Protokoll der Sitzung vom 08.10.2003

Damit haben Sie ganz genau gezeigt, wo Sie eigentlich hinwollen. Sie vermengen hier Bundesebene mit der Landespolitik.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Nö, überhaupt nicht.)

Ja, natürlich. Genau das ist gerade gelaufen bei Ihnen. Sie haben auch zum Thema Gewerbesteuer nur die halbe Wahrheit gesagt, aber darauf wird sicher noch eingegangen werden.

Meine Damen und Herren, die CDU-Landtagsfraktion gefällt sich wieder einmal hier, und das war vor allen Dingen jetzt zum Schluss der Rede des Fraktionsvorsitzenden zu sehen, in der Rolle des medialen Totengräbers dieses Landes.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Das zeigt mir, dass ich mal wieder richtig gelegen habe.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Die CDU hofft, und zwar nicht ganz ohne Grund, auf entsprechende öffentliche Begleitung. Und ich möchte dagegenhalten, und zwar nicht, weil ich alles durch eine rötliche Wunschbrille sehe und die Schwierigkeiten, in denen wir alle gemeinsam stecken, schönreden will, aber die Realitäten sehen etwas anders aus, als uns die Union und Herr Rehberg glauben machen wollen.

Zuerst einmal will ich mich mit dem Begriff „Rezession“, den die CDU in dieser Aktuellen Stunde benutzt hat, beschäftigen. Meine Damen und Herren, Rezession ist ein starkes Wort,

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

vor allem aber ein Begriff, der es in sich hat. Was bedeutet er eigentlich und was bedeutet er im Zusammenhang mit Mecklenburg-Vorpommern? Und was will die Union mit der Verwendung dieses Begriffes eigentlich erreichen? Laut FAZ bedeutet Rezession: „allgemeiner wirtschaftlicher Abschwung, zumeist einhergehend mit anhaltenden Kursverlusten an der Börse“. So viel die FAZ. Im ARD-Börsenlexikon steht unter Rezession: „Konjunkturphase, in der das Wirtschaftswachstum stagniert beziehungsweise sinkende Wachstumsraten aufweist“.

(Kerstin Fiedler, CDU: Minus 1,2 Prozent.)

Im „Hamburger Abendblatt“, bekanntlich keine SPDZeitung, wird deutlich gemacht, wie die Situation in der Wissenschaft in Deutschland gesehen wird, nämlich dass die meisten deutschen Wirtschaftsforscher den Begriff der Rezession ganz bewusst vermeiden, und zwar aus dem Grund, dass der Rückgang kaum unter null liegt, denn darin sehen sie keinen wissenschaftlich begründeten Anlass, den Begriff „Rezession“ tatsächlich zu benutzen.

(Zurufe von Kerstin Fiedler, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Und ich sage Ihnen, sie tun gut daran.

Wenn die CDU dann diese Aktuelle Stunde mit dem Begriff „Rezession“ und der Situation des Landes Mecklenburg-Vorpommern belegt und in Verbindung bringt, bedeutet das das Verschweigen der Tatsache, dass in Mecklenburg-Vorpommern ursächlich keine Rezession existent ist, zumindest volkswirtschaftlich gesehen, und

es auch keine geben kann. Denn, meine Damen und Herren, mit Rezession ist immer die gesamte Volkswirtschaft gemeint. Natürlich ist Mecklenburg-Vorpommern ein Teil dieser Volkswirtschaft. Wie die Wissenschaft aber damit umgeht, haben Sie gerade von mir gehört. Das sollten zumindest, denke ich, nein, das müssten die wirtschaftspolitischen Experten der Union eigentlich wissen. Und wenn das so ist, dass Sie das wissen, dann sollten Sie sich eigentlich schämen, mehr noch, Sie sollten sich hier hinstellen und das richtig stellen und sagen, was Sie eigentlich wirklich wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen, das heißt, Sie arbeiten bewusst unkorrekt und versuchen, dieses Parlament und andere für dumm zu verkaufen.

(Heiterkeit bei Egbert Liskow, CDU)

Was, liebe Opposition, wollen Sie wirklich? Sie wollen dieses Land und alle, die hier arbeiten, sich engagieren und sich einsetzen, um voranzukommen, diese Menschen wollen Sie hier diskreditieren.

(Harry Glawe, CDU: Wer hat Ihnen das wieder aufgeschrieben?)

Ihnen mag ja unsere Politik nicht gefallen, es mag Sie wütend machen, dass Sie nicht in Regierungsverantwortung stehen, und unsere Koalition mag Ihnen auch nicht passen, aber

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Nee!)

eines dürften Sie dabei wirklich nicht vergessen: Auch Sie haben Verantwortung für dieses Land als Opposition,

(Harry Glawe, CDU: Sie auch!)

und zwar nach außen und nach innen! Und dieser Verantwortung werden Sie hier nicht einmal andeutungsweise gerecht. Selten haben wir hier Anträge zu verhandeln, die dieser Verantwortung aus Ihrer Sicht gerecht werden, meine Damen und Herren. Es kommt zwar vor, aber leider sehr selten.

Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn ich hier mal wieder mit Ihnen hart ins Gericht gehe,

(Harry Glawe, CDU: Herr Schlotmann, ist das die freie Rede heute?)

bedeutet das ja nicht, dass ich die Probleme …

(Lorenz Caffier, CDU: Wo ist die freie Rede, wo ist die freie Rede? – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich wusste, dass das kommt, Lorenz. Ich wusste, dass das kommen wird. Ich sage das trotzdem weiter.

(Harry Glawe, CDU: In der Geschäfts- ordnung steht, wir sollen frei reden. – Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Es heißt nicht, dass ich die Probleme, die dieses Land hat, nicht sehe. Und erinnern Sie sich bitte daran, in der Debatte zur Ersten Lesung des Haushaltes

(Dr. Armin Jäger, CDU: Legen Sie doch mal die Zettel weg!)

habe ich diese Probleme offen und deutlich angesprochen.

(Harry Glawe, CDU: Ja, abgelehnt.)

Aber es ist auch nicht so, als ob wir uns von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage Deutschlands und in der Eurozone abgekoppelt betrachten können. Es ist auch so …

(Lorenz Caffier, CDU: Gucken Sie uns doch einmal in die Augen beim Reden! – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich bitte darum, dass die Abgeordneten dem Redner zuhören.

(Lorenz Caffier, CDU: In freier Rede. – Harry Glawe, CDU: Aber freie Rede.)

Es ist auch nicht so, meine Damen und Herren, dass alle Länder um uns herum blühende Landschaften wären.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Objektiv gesehen sind die Wirtschaftsdaten schlecht und die Arbeitslosigkeit ist zu hoch. Da sind wir uns doch einig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Freie Rede, freie Rede!)

Sie sind schlecht im Vergleich zu den Vorjahren und sie sind schlecht im Vergleich zu den westdeutschen Ländern. Ich weiß auch, dass die Daten kurzfristig nicht besser werden und die Menschen von der Arbeitslosigkeit nicht deshalb weniger betroffen sind, wenn ich feststelle, dass es in den anderen neuen Ländern auch nicht besser aussieht. Solange wir im Wirtschaftswachstum unter dem der westdeutschen Länder liegen, kann von einem Aufholprozess nicht ernsthaft gesprochen werden, das tun wir auch nicht. Aber, meine Damen und Herren, es gilt festzuhalten, im Selbstmitleid zu versinken wird uns und diesem Land kein Stück weiterhelfen, kein einziges Stück.

(Harry Glawe, CDU: Hart arbeiten müssen wir. – Lorenz Caffier, CDU: Wir hatten uns auf freie Rede verständigt.)

Und, meine Damen und Herren, ich möchte mal einen Zeitzeugen benennen, der sicherlich nicht im Verdacht steht, dass er uns besonders nahe steht. Das ist der frühere Vorstandschef von Volkswagen und ehemaliger Chef von Ford Deutschland, das ist der Franzose Daniel Goeudevert. Der hat in seinem jüngst erschienen Buch „Wie Gott in Deutschland“ festgestellt – als jemand, der als Franzose lange in Deutschland gelebt und gearbeitet hat –, er ist der Meinung, meine Damen und Herren, dass wir Deutschen ein Volk sind, das nie, aber auch wirklich nie mit sich und dem, was es leistet, zufrieden ist. Er meint, dass im Ausland ein ganz anderes, viel positiveres Bild von uns existiert.

(Lorenz Caffier, CDU: Der Stichwortzettel ist aber lang.)

Und er meint, dass das Selbstbild der Deutschen in vielerlei Hinsicht unzutreffend und klischeebeladen ist. Ich glaube, das sollte uns allen zu denken geben. Ich glaube auch, dass es viele Menschen gibt, die bei allen objektiven und nicht wegzudiskutierenden Problemen, die wir hier im Land und darüber hinaus haben, gerne mit uns tauschen würden, meine Damen und Herren.

Auch Mecklenburg-Vorpommern ist durch einen ungeheuren Strukturänderungs- und Transformationsprozess gegangen. Vieles aus der DDR ist verschwunden, ist teilweise kaputtgemacht worden, wider besseres Wissen. Zugleich ist aber vieles, sehr vieles neu entstanden, vieles, auf das wir alle gemeinsam stolz sein sollten.