Torsten Koplin, PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Seemann.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schlupp von der CDU-Fraktion.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Henning von Storch, CDU: Das ist wohl zu früh. – Wolfgang Riemann, CDU: Vorschusslorbeeren kann man doch mal geben.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie, meine Damen und Herren von SPD und PDS, beantragen einen Bericht über den Stand der Umsetzung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder. Ich frage mich allerdings: War das eben der Bericht oder wollen Sie einen Bericht haben? So richtig weiß ich jetzt nicht, wie ich mit Ihrem Antrag umgehen soll.

(Reinhard Dankert, SPD: Warten Sie mal ab! – Dr. Margret Seemann, SPD: Warten Sie es mal ab! – Heiterkeit bei Lorenz Caffier, CDU)

Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass es ein Berichtsantrag sein soll, deshalb drängen sich mir unwillkürlich zwei Fragen auf.

(Lorenz Caffier, CDU: Sie redet noch mal.)

Zum Ersten: Warum reicht Ihnen eine Kleine Anfrage nicht aus, um die gewünschten Informationen zu erhalten? Mit der Bedeutung des Themas zu argumentieren greift in diesem Fall nicht, denn die Antwort der Landesregierung würde genügend Material für ernsthafte Anträge liefern. Ich denke zum Beispiel an die angedachte Beratungsstelle für Prostituierte und Opfer von Frauenhandel, die meiner Kenntnis nach keine Umsetzung erfahren hat.

Zum Zweiten frage ich mich: Warum kommt dieser Antrag gerade jetzt? Es ist noch keine drei Monate her, da haben wir uns mit dem Nachtragshaushalt der Landesregierung befasst. Selbst nach langen Debatten wurden die Mittel für Frauenhäuser und Frauenprojekte statt der ursprünglich geplanten 141.300 Euro um 11.300 Euro gekürzt, und dies ohne Kenntnis der konkreten Daten des jetzt von Ihnen eingeforderten Berichts.

Beachtenswert finde ich im Zusammenhang mit den Kürzungen auch, dass Sie, Frau Dr. Seemann, in der Debatte vom 13. April 2000 das Motto einer Ausstellung der Landesarbeitsgemeinschaft Frauenhäuser zitierten, das da lautete: „Frauenhaus als Schutzraum vor körperlicher und seelischer Gewalt“, um die Bedeutung der Frauenhäuser zu illustrieren.

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren von der PDS und SPD, wir dürfen Ihren heutigen Antrag also so verstehen, dass Sie bereit sind, die Schlussfolgerungen aus dem Bericht in aller Konsequenz umzusetzen, auch wenn diese Konsequenzen etwas kosten? Hierzu erwarten wir hier und heute eine klare Aussage, denn eine Befassung um der Befassung willen lehnen wir ab.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

In Vorbereitung auf die heutige Sitzung habe ich mir das Protokoll der Debatte vom 13. April 2000 zum Landesaktionsplan – ich hatte ja bereits eine Passage erwähnt – zu Gemüte geführt und kann mir einige Bemerkungen nicht verkneifen. Mein ganz spontaner Eindruck war, dass es schon erstaunlich ist, was manche Frauen anderen Frauen so an den Kopf werfen. Wenn dies dann auch noch bei einem Antrag passiert, der die Situation von Frauen verbessern soll, schadet es der Sache selbst.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielleicht wäre ja ein Aktionsplan zur Bekämpfung von Verbalattacken hilfreich.

(Heike Polzin, SPD: Und nicht nur von Frau zu Frau.)

Ich hoffe allerdings, es geht auch ohne, denn an mir wird es bestimmt auch nicht liegen.

(Zuruf von Erwin Sellering, SPD)

Aufgefallen ist mir auch die Unwilligkeit der Rednerinnen von SPD und PDS, sich des Themas „Gewalt gegen Männer“ anzunehmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Dass das zumindest auf Bundesebene von der SPD inzwischen anders gesehen wird, beweist die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Pilotstudie zu diesem Thema.

(Detlef Müller, SPD: Das fehlte noch!)

Ich denke, das ist gut so, denn nur wenn man bereit ist, sich mit allen Aspekten von Gewalt auseinander zu setzen, erreicht man die Akzeptanz in der Bevölkerung, die nötig ist, um dauerhafte Verbesserungen jenseits staatlicher Reglementierungen zu bewirken.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn ich mir nun die Unterrichtung durch die Landesregierung zum Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vom 20.09.2001 ansehe, fehlt mir die nötige Ausgewogenheit. Während viele Punkte sehr kurz abgehandelt werden, füllen fünf Länderstudien zu den Folgekosten häuslicher Gewalt – für Deutschland fehlt übrigens eine solche Studie, was zweimal erwähnt werden musste – eine halbe Seite. Hier wünsche ich mir Verbesserungen.

Da uns, wie bereits am Anfang ausgeführt und begründet, ein Bericht zum Landesaktionsplan in Form einer Kleinen Anfrage gereicht hätte, möchte ich entsprechend meine Redezeit nicht über Gebühr beanspruchen und zum Schluss den Antrag als solchen für die Fraktion der CDU bewerten. Wenn wir auch einen entsprechenden Bericht für gut und richtig halten, so doch nicht die Begründung. Meine Oma hätte gesagt: „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.“

(Wolfgang Riemann, CDU: Bravo! Eine weise Oma, eine weise Oma. – Heiterkeit und Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Auch die zugegebenermaßen vorsichtige Formulierung: „gute Ansätze dieser Politik“ sollte warten, bis der Bericht auf dem Tisch liegt, denn gute Politik macht man nicht mit schönen Worten, sondern mit Taten.

(Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Und nur daran sollten wir uns alle messen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Schlupp.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schmidt von der PDS-Fraktion.