Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Sehr geehrter Herr Kollege, Sie wissen, dass ich kommunal sehr gut verankert bin. Und Sie wissen, dass dieser Antrag von der Basis kommt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau, richtig.)

Und Sie wissen, dass wir uns informiert haben, denn der Antrag hat einen Weg erfahren. Es ist ja nicht mehr der Ursprungsantrag,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

wenn Ihnen das nicht aufgefallen ist. Und, Herr Professor Metelmann, es tut mir ja Leid, dass Sie den Innenminister vertreten, der nur den Ursprungsantrag hatte

(Gabriele Schulz, PDS: Aber Sie müssen auf die Frage antworten und nicht mit dem Minister korrespondieren.)

und deshalb auch nicht mehr darauf reagieren konnte.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Insofern sind Sie zu einem Fehleinsatz gefahren.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Dieser Antrag hat aber eine Veränderung erfahren, die es ermöglicht, nicht bestimmt, die es ermöglicht. Die Landesregierung kann ja das Gesetz so ausgestalten,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ein Stück Freiheit.)

dass eine Möglichkeit eröffnet wird vor Ort. Das will anscheinend eine Reihe von Feuerwehren, denn nicht nur in meinem Wahlbereich, sondern auch im Bereich meines Kollegen Schubert und auch in anderen Bereichen haben Wehren diesen Wunsch geäußert. Und wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir Möglichkeiten eröffnen.

(Beifall Karin Strenz, CDU)

Ich glaube, dafür sind wir als Politiker hier da.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Riemann.

Wir sind am Ende der Aussprache.

Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat in Vertretung des Innenministers noch einmal um das Wort gebeten.

(Unruhe bei einzelnen Abgeord- neten der SPD, CDU und PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist schön. )

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Abgeordnete!

Herr Riemann, ich muss offensichtlich noch ein bisschen nachlöschen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Es scheinen zwei Aschenbecherbrände zu sein. Der Innenminister hat mich auch ermächtigt, den Änderungsantrag gleich mit zu löschen. – Danke.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Damit ist die Aussprache beendet, wenn auch noch nicht alle Brände gelöscht sind heute.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/584 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag auf Drucksache 4/584 mehrheitlich abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/526 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um

ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/526 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Verbesserung der Versorgungssituation für Demente, Drucksache 4/536.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Verbesserung der Versorgungssituation für Demente – Drucksache 4/536 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht uns mit diesem Antrag um die Verbesserung der Versorgungssituation an Demenz erkrankter Menschen. Wir sind mit diesem Antrag im zweiten Anlauf. Es hat im Jahr 2000 schon mal einen ähnlichen Antrag gegeben, der etwas andere Schwerpunkte gesetzt hat als der unsrige, und wir wollen hoffen, dass wir mit dem Antrag etwas mehr Folgen zeitigen, positive Folgen zeitigen.

Ich will einmal mit der Frage anfangen: Was ist eigentlich Demenz? Der Begriff wird häufig diskutiert. Demenz ist ein Krankheitsbild mit multimorbiden Ursachen. Ich will zwei wesentliche nennen: Das eine ist der Bereich der Arteriosklerose, also Durchblutungsstörungen im Hirn, und der zweite Bereich ist der Bereich Morbus Alzheimer, auch weit bekannt. Das sind zwei große Krankheitsbereiche aus dem Formenkreis der Demenz. Genaue Berechnungen für unser Bundesland gibt es nicht. Für die Bundesrepublik Deutschland geht man davon aus, dass ungefähr eine Million Menschen inzwischen an Demenz erkrankt sind. Für Mecklenburg-Vorpommern heruntergebrochen bedeutet das, dass es wahrscheinlich etwas mehr als 20.000 demenzkranke Menschen in Mecklenburg-Vorpommern gibt.

Die Gefahr, an Demenz zu erkranken, korrespondiert stark mit dem Alter. Ich will ein paar Beispiele bringen: In der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen ist das Risiko bei 1 Prozent, in der Altersgruppe der 85- bis 89-Jährigen ist das Risiko aber schon über 20 Prozent groß und in der Altsgruppe der 90- bis 94-Jährigen haben wir ein Risiko von fast 40 Prozent, an Demenz zu erkranken.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man sich unter Berücksichtigung dieser Zahlen mal die zu erwartende demographische Entwicklung in unserem Land ansieht, dann haben wir hier eine Sache, die auf uns zumarschiert, die unser Gesundheitssystem vor große Herausforderungen stellen wird, und zwar nicht nur unter dem Aspekt der Betroffenenversorgung, sondern auch sehr stark unter dem Aspekt der Angehörigenversorgung, denn 80 Prozent der demenzkranken Menschen werden von ihren Angehörigen zu Hause versorgt. Und wer sich so etwas mal angesehen hat, der weiß, mit welchen Schwierigkeiten das verbunden ist und in welchem Umfang Angehörige, die einen solchen Kranken zu versorgen haben, in die Isolation gedrückt werden.

Deswegen wollen wir heute mit diesem Antrag eine Initiative starten, die im Ergebnis zu einer Verbesserung der Situation einmal der Erkrankten als auch der An

gehörigen in unserem Land führt, und ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Heydorn.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Als Erste hat das Wort die Sozialministerin Frau Dr. Linke. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Bewältigung von Demenzerkrankungen ist eine wichtige sozialpolitische Aufgabe. Die Gründe liegen in der Krankheit. Demenzerkrankte Menschen haben einen besonderen Hilfebedarf, die Krankheit ist ein medizinisches Problem. Die Behandlungsmöglichkeiten von Demenzen sind bis heute noch unbefriedigend. Es gibt Therapien, die ein Fortschreiten der Krankheit verlangsamen und ihre Begleiterscheinungen mildern können. Die Krankheit ist in starkem Maße ein menschliches Problem. Wer demenziell Erkrankte pflegt, lässt sich auf eine Belastung allerersten Ranges ein. Das Nachlassen der kognitiven Leistungsfähigkeit, der körperliche Abbau, schließlich die völlige Veränderung der Persönlichkeit kann Betroffene und ihre Angehörigen wirklich in eine Existenzkrise stürzen.

Wir haben, wenn wir über diesen Antrag sprechen, die demographische Entwicklung im Lande zu berücksichtigen. Demenzerkrankungen treten im Alter gehäuft auf. Mit der ständig steigenden Lebenserwartung wird die Zahl der demenziell Erkrankten immer größer und damit auch der Hilfebedarf, den die Gesellschaft leisten muss. Nach Aussagen von Wissenschaftlern sind bei den 60- bis 65-Jährigen etwa 0,5 Prozent der Bevölkerung von einer mittleren bis schweren Demenz betroffen. Bei den über 90-Jährigen muss dann schon jeder Dritte mit einer derartigen Erkrankung rechnen. Legt man diese Aussagen zugrunde, so ist für Mecklenburg-Vorpommern derzeit von rund 18.000 Erk r a n k ungen auszugehen und bis zum Jahre 2020 unter Beachtung der demographischen Entwicklung sind rund 30.000 Neuerkrankungen zu erwarten. In erster Linie muss es deshalb darum gehen, demenziell Erkrankten einen menschenwürdigen Lebensabend zu ermöglichen. Es muss alles darauf gerichtet sein, den allgemeinen Abbau der Persönlichkeit zu verlangsamen, das heißt auch, die Selbstbestimmung der kranken Menschen so lange wie möglich zu erhalten und zu fördern.

Hier gilt ebenfalls der Grundsatz ambulant vor stationär. Etwa 70 Prozent der Demenzpatienten werden heute noch im häuslichen Bereich versorgt. Das hat natürlich entscheidende Vorteile. Die Erkrankten bleiben in ihrer vertrauten Umgebung, leben nach einem vertrauten Tagesrhythmus. Das erleichtert ihnen die Orientierung, unterstützt ihr Zeitgefühl und natürlich ist zu Hause die Zuwendung größer, als das in einem Heim möglich ist. Allerdings muss festgestellt werden, ohne professionelle Unterstützung sind die Angehörigen und anderen Pflegepersonen mit der Situation, in der sie sind, oftmals überfordert. Von allen Beteiligten sind deshalb Anstrengungen zu unternehmen, um die Hilfen für häuslich versorgte Demenzkranke und ihre Angehörigen weiterzuentwickeln.

Zur Verbesserung der Versorgungssituation für Demente im häuslichen Bereich hatte das Sozialministerium in der Vergangenheit zwei Modellprojekte gefördert. Rund 39.000 Euro wurden für das Projekt Förderung der gerontopsychiatrischen Patienten im familiären Bereich in Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Mit diesem Projekt ist ein systematisches Unterstützungskonzept für Familien erarbeitet worden, die entsprechende Patientinnen und Patienten im familiären Umfeld betreuen und pflegen. Die Voraussetzungen für einen längeren Verbleib der Erkrankten in der Familie und somit eben auch ein späteres Übersiedeln ins Heim konnten so verbessert werden. Seit 2002 läuft mit Unterstützung des Sozialministeriums das Modellprojekt „Sektorale Entwicklungspartnerschaft in der Altenhilfe“. Das Vorhaben wurde mit rund 46.000 Euro gefördert. Es wird vom Institut für Sozialforschung und berufliche Weiterbildung in Neustrelitz betreut und verfügt seit dem letzten Herbst über arbeitsfähige Strukturen. Im Projekt selbst wurde ein Kurrikulum für die Betreuung dementer Menschen entwickelt und Fachkräften aus dem Bereich der Altenhilfe vermittelt.