Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Und eine weitere Anmerkung: Sie haben ja Ihren Änderungsantrag als das Ei des Kolumbus angepriesen. Also das ist ein verdammt hohles Ei, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Heinz Müller, SPD: Man könnte es denken, ja.)

Sehen Sie, Ihre inhaltlichen Darstellungen hier haben mich schon fast auf den Trip gebracht, dass die CSU bei Ihnen auch schon mit am Tisch sitzt.

(Lorenz Caffier, CDU: Wir sind in Schwerin und nicht in Berlin.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sagen, dass die Aushöhlung, also dieser Punkt in unserer Entschließung, in unserem Entwurf mit der Aushöhlung – gucken Sie mal rein – gestrichen werden soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit stellen Sie aber den Grundcharakter dieser Entschließung in Frage, denn Sie sagen damit nichts

anderes, wenn ich die Bestrebungen verhindern will, die zu einer Aushöhlung von Tarifautonomie und Flächenvertrag führen, wenn ich das streiche, dann sind Sie dafür. Also sage ich Ihnen, ist Ihr Antrag ein Stück weit – schreien Sie nicht gleich wieder auf – für mich scheinheilig. Lassen Sie es dabei bleiben! Arbeitgeber und Gewerkschaft sitzen traulich dahinten nebeneinander und sind sehr wohl in der Lage, auch in Zukunft die Geschicke dieses Landes sehr verantwortlich mitzugestalten. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Herr Schlotmann.

Ich schließe jetzt die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/897 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/897 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS bei Zustimmung der Fraktion der CDU abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/866 jetzt zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/866 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS bei Gegenstimmen der Fraktion der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Aufklärungsquote steigern – DNA-Analyse als die erkennungsdienstliche Maßnahme der Zukunft begreifen, Drucksache 4/876.

Antrag der Fraktion der CDU: Aufklärungsquote steigern – DNA-Analyse als die erkennungsdienstliche Maßnahme der Zukunft begreifen – Drucksache 4/876 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 4/898 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Ankermann von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag der CDU-Fraktion versucht, die gesetzlichen Grundlagen für staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungen einem Stand anzupassen, der einer modernen Gesellschaft ebenbürtig ist und nicht mehr in die Mottenkiste vergangener Zeiten gehört, über die sich Täter heutzutage totlachen. Das Problem der Ermittlungsarbeit im Rechtsstaat besteht doch häufig darin, dass die technische Weiterentwicklung der kriminellen Energie schneller ist als die immer wieder auf alle nur denkbaren Prüfstände zu stellenden Ermittlungsmethoden und -möglichkeiten der Ermittlungsbehörden.

Verstehen Sie mich nicht falsch, meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich achte ich die Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns hoch, auch die Grundsätze des fairen Verfahrens im Strafrecht, des so genannten Fair Trail, selbstverständlich. Gleichzeitig aber sorge ich mich erheblich um den Schutz der Opfer und der potentiellen

Opfer, also der Opfer von morgen mehr, als mir die Täter am Herzen liegen.

Worum geht es? Der vorliegende Antrag appelliert an Ihre Verantwortung gegenüber unserer mehrheitlich rechtstreuen Bevölkerung. Diese Verantwortung verpflichtet uns immer wieder, das in Gesetzen und Verordnungen ausgeprägte Recht unserer inneren Sicherheit dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen. Naturgemäß hinkt die Rechtssetzung hinter diesem aktuellen Stand der Wissenschaft hinterher. Naturgemäß muss dann aber auch irgendwann reagiert werden. Sie alle wissen dies, denn ansonsten würde unsere Polizei nicht mit Schusswaffen, sondern möglicherweise mit Zwillen oder Taschenmessern agieren,

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU)

nicht mit Funkgeräten, sondern mit Trillerpfeifen, und nicht mit Kraftfahrzeugen, sondern mit Pferden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Damit will ich überhaupt nichts gegen eine berittene Polizei sagen. Im Gegenteil, auch in einem Pferdeland wie Mecklenburg-Vorpommern – vielleicht das zweite Pferdeland hinter Niedersachsen – ist das möglicherweise eine Angelegenheit, die in einer Gesamtschau, wenn man in die Richtung Tourismus guckt, durchaus ihre Berechtigung hätte, denn es ist ja schon etwas Besonderes. Also sagen Sie mir bitte nicht nach, ich hätte hier gegen die berittene Polizei das Wort ergriffen!

Aber Sie haben auch Recht, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie mir jetzt sagen, unsere Strafprozessordnung, über die wir jetzt sprechen, stammt aus dem Jahre 1877. Das sind etwa 130 Jahre, ein bisschen weniger. Ich sage dies nicht voller Ironie oder Häme, ich sage dies voller Hochachtung vor dem damaligen Gesetzgeber, dem es gelungen ist, ein solches Gesetz zu schaffen, das eine solch lange Zeit Bestand hat, so dass wir heute noch in relativ ausreichendem Maße damit arbeiten können. Aber Sie wissen auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass diese Strafprozessordnung etwa 150-mal geändert worden ist. Diese Veränderungen sind jeweils Anpassungen an den Fortschritt innerhalb der Gesellschaft, an den Fortschritt innerhalb der Rechtsordnung und an den Fortschritt in der Wissenschaft. So enthält dieses Exemplar, das ich hier in meiner Hand halte, aus dem Jahre 1930 – es ist ganz dünn, es ist kein Kommentar, es ist lediglich eine Gesetzessammlung – nicht die Paragraphen 81 a bis g, um die es ja heute auch geht.

Die Anpassung der Rechtslage an den wissenschaftlichen Fortschritt ist ständige Aufgabe des Gesetzgebers. Unstreitig dürfte sein, dass die DNA-Analyse derzeit konkurrenzlos hinsichtlich der Beantwortung der Frage ist, ob eine sichergestellte Spur zweifelsfrei einer Person zugeordnet werden kann. Warum nun sollte die DNA-Analyse anders behandelt werden als der Fingerabdruck? Sie haben Angst, die DNA-Analyse ginge über die Täterbestimmung hinaus und lasse möglicherweise Rückschlüsse auf Erbanlagen zu, möglicherweise Rückschlüsse auf Krankheiten, möglicherweise Rückschlüsse auf das Geschlecht. Aber diese Besorgnis ist falsch, es sei denn, Sie glauben den Verlautbarungen der Herren Justiz- und Innenminister nicht und sind der Auffassung, diese hätten etwas Rechtswidriges eingefordert, indem sie für die Verwendung der DNA-Analyse auch in stärkerem Maße als

bisher möglich eingetreten sind. Im Übrigen, auch der damalige Innenminister Kanther, Sie werden ihn nicht besonders lieben,

(Torsten Koplin, PDS: Nein, das ist wahr.)

aber auch der derzeitige Innenminister Schily sind dafür, die Möglichkeiten der DNA-Analyse auszuweiten. Zu Recht, aber möglicherweise überzeugt Sie auch dieses Argument nicht.

Ich weise jetzt auf Paragraph 81 g Absatz 2 der Strafprozessordnung hin. Dieser enthält eine Untersuchungsbeschränkung und fordert sodann die Vernichtung der Körperzellen. Glauben Sie denn etwa, diese Vorschrift würde heute nicht oder nicht ausreichend angewendet? Ich bin fest davon überzeugt, dass die Strafermittlungsbehörden Polizei und Staatsanwaltschaft diese Vorschrift in sehr hohem Maße, ja zu hundert Prozent anwenden und es hier keine Fehler gibt. Sie wissen auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass im Ergebnis allein eine aus einem Buchstaben- und Zahlencode bestehende DNA-Formel übrig bleibt, weit entfernt vom gläsernen Tatverdächtigen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Und wenn Sie sich innerhalb der Bevölkerung einmal umhören, dann geht es doch so weit – so weit wollen wir wahrscheinlich alle gar nicht gehen –, dass diese Bevölkerung sagt, ja, im Grunde hätten wir gar nichts dagegen, wenn von jedem neugeborenen Kind gleich erst einmal ein DNA-Abstrich der Wangeninnenschleimhaut abgenommen würde, um dann möglicherweise später irgendwelche Täter wirklich schnell identifizieren zu können. Aber das ist natürlich nicht Inhalt dieses Antrages.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vor etwa drei Jahren am 14. Dezember 2000 festgestellt, dass beim gegenwärtigen Verfahren, das nur den codierten – und hier komme ich wieder zurück zu dem, was ich eben gesagt habe – DNA-Abschnitt betrifft, ein Eingriff in den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts nicht gegeben ist.

(Karsten Neumann, PDS: Nicht codiert, Sie wollten sagen, nicht codiert.)

Auch die Intensität des körperlichen Eingriffs, das werden Sie auch zugeben, ist nicht besonders hoch. Wenn Sie an diesen Abstrich der Wangenschleimhaut denken, wenn Sie im Gegensatz dazu an den Fingerabdruck mit Druckerschwärze denken, auch dieses dürfte kaum Ihr Missfallen erregen. Vielleicht ist es gar nur die Angst vor dem Neuen, vor dem Unbekannten. Das wäre ja noch verständlich, aber dann müsste man über einen solchen Fortschritt und über eine solche Weiterentwicklung innerhalb der Wissenschaft und der Medizin diskutieren.

Erlauben Sie mir schließlich die Frage, ob denn der Schutz des unschuldigen Tatverdächtigen hinter dem Schutz des schuldigen Tatverdächtigen hintanstehen muss.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Nach Paragraph 160 Absatz 2 der Strafprozessordnung sind die Ermittlungsbehörden verpflichtet, auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln. Dieses ist geltende Rechtslage, das steht im Gesetz. Nach unserer Auffassung hat der unschuldige Tatverdächtige einen

ungleich höheren Anspruch auf ein schnelles entlastendes Ermittlungsergebnis, als der schuldige Tatverdächtige vor minimalen Eingriffen in seine informationelle Selbstbestimmung zu schützen ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Mit anderen Worten: Derjenige, der nicht Täter ist, hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass mit allen rechtsstaatlichen Mitteln und Möglichkeiten seitens der Ermittlungsbehörden seine Unschuld festgestellt wird. Und dieses Recht wird die CDU ihm nicht versagen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Ankermann.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Justizminister Herr Sellering.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Antrag der Fraktion der CDU auf drei Ebenen Stellung nehmen. Ich beginne einmal mit der ersten Ebene, die ich salopp die rituelle Ebene nennen würde. Sie besteht zwischen der Aufgabenverteilung zwischen Regierung und Opposition. Die Opposition muss selbstverständlich die Regierung kontrollieren. Sie muss Vorschläge machen, und zwar Verbesserungsvorschläge und andere Vorschläge. Und deshalb, glaube ich, wird zum Teil zum Ritual, dass Sie auch dann, wenn Sie der Überzeugung sind, dass ein Regierungsmitglied hervorragende Arbeit in einem bestimmten Feld geleistet hat, trotzdem einen Antrag stellen und dieses Mitglied auffordern, auf diesem Feld tätig zu werden.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Schöne Worte, wie bei Graffiti. Jetzt mal ein bisschen Farbe bekennen. – Zuruf von Michael Ankermann, CDU)

Das gehört sicherlich auch zum Ritual.

Hören Sie noch weiter den schönen Worten zu, Herr Riemann. Vielleicht sind Sie ja von den Kollegen nicht auf den Stand meiner Arbeit gebracht worden, Herr Riemann.

(Wolfgang Riemann, CDU: Bei Graffiti kenne ich den Stand ganz genau.)

Es geht um Folgendes, Herr Thomas: