Protokoll der Sitzung vom 12.11.2003

Herr Riemann, Sie können darauf gerne antworten.

Erklären Sie denen, dass sie keine Zukunft mehr haben, zumindest, dass sie noch nicht einmal über einen gewissen Zeitraum hinweg die Möglichkeit haben, hier in der Nähe des ersten Arbeitsmarktes tätig zu sein. Dass das nicht das Allheilmittel ist und die Qualität sicher nicht so ist, wie wir uns das alle vorstellen, steht doch außer Frage. Ich finde es aber sehr bedenklich, wenn sich die Herren Stoiber, Koch und heute auch wieder Herr Rehberg entsprechend äußern.

(Zuruf von Bernd Schubert, CDU)

Wobei man ja auch feststellen muss – ich kenne und schätze die Kollegin Strenz bekanntermaßen ja auch sehr –, dass die Kollegin Strenz sich schon nuancierter äußert. Ich habe das immer wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass Frau Strenz gesagt hat: Jawohl, wir brauchen aktive Arbeitsmarktpolitik und vom Prinzip her tragen wir die aktive Arbeitsmarktpolitik unseres Landesarbeitsministers so entsprechend auch mit.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Rainer Prachtl, CDU: Der Wähler gibt Ihnen schon noch die Quittung. – Wolfgang Riemann, CDU: Die erfolgreiche aktive Arbeitsmarktpolitik.)

Insofern hat sich bei Ihnen keine Annäherung ergeben, das ist auf jeden Fall festzustellen. Ich denke – lassen Sie mich das vielleicht noch sagen, denn das gehört auch zu einer ehrlichen Debatte dazu, meine Damen und Herren –, man muss ehrlich sagen, dass die Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit in unserem Land nicht nur alleine mit Wirtschaftspolitik zu machen ist. Ich sage Ihnen eines, und zwar ganz klar, offen und ehrlich:

(Wolfgang Riemann, CDU: Herr Schröder hat gesagt, es brummt.)

Arbeitsmarkpolitik, Herr Riemann, ist heute notwendiger denn je. Wir brauchen ganz einfach Weiterqualifizierung und Weiterbildung, um auch die individuelle Beschäftigungsfähigkeit sicherzustellen. Wir wissen doch alle, der Arbeitsmarkt entwickelt sich jeden Tag rapide weiter und verändert sich. Die Menschen und die Arbeitnehmer müssen am Ball bleiben, sie müssen selber an sich arbeiten und sie müssen lebensbegleitend lernen.

Und insofern, denke ich, ist das doch ein ganz wichtiger Punkt, den können wir hier nicht einfach unter den Teppich kehren.

Ein ganz wichtiger Aspekt in dem Zusammenhang ist, dass da ja auch Chancen liegen, gerade wenn wir uns den Bereich der Grenzregionen angucken, die EU-Osterweiterung ist hier ein Stichwort. Ich denke, gerade in diesem großen Bereich der Weiterbildung und Weiterqualifizierung können wir in den nächsten Jahren noch viel machen und viel bewegen.

Sie sehen also, dass ich das alles nicht so negativ sehe, wie das hier vereinzelt immer dargestellt wird, und zwar insbesondere von der CDU und von Herrn Rehberg. Ich denke, Arbeitsmarktpolitik ist wichtig und die Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitslose sind selbstverständlich und die müssen gewährleistet sein. Wir können die Leute doch nicht einfach irgendwo auf ein Schiff setzen und wegfahren lassen. Wir müssen diesen Leuten eine Perspektive geben. Und hier kann, meine Damen und Herren, zum Beispiel ein steuerfinanzierter öffentlicher Beschäftigungssektor helfen. Das kann eine Möglichkeit sein. Auf jeden Fall darf man diese Menschen – 165.000 insgesamt, wobei Sie hatten angesprochen 74.000 Langzeitarbeitslose Stand Oktober – nicht abschreiben.

Herr Abgeordneter Mohr, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Born?

Ja, ich bin gleich am Ende. Noch zwei, drei Sätze und dann gerne.

Also dann am Schluss. Danke schön.

Also noch einmal, ich fasse zusammen: Die Pläne der Union bedeuten aus unserer Sicht ganz klar einen sozialen Kahlschlag, vor allem für die strukturschwachen Regionen in Ostdeutschland. Die Herren Stoiber, Koch und Co scheinen die reale Situation des Ostens, meine Damen und Herren, nicht mehr zu kennen. Frau Merkel hat sie offenbar völlig verdrängt. Niemand behauptet, meine Damen und Herren, dass mit den HartzGesetzen alleine alle Probleme auf dem Arbeitsmarkt gelöst werden können. Wir müssen deshalb natürlich auch das Gewissen der Bundesregierung für den Osten weiter schärfen. Das ist doch ganz klar, dafür stehen wir grade und dafür setzen wir uns natürlich ein. Aber eines ist auch klar: Die aktuellen Vorschläge der Union kann ich nur in aller Schärfe ablehnen, denn sie gefährden, meine Damen und Herren, den sozialen Frieden in unserem Land.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Heinz Müller, SPD – Torsten Koplin, PDS: So ist es!)

Und erlauben Sie mir den abschließenden Satz. Wir ziehen unseren Antrag, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, natürlich nicht zurück. Er bleibt bestehen. Ich bitte für diesen Antrag um Zustimmung und wir lehnen Ihren Antrag komplett und in toto ab. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Mohr. Gestatten Sie jetzt die Frage des Abgeordneten Dr. Born? (Zustimmung)

Bitte schön, Herr Dr. Born.

Herr Kollege Mohr, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die Auffassung vertreten haben, dass Frau Kollegin Strenz die Arbeitsmarktpolitik von Herrn Holter teilt und unterstützt?

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Ich denke, Frau Strenz hat sich dazu ja permanent geäußert und tut dies ja auch in aller Regel des Öfteren. Ich habe das an anderer Stelle hier auch schon einmal gesagt.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Kerstin Fiedler, CDU: Beantworten Sie doch mal die Frage!)

Und ganz klar ist doch – so habe ich Frau Strenz, sie ist ja auch im Raum und sie kann sich ja dazu auch noch äußern, ich habe sie so verstanden –, dass sie sich immer ganz klar positioniert und gesagt hat, aktive Arbeitsmarktpolitik ist notwendig und vom Grundsatz her ist sie damit einverstanden, was wir hier im Lande insbesondere im Rahmen des Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramms an Maßnahmen machen. Das ist der Punkt.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Dr. Born?

Natürlich.

Herr Kollege Mohr, kann ich Ihren Worten entnehmen, dass Sie der Auffassung sind, dass Herr Arbeitsminister Holter zumindest zukünftig die Positionen von Frau Kollegin Strenz in der Arbeitsmarktpolitik vertreten wird?

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das muss ich jetzt nicht beantworten oder?

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön.

Gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Strenz?

Natürlich.

Herr Kollege Mohr, habe ich das richtig in Erinnerung, dass ich Sie letzte Woche als persönlichen Pressesprecher eingestellt habe?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Ich nehme das so auf, Frau Strenz, wie gesagt, unter Kollegen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Welches Gehalt kriegst du denn? – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Ich kann damit locker umgehen.

(Heike Polzin, SPD: Richtig. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Es kommt auf die Bezüge an. – Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Abgeordneter Mohr.

Es hat jetzt ums Wort gebeten der Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung Herr Holter. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Strenz!

(Zurufe von einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS: Oh!)

Ja, ja, das muss sein.

Es bewegt sich etwas in Deutschland und ganz konkret in Ostdeutschland. Ich kann nur feststellen, der Osten beginnt, mit einer Stimme zu sprechen. Nun sind sich am Sonntag die Ministerpräsidenten aus Ostdeutschland in einigen Fragen einig, die Arbeitsminister aus Ostdeutschland waren sich am 1. September zu einigen Fragen der Reformen am Arbeitsmarkt einig und Herr Timm meinte heute, man solle sich doch Partei übergreifend gegenseitig die Hand reichen. Ob daraus, Herr Born, ein Bündnis der Vernunft für Ostdeutschland wird, das wird ganz konkret das Vermittlungsverfahren zeigen. Da baue ich auf alle Beteiligten, denn – Herr Rehberg hat es ja beschrieben – wir haben Hartz III und IV mit dem Existenzgrundlagengesetz, Hessen-Modell in Kurzform genannt, in der Verhandlung die Steuerreform mit dem Arbeitsrecht, die Gemeindesteuerreform und viele, viele andere Dinge, die miteinander verbunden werden. Und die Frage steht tatsächlich: Ist das, was für den Osten notwendig ist, auch am Ende Resultat dieses Verfahrens? Und, Herr Rehberg, Sie haben Recht, es geht um einen Systemwechsel, und zwar um einen Systemwechsel weg von der Vorsorge hin zur Fürsorge.

Ich bin ein Mensch, der positiv denkt. Nun gehe ich einmal davon aus, dass die CDU das Beste für viele in Mecklenburg-Vorpommern will, die Regierung will das auch, ich will das auch. Nun möchte ich Ihnen drei Sorgen mitteilen, die sich aus der Debatte ergeben, nicht aus der heutigen Debatte, sondern aus der Debatte über diese Arbeitsmarktreformen. Wenn in dem Vermittlungsverfahren dieses Bündnis der Vernunft für Ostdeutschland nicht zum Tragen kommt, dann wird der Osten vom Regen in die Traufe kommen. Das ist eine der Sorgen, die ich habe.

Die zweite Sorge, die ich hier äußern möchte, ist, wenn es uns nicht gelingt, die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik bei der Bundesanstalt für Arbeit, zukünftig Bundesagentur für Arbeit, zumindest auf dem Niveau von 2003 zu halten, wird es zu weiteren dramatischen Einbrüchen bei ABM und anderen Maßnahmen kommen.