Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Antrag der Fraktion der CDU: Konflikte der Windenergienutzung entschärfen, Abstandsregelungen der technologischen Entwicklung anpassen – Drucksache 4/913 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Kokert. Bitte schön, Herr Kokert, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle sind der Auffassung, dass regenerative Energien bei einer ökologisch und ökonomisch ge

rechtfertigten Nutzung einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Daher ist es wichtig und richtig, regenerative Energien zu fördern.

Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage nach der Effektivität des Beitrages der einzelnen Energieformen zum Klimaschutz und die Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Um die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Windenergie zu erhalten, müssen wir uns diese Frage stellen. Mit dem Klimaschutzkonzept, der Ausweisung von Eignungsräumen und dem Erlass zur Planung und Errichtung von Windenergieanlagen hat die CDU wichtige Grundlagen für die Entwicklung der regenerativen Energien in unserem Land geschaffen. Der Ausbau der Windenergie ging zügig voran, in manchen Teilen des Landes offensichtlich zu zügig, wie uns die zahlreichen Bürgerinitiativen und -proteste verdeutlichen. Aus diesem Grund muss bei einem weiteren Ausbau der Windenergieanlagen in unserem Land mehr auf die Belange des Landschaftsschutzes und der örtlichen Bevölkerung Rücksicht genommen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da es im Bereich der Windenergieanlagen in den letzten Jahren beachtliche Technologiesprünge gegeben hat, ist es notwendig, den Erlass zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen aus dem Jahre 1998 fortzuschreiben. Heute haben die Anlagen eine Nabenhöhe von weit über 100 Metern erreicht, so dass in dem Erlass die festgelegten Mindestabstände zu Wohngebieten, dörflichen Siedlungen und Verkehrsanlagen als nicht mehr ausreichend zu erachten sind.

Uns ist bekannt, dass das Bauministerium bereits mit der Erarbeitung eines neuen Erlasses begonnen hat. Klar ist uns auch, dass die Exekutive sich nicht gern von der Legislative vorschreiben lässt, was in einem Erlass, der das interne Verwaltungshandeln bestimmt, zu regeln ist. Sicherlich kann man auch darüber streiten, ob im Erlass dezidierte Abstände festgeschrieben werden sollen oder ob es besser wäre, vor Ort eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Unstrittig ist aber, dass die Verwaltung unseres Landes – ich denke hierbei gerade an die Kommunen – Vorgaben für ihre planungshoheitlichen Aufgaben benötigt. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, eine berechenbare Größenordnung im gesamten Land zu haben, um die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung zu sichern. Die in dem Antrag meiner Fraktion vorgeschlagenen Abstandsregelungen, und ich betone das ausdrücklich, sind kein Dogma. Sie sind meines Erachtens angemessen und orientieren sich an den Regelungen in beispielsweise Schleswig-Holstein oder Niedersachsen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn die Vorschläge nicht direkt in das Planungsrecht der Kommunen eingreifen können und sollen, so sind sie doch eine wichtige Orientierung für die Verantwortlichen vor Ort. Darüber hinaus müssen wir auch bei erneuerbaren Energien eine Politik betreiben, die ehrliche Rahmenbedingungen setzt, um zu mehr Akzeptanz insbesondere in unserem Flächenland zu kommen. Hierbei geht es mir nicht um die so genannte Verspargelung der Landschaft, vielmehr geht es darum, dass wir den Menschen vor Ort nicht mehr plausibel erklären können, dass all diese Anlagen im Binnenland tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wenn wir ehrlich sind, geht es darum, dass Anlagen gebaut wurden und gebaut werden, die ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll sind. Der Mangel an Akzeptanz wird durch die heute bisweilen zu geringen Abstände zur

Wohnbebauung oftmals noch verschärft. All diejenigen, die in der Kommunalpolitik tätig sind, wissen, wo das Problem liegt.

Lassen Sie mich noch einige Worte zum ErneuerbareEnergien-Gesetz und zur Wirtschaftlichkeit der Windenergie verlieren. Wie aus unserem Antrag hervorgeht, gibt es in Mecklenburg-Vorpommern bereits heute über 950 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von über 790 Megawatt. Damit tragen wir schon heute einen überdurchschnittlichen Anteil am Ausbau der Windenergie in Gesamtdeutschland. Vor diesem Hintergrund muss allerdings auch die Frage erlaubt sein, wo diese Energie zum Einsatz kommt und wie diese Energie dorthin transportiert werden soll. Klar ist für mich, dass mit dem Ausbau der Offshoretechnologie und dem weiteren Ausbau der Onshorewindkraftanlagen über kurz oder lang der Bau von neuen Freileitungen notwendig ist. Die Energie muss schließlich dorthin, wo der Bedarf ist. Leider, meine Damen und Herren, ist das in unserem Land nicht der Fall,

(Beifall Gesine Skrzepski, CDU)

so dass wir mit dem Ausbau der Freileitungen lediglich die hohen Errichtungskosten, die die Energieversorgungsunternehmen an die Verbraucher weiterleitend tragen müssen, und somit weitere Standortnachteile für den Wirtschaftsraum Mecklenburg-Vorpommern in Kauf nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag, ich betone das noch einmal, stellt kein Dogma dar. Er soll die Landesregierung nur auffordern, tätig zu werden, um im Interesse der Nutzung erneuerbarer Energieträger rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Aus diesem Grund plädiere ich dafür, den Antrag in den Umweltausschuss und den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat um das Wort gebeten der Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung Herr Holter. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Kokert, es ist sehr verdienstvoll,

(Vincent Kokert, CDU: Ja.)

dass Sie sich Gedanken machen, über den Abstand von Windenergieanlagen zu Siedlungen und Straßen. Aber es ist nun wirklich nicht nötig, hier einen Antrag einzubringen, schon gar nicht, wenn dabei eine Restriktion herauskommen soll. Aber Sie haben ja eben in Ihrer Einbringungsrede gesagt, das ist kein Dogma, sondern, sagen wir mal, ein Angebot zur Diskussion, wie man das gestalten könnte.

(Vincent Kokert, CDU: Richtig.)

Okay, dann sind wir uns schon einig.

Es wird auch in Zukunft auf eine genaue Einzelfallprüfung ankommen. Es hat jetzt wirklich nichts mit der aktuellen Koalition zu tun, dass die Landesregierungen, das haben Sie auch ausgeführt, immer an diesem Thema gearbeitet haben. Die Entwicklung der Windenergie und der Ausbau der Windenergie ist übersichtlich, ist Geschichte in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Landesregierung wird weiterhin mit Augenmaß am Ausbau der Windenergie arbeiten, sowohl an Land als auch auf See. Das will ich hier ausdrücklich betonen angesichts der Debatten, die zu Offshoreanlagen geführt werden.

Unsere Erfahrungen zeigen – ich hoffe, dass das unsere gemeinsamen Erfahrungen sind –, dass das Konzept zur Windenergienutzung eben nicht am grünen Tisch erarbeitet wurde, sondern in enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, den Vertreterinnen und Vertretern des Naturschutzes und des Tourismus. Das hat sich ausgezahlt und das wird auch in Zukunft so bleiben. Gerade die Belange der Wohnbebauung wurden beachtet. Dadurch ist das Verständnis vieler Menschen für den Ausbau der integrierten Standorte der Windenergieanlagen in diesem Land sehr ausgeprägt. Ich möchte nur daran erinnern, dass dieses unabhängig von den jeweiligen Regierungsparteien in allen Legislaturperioden geschehen ist. Gerade hier beweist sich, dass Kontinuität und Berechenbarkeit ein Standortvorteil für Mecklenburg-Vorpommern ist, denn in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und PDS ist der weitere Ausbau der Windenergie nach den bewährten Regeln festgeschrieben. Dazu gehört selbstverständlich, dass man sich bei der Planung darüber Gedanken macht, welche Abstände zum Beispiel zwischen Wohnbebauung und den Windparks einzuhalten sind. Genau das haben wir auch getan.

Nur es ist so, das haben Sie beschrieben, die technologische Entwicklung geht weiter, die Anlagen werden viel höher und leistungsstärker. Das heißt aber nicht per se, dass sie automatisch lauter werden. Das ist nämlich nicht der Fall. Die großen Rotoren drehen sich langsamer und auch die Technologie zur Vermeidung von Lärm schreitet voran. Hinzu kommt, dass man seinerzeit bei der Planung und Ausweisung von Eignungsgebieten von den lautesten Anlagen mit einem Geräuschpegel von 109 Dezibel an der Nabe des Rotors ausgegangen ist. Das ergab schon damals relativ große Abstände. Die heutigen Anlagen erreichen maximale Werte von 103 Dezibel.

Noch gibt es in Mecklenburg-Vorpommern keine Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von über 100 Met e r n. Aber solche Bauanträge werden wir wahrscheinlich sehr bald bekommen. Das war auch ein Motiv, den Antrag hier einzubringen. Die höchste Anlage in Deutschland hat eine Nabenhöhe von 112 Metern und damit eine Gesamthöhe mit den Rotoren zusammen von 180 Metern. Auf dem Reißbrett gibt es jetzt schon Anlagen, die höher als 200 Meter sind. Deshalb würde eine starre Regelung mit der Einschränkung, wie Sie gesagt haben, Herr Kokert,

(Vincent Kokert, CDU: Ja.)

das will ich kollegial hier einfach anmerken, zurzeit ein Entwicklungshemmnis werden. Deswegen muss der Windenergieerlass aus 1998 in der Tat überarbeitet werden. Das ist gar keine Frage. Dazu hat eine interministerielle Arbeitsgruppe einen Entwurf erstellt, der neue Abstandswerte enthält. Dieser Entwurf wird in Kürze ein öffentliches Anhörungsverfahren durchlaufen. Für die Diskussion möchte ich vor pauschalen Festlegungen der Abstandswerte warnen, weil dadurch der erforderliche Gestaltungsspielraum

stark eingeschränkt werden würde. Genau das wird heute als bürokratisch empfunden. Deswegen sollten wir eine Lösung finden, die den Abstand definiert, aber eben nicht in Metern oder in anderen Größenordnungen, sondern die in Abhängigkeit von der technologischen Entwicklung, sprich der Höhe, dann konkret definiert werden kann. Deswegen geht es hier um ein flexibles Vorgehen, um die Belange sowohl der Windenergiebetreiber als auch der Wohnbevölkerung dieser Regionen tatsächlich zu beurteilen.

Nun können Sie fragen: Warum ist das eigentlich noch nicht passiert? Die Frage ist berechtigt. Das hat etwas damit zu tun, dass wir uns als Regierung – das unterstützt auch die CDU – vorgenommen haben zu deregulieren. Wir haben als Erstes geprüft, ob es überhaupt notwendig ist, den Windenergieerlass beizubehalten. Das, glaube ich, gestehen Sie uns zu. Es ist aber im Ergebnis dieser Prüfung auch in Abstimmung mit vielen …

(Vincent Kokert, CDU: Die erste Prüfung hat aber ein bisschen lange gedauert.)

Ja, gut, über die Länge von Prüfungen kann man sich verständigen, aber wir haben nun ganz konkret mit Akteuren darüber gesprochen, also mit regionalen Planungsverbänden, Baubehörden, Bürgerinitiativen, Planungsbüros, mit der Windenergieindustrie. Mit all denen haben wir das abgestimmt. Sie sind alle der Auffassung – und Sie haben das mit Ihrer Einbringung, Herr Kokert, noch einmal unterstrichen –, dass wir einen solchen Erlass brauchen. Er ist unverzichtbar, um auch den Kommunen und den ganzen Akteuren, den Planungsbüros, den Verbänden entsprechende Richtlinien in die Hand zu geben. Deswegen wird dieser Erlass sehr schnell erarbeitet.

In naher Zukunft bin ich bereit, im Bauausschuss, aber auch in den von Ihnen genannten Ausschüssen darüber zu sprechen, dass wir den Erlass vorstellen, dass wir hoffentlich einen Konsens finden und sagen können, okay, das ist ein Erlass, mit dem können wir alle in Mecklenburg-Vorpommern leben, so, wie wir auch in der Vergangenheit Windenergieanlagen in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam geplant und vorangebracht haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dr. Zielenkiewitz. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Herr Kokert! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Antrag will die Opposition Konflikte lösen.

(Im Plenarsaal klingelt ein Handy. – Norbert Baunach, SPD: Das ist dein Handy. – Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD)

Zeit fürs Klingeln muss sein.

Dieser Antrag ist immer richtig oder dieses Wollen ist immer richtig. Aber, Herr Kokert, als Sie gesprochen haben, hatte ich Zweifel, ob Sie zum Antrag sprechen.

Herr Abgeordneter, einen kleinen Moment bitte. Ich möchte auf die Geschäfts- und Hausordnung hinweisen, dass das Benutzen von Handys im Plenarsaal untersagt ist. Ich bitte, draußen zu telefonieren.

Bitte schön, Herr Abgeordneter.

(Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

Alles, was Sie in Ihrer Rede gesagt haben, kann man hundert Prozent unterstreichen, aber in Ihrem Antrag werden explizit drei Mindestabstände vorgeschlagen zur Beschlussfassung, explizit zwei Längen als absolute Größen und eine Länge in Abhängigkeit von einer Höhe. Insofern kann man sagen, der Antrag hat einige Längen, was ihm fehlt, ist eine gewisse inhaltliche Tiefe. Sie können diese drei Größen so nicht beschließen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Dr. Martina Bunge, PDS)

Denn was Sie nicht gemacht haben, und möglicherweise ist es nicht bis zu Ende gelesen worden, unmittelbar neben der Spalte „Mindestabstand“ finden Sie das Wort „Untersuchungsbereich“. Dort sind die Untersuchungsbereiche ebenfalls explizit ausgewiesen. Natürlich finden Sie Ihre Größen in diesem Untersuchungsbereich wieder. Wir würden also dort eine restriktive Größe einführen. Der Minister hat es eben ausgeführt. Leider kann ich es nicht schöner sagen. Ich kann Ihnen deshalb nur empfehlen,

(Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

diesen Antrag zurückzuziehen, denn das, was Sie hier erzählt haben, und die Formulierung, ich lese Ihnen das gerne noch einmal vor, sie sollen drei Größen explizit beschließen, dieses geht nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Vincent Kokert, CDU: Überweisung geht aber, denke ich.)

Danke schön, Herr Abgeordneter.