Protokoll der Sitzung vom 27.08.2003

Ich denke, wir sollten auch in Mecklenburg-Vorpommern ganz genau darauf achten, was wir in bestimmten Bereichen tun. Herr Ministerpräsident, hören Sie damit auf, uns vorzuwerfen, wir seien technologiefeindlich! Man muss jede Förderung hinterfragen, was ist Subvention, was bringt uns voran. Die Förderung im Windkraftbereich ist ganz deutlich überzogen. Wer Renditen von 280 Prozent in 20 Jahren versprechen kann, da muss ich Ihnen sagen, das bekommen Sie bei keinem Wertpapier, bei keiner festverzinslichten Anlage, das bekommen Sie nur im Windkraftbereich.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Keler, Gewerbesteuer, meinen Sie wirklich im Ernst, dass die ertragsunabhängige Komponente bei der Gewerbesteuer ein tragfähiges Modell für Mecklenburg-Vorpommern ist? Das heißt, Sie sagen Ja zur Substanzbesteuerung.

(Rudolf Borchert, SPD: Ihre Kommunalpolitiker auch.)

Das heißt, das kann doch wirklich nicht wahr sein, dass Sie gerade in Mecklenburg-Vorpommern Ja sagen zur Substanzbesteuerung. Man kann Ja sagen zur Gewinnbesteuerung.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Aber ich hätte von Ihnen erwartet, nicht dass Sie ein Modell hier hoffieren, das nur ein Zwischenschritt ist, sondern ich denke, das richtige Modell ist, dass alle erwerbsfähigen Unternehmen gleichermaßen an der Gemeindefinanzierung über die Einkommens- und Körperschaftssteuer einbezogen werden, denn die ist viel konjunkturunabhängiger, als es die Gewerbesteuer ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das ist übrigens das BDI-Modell.

Und Sie können ja Hurra schreien

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

und auf die so genannten reichen Anwälte, Ärzte und wie sie alle heißen, zeigen, nur Sie verschweigen eins, dass in Mecklenburg-Vorpommern bei den Gewerbesteuerhebesätzen nach meiner Kenntnis jeder Freiberufler die abzuführende Gewerbesteuer auf die Einkommenssteuer anrechnen kann. Ich muss Ihnen eines sagen, dass ist keine Politik für mich, denn linke Tasche, rechte Tasche, das wird großen Teilen unserer Gemeinden überhaupt nichts bringen.

(Heinz Müller, SPD: Ach ja, ach ja!)

Deswegen kann die Zielstellung nur sein, Frau Keler, dass wir zu einer wirklich konjunkturunabhängigen Quelle für die Gemeindefinanzen kommen. Hier kann man über

ein paar Jahre den Gemeinden gegebenenfalls kein flexibles Heberecht einräumen, damit sich ein Status quo einstellt.

(Heinz Müller, SPD: Hört, hört!)

Das, was Sie hier machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein reines Herumdoktern.

Meine Damen und Herren, Sie, und da zitiere ich mal, sagen auf Seite 58 der Mittelfristigen Finanzplanung: „Bei Einführung der Mindestgarantie sind alle Beteiligten davon ausgegangen, dass die Mindestgarantie angesichts weiter wachsender Steuereinnahmen nur von theoretischer Bedeutung sein würde. Nur diese Erwartung ließ die im Verhältnis zum Gleichmäßigkeitsgrundsatz wesensfremde und im Ernstfall das Land einseitig belastende Mindestgarantie vertretbar erscheinen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich mich an die FAG-Debatte aus dem Jahr 1999 erinnere – damals hatten wir eine Verbundquote von 28 Prozent,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Oh ja!)

das heißt, die Kommunen hingen im Guten wie im Schlechten mit dem Land zusammen –, da haben Sie gesagt: Die Mindestgarantie garantiert den Kommunen die 2,5 Milliarden Mark. Sie haben dann, das muss ich heute sagen, die beiden kommunalen Landesverbände über den Tisch gezogen, wenn ich das Zitat hier sehe, da eine Mindestgarantie nur theoretische Bedeutung hatte, denn sie war für Sie das Argument zu sagen: Weg von der Verbundquote.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt.)

Und jetzt machen Sie Folgendes, denn, Herr Ministerpräsident, ich muss Ihnen sagen, wenn Sie in einem Interview sagen, dass die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern mehr Geld in der Tasche haben werden, darüber muss ich nur den Kopf schütteln.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Folgende Tatsache: In den nächsten beiden Jahren werden die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern durch Kürzung der I-Pauschale und durch Wegnahme der kommunalen Finanzzuweisungen 193,3 Millionen Euro verlieren. Das sind in zwei Jahren 114 Euro pro Einwohner.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Hm.)

Das wären – weil kreisfreie Städte fast die volle Mark bekommen, das rechnet sich relativ einfach – für die Hansestadt Rostock in zwei Jahren 23 Millionen Euro und für den Landkreis Nordvorpommern etwa 12 bis 13 Millionen Euro.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meinen Sie, Herr Ministerpräsident, das sind Peanuts? Und der Landkreis Nordvorpommern, die Zahlen haben ich sehr gut im Kopf, hat im Gegensatz zum Land von 1994 statt 660 Vollzeitstellen in der Kernverwaltung heute 360 Stellen in der Kernverwaltung. Das heißt: Es wurden 300 Stellen abgebaut. Das ist ein Abbau von fast 100 Prozent. Wenn Sie dagegen Ihre Leistungen der letzten fünf Jahre sehen, muss ich Ihnen sagen, da kann sich Nordvorpommern mehr als ein Bienchen anschreiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Jetzt reden Sie noch von Planungssicherheit der Kommunen? Was glauben Sie denn, wie die Kommunen jetzt

den Haushalt in 2004 aufstellen sollen? Wenn ich mir Ihre Worte, Herr Ministerpräsident, und die der Finanzministerin richtig auf der Zunge zergehen lasse, denken Sie über eine Neujustierung des kommunalen Finanzausgleichs nach. Und wenn ich dann den Herrn Planungsminister richtig vernommen habe, dann will er das zentralörtliche System von fünf auf drei Stufen heruntersetzen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Na klar.)

Nachtigall, ich hör dir trapsen! Ich habe das dumpfe Gefühl, denn das jetzige FAG geht schon in diese Richtung, dass Sie die zentralen Orte im ländlichen Raum abschaffen wollen, der Grundbetrag ist 75.000 Euro, und dass man für die Flächen noch weniger Geld bekommt. Herr Ministerpräsident, ich warne davor, die Kommunen weiter auszutrocknen!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und wenn Sie den Kommunen vorwerfen, dass nur aufgrund der Kleinteiligkeit dort zu viel konsumiert wird,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist doch Unsinn. Die haben keine Ahnung.)

dann befassen Sie sich wirklich einmal damit, wie in vielen Städten, Ämtern und Landkreisen seit Jahren engagiert am Personalabbau gearbeitet wird. Aber bestimmte Dinge im übertragenen Wirkungskreis können die Kommunen nun gar nicht beeinflussen, wie zum Beispiel die Zahlung bei der Sozialhilfe und die Zahlung bei der Jugendhilfe. Gucken Sie sich an, wie überproportional, nicht nur in den kreisfreien Städten, sondern auch in den Landkreisen, gerade diese Posten gestiegen sind. Das heißt, folgende Politik wird hier gegenüber den Kommunen gemacht: Rasanter Anstieg der gesetzlichen Ausgaben und rasanter Abstieg der Einnahmen, die ihnen normalerweise zustehen. Ich sage Ihnen, worauf das hinausläuft: Die Kommunen werden so gut wie gar nichts mehr investieren können, sie werden massiv bei den freiwilligen Leistungen streichen müssen. Glauben Sie, dass Kommunalpolitik – wir haben im nächsten Jahr Kommunalwahlen und alle Parteien sowie die Wählergemeinschaften im Land sind gehalten, Vertreter zu stellen, die sich aufstellen lassen – unter diesen Maßgaben noch Spaß macht? Ob in einer 300-Seelen-Gemeinde oder in der Hansestadt Rostock, das macht sicher keinen Spaß mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, von den anderen einfordern, dass sie politischen Mut beweisen, dann beweisen Sie doch mal politischen Mut und Handlungsfähigkeit und nutzen Sie die Ihnen nach der Landesverfassung zustehende Richtlinienkompetenz. Wenn das Zitat richtig ist, Sie haben es nicht dementiert, am 23. August im „Nordkurier“ werden Sie zitiert: „,Wir müssen nicht Leute beglücken, die gar nicht beglückt werden wollen‘, sagte er den Angaben zufolge.“ Und weiter: „Es sei fraglich, ,ob solche Standarderhöhungen bei der Haushaltslage noch zeitgemäß sind‘.“ Und zwar geht es um die 7 Millionen Euro für das so genannte Vorschuljahr. Herr Ministerpräsident, Sie haben Recht, Sie haben mit Ihrer Aussage Einhundert Prozent Recht. Ich sage Ihnen eines: Wir würden den Weg gehen, wir – und aus Ihren Worten entnehme ich, Sie gehen den gleichen Weg, hinter Schweriner Amtstüren hört man ja auch, dass die Finanzministerin ähnliche Gedanken hat – nehmen die 7 Millionen Euro und packen sie insgesamt ins Kindertagesstättengesetz hinein. Dann

würden wir für Kommunen, Eltern und Träger etwas Richtiges tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie halten unbeirrt, nur aus rein machttaktischen Gründen, daran fest. Und wenn sogar die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft diesen Standpunkt vertritt, die nun wahrlich nicht als CDU-nah einzustufen ist, dann lassen Sie uns doch diesen Weg gehen, und zwar wirklich nicht mehr Standards, Standarderhöhungen, die ja auch ganz offenkundig, insbesondere von den Trägern, aber auch von den Kommunen als nicht sinnvoll angesehen werden,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

sondern dass wir das insgesamt zur Verbesserung der Situation bei den Kindertagesstätten nutzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit großem Getöse haben Sie im Januar dieses Jahres ein Eckpunktepapier zur Verwaltungsreform verabschiedet.

(Andreas Petters, CDU: Oh ja!)

Mit nicht mehr so großem Getöse hat vor einigen Tagen der Innenminister den so genannten Zwischenbericht vorgestellt. Herr Ministerpräsident, die Seite 5, die müssten Sie ja kennen, sagt Folgendes, ich zitiere: „Die bisher zur Verlagerung vorgesehenen Aufgaben binden nach vorläufigen groben Schätzungen insgesamt ca. 1.500 Stellen und ein Finanzvolumen von insgesamt ca. 880.000 TEUR. Erfasst wurden Finanzvolumina, die an Dritte ausgereicht werden.“ Und jetzt kommt’s: „Einnahmen wurden gegen gerechnet, ausgewiesen wurden Nettobeträge. Das aufgeführte Finanzvolumen umfasst nicht Personal- und Arbeitsplatzkosten. Die mit diesen Aufgaben befassten Mitarbeiter und das an die Wahrnehmung der Aufgaben gebundene Finanzvolumen sollen künftig in die Verantwortung in die kommunale Ebene übergehen.“ Herr Ministerpräsident, das ist eine reine Verschiebung. Das heißt, Sie verschieben ganz einfach Aufgaben, Sie verschieben ganz einfach kommunal nach dem Motto: Kommunen werdet dann damit fertig. Das hat mit Effizienzgewinn, mit Einsparung überhaupt nichts zu tun. Sie müssten erst einmal genau an diesen Punkten prüfen, und das ist Deregulierung: Welche Aufgaben können entfallen, welchen Personalüberhang kann ich dann abbauen? Sie können das doch nicht im Ernst meinen, und zwar nach dem Motto: „Mach mir den Pelz nicht nass!“, aber die Kommunen können sich den Pelz nass machen. Das klappt nicht!

Herr Ministerpräsident, das, was hier in diesem Zwischenbericht der IMAG geboten worden ist, dazu muss ich sagen, bringt dieses Land überhaupt nicht voran.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Unsere Schrittfolge ist klar: Erstens Deregulierung. Im nächsten Landtag einen ersten Ansatz. Glauben Sie mir eins, wir sind fleißig dabei, wir machen das nebenbei im Ehrenamt, wir haben nicht in der interministeriellen Arbeitsgruppe so zwischen 20 und 30 Ministeriale sitzen, die sich dann auch noch nebenbei damit befassen können, aber wir werden mit unseren gebotenen Möglichkeiten die Deregulierung, Aufgabenkritik und Übertragung von Aufgaben auf den Tisch legen. Und die Frage ist, die Sie überhaupt noch nicht angepackt haben, wir werden uns auch Gedanken darüber machen, was können die Landkreise auf die Ämter und auf die Gemeinden herun